Wenn Darmkrebs das Gehirn befällt – Neue Studie deckt gefährliche Genmuster auf

Darmkrebszellen ändern plötzlich ihr Ziel und streuen ins Gehirn. Neue Genanalysen enthüllen das tödliche Muster.

Darmkrebszellen ändern plötzlich ihr Ziel und streuen ins Gehirn. Neue Genanalysen enthüllen das tödliche Muster.

Genetische Analysen zeigen: Bestimmte Veränderungen im Erbgut treiben Darmkrebszellen gezielt ins Gehirn. © Pixabay

Darmkrebs zählt weltweit zu den gefährlichsten Tumorarten – etwa 900.000 Menschen sterben jedes Jahr daran. Besonders tückisch wird es, wenn sich der Krebs im Körper ausbreitet. Rund ein Viertel der Patienten hat schon bei der Diagnose Metastasen, bei weiteren 20 Prozent entstehen sie später. Meist befallen sie die Leber oder die Lunge. Doch wenn Darmkrebs ins Gehirn streut, wird es kritisch – und bislang wusste man kaum, warum das passiert.

Wissenschaftler der Universität Augsburg haben mehr als 300 Tumorproben untersucht, darunter auch 39 Proben von Gehirnmetastasen. Ziel war es, die Erbinformationen der Krebszellen genau zu analysieren. Dabei fiel auf: Tumore, die ins Gehirn streuen, tragen besonders viele genetische Veränderungen. Diese Unterschiede betreffen vor allem das sogenannte KRAS-Gen – ein bekannter Treiber bei Darmkrebs.

Wenn ein Gen das Tumorverhalten völlig verändert

KRAS ist ein Gen, das in vielen Krebsarten eine Rolle spielt. Es beeinflusst, wie schnell sich Zellen teilen. In der Augsburger Studie zeigte sich: In Gehirnmetastasen war dieses Gen nicht nur verändert, sondern oft auch vervielfacht. Diese Kombination lässt die Krebszellen besonders aggressiv wachsen.

„Wir haben spezifische Veränderungen im KRAS-Gen identifiziert, die mit einem aggressiveren Tumorverhalten zusammenhängen“, erklärt Studienleiterin Prof. Dr. Monika Golas. Solche Tumore verändern auch ihren Stoffwechsel: Statt Sauerstoff nutzen sie verstärkt Zucker zur Energiegewinnung – ein typisches Merkmal vieler aggressiver Krebsarten.

Warum Darmkrebszellen plötzlich Richtung Kopf wandern

Für viele Betroffene stellt sich die Frage: Warum ausgerechnet das Gehirn? Die Studie liefert nun erste Antworten. Die Forscher fanden heraus, dass sich Tumorzellen gezielt an bestimmte Organe anpassen. Spezifische genetische Muster fördern die Ausbreitung ins Gehirn, andere eher in die Leber oder Lunge. Dieses Phänomen wird in der Forschung als „organbezogene Metastasierung“ bezeichnet.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass bestimmte genetische Veränderungen die Ausbreitung in spezifische Organe begünstigen“, sagt Golas. Im Fall der Hirnmetastasen entstehen diese Veränderungen offenbar erst spät – oft erst Jahre nach der Erstdiagnose.

Bestimmte Genkopien lassen Tumorzellen schneller wachsen

Neben dem KRAS-Gen fanden die Forscher auch Vervielfältigungen weiterer Gene, die das Zellwachstum beeinflussen – darunter Gene wie MDM2 und CDK4. Auch sie waren bei Tumoren aktiv, die ins Gehirn gestreut hatten. Diese Gene sorgen dafür, dass sich Krebszellen besonders schnell teilen und sich dadurch leichter im Körper ausbreiten können.

Auffällig: Die Hirnmetastasen in der Studie wiesen eine besonders große Anzahl solcher genetischer Veränderungen auf – deutlich mehr als Leber- oder Lungenmetastasen. Das macht sie schwerer behandelbar, aber auch besser identifizierbar.

Moderne Analyseverfahren entlarven gefährliche Tumormuster

Für ihre Analyse nutzte das Forschungsteam modernste Verfahren, die selbst kleinste genetische Veränderungen sichtbar machen. Wichtig war auch: Die untersuchten Proben stammten von Patienten, die keine zielgerichteten Medikamente bekommen hatten. So konnten die Wissenschaftler natürliche Entwicklungen der Tumore besser nachvollziehen.

„Unsere Forschung zeigt nicht nur, wie Metastasen entstehen, sondern auch, wo die Schwachstellen der Tumorzellen liegen“, betont Golas. Die Erkenntnisse könnten künftig helfen, das Risiko einer Hirnmetastase früher zu erkennen und Therapien gezielter anzupassen.

So könnten die neuen Erkenntnisse Therapien verbessern

Insgesamt wurden mehr als 3.800 Darmkrebsfälle analysiert. Die Forscher konnten dabei zeigen, dass das Gehirn – obwohl seltener betroffen – eine besonders komplexe genetische Umgebung für Metastasen darstellt. Besonders wichtig: Die Veränderungen im Erbgut der Tumore lassen sich messen. Und genau das könnte für Betroffene entscheidend sein.

„Unsere Forschung vertieft das Verständnis der biologischen Mechanismen hinter der Metastasierung und zeigt, wo die Tumorzellen angreifbar sind“, sagt Golas. Eine bessere Früherkennung und gezielte Behandlungen könnten dadurch schon bald Realität werden.

Kurz zusammengefasst:

  • Gehirn-Metastasen bei Darmkrebs entstehen meist spät und zeigen besonders viele genetische Veränderungen, vor allem im KRAS-Gen.
  • Diese Veränderungen fördern ein aggressives Wachstum und einen speziellen Zuckerstoffwechsel, der die Ausbreitung ins Gehirn begünstigt.
  • Mit modernen Analyseverfahren lassen sich solche Muster frühzeitig erkennen – das eröffnet Chancen für gezieltere Therapien.

Übrigens: Aspirin bekämpft nicht nur Kopfschmerzen – es enttarnt auch Krebszellen auf ihrer Flucht durchs Immunsystem. Wie das Schmerzmittel tödliche Metastasen verhindern könnte – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pixabay

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