Warum unsere innere Uhr trotz Hitze nicht aus dem Takt gerät
Die innere Uhr gleicht Hitze aus und hält den Schlafrhythmus stabil – das ist wichtig für Gesundheit und Wohlbefinden.

Ein Ventilator sorgt für Abkühlung, während der Körper trotz Hitze seinen eigenen Rhythmus behält. © DALL-E
Vom aufgeheizten Schlafzimmer in die kühle Morgenluft und später in ein überhitztes Büro – der Körper steckt täglich große Temperaturschwankungen weg. Trotzdem bleibt der Schlaf-Wach-Rhythmus erstaunlich stabil. Verantwortlich dafür ist die innere Uhr, die auch bei Hitze präzise tickt. Wie sie das schafft, war lange ein Rätsel.
Nun wurde in einer Studie vom RIKEN Center for Interdisciplinary Theoretical and Mathematical Sciences (iTHEMS) in Japan ein entscheidender Mechanismus entdeckt, der diese Stabilität möglich macht. Die innere Uhr gleicht schwankende Temperaturen aus, ohne dass der Tag-Nacht-Rhythmus verrutscht.
Wie das funktioniert, haben Gen Kurosawa und sein Team nun genau entschlüsselt. Die Forscher fanden heraus, dass sich bei höheren Temperaturen die Form der inneren Taktgeber verändert, aber nicht deren Dauer.
Hitze beschleunigt Genaktivität – Körper bleibt aber im Takt
Unsere innere Uhr wird durch zyklische Muster von mRNA gesteuert – Moleküle, die den Bauplan für Eiweiße liefern. Diese entstehen, weil bestimmte Gene regelmäßig an- und abgeschaltet werden. Ähnlich wie ein Pendel, das sich gleichmäßig auf und ab bewegt und sich mathematisch als Sinuswelle beschreiben lässt, folgt auch der Anstieg und Abfall der mRNA einem solchen rhythmischen Muster.
Im Zentrum der Forschung steht das Phänomen namens „Wellenform-Verzerrung“. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass sich die Kurvenform genetischer Aktivität bei Wärme verändert. Der Rhythmus bleibt stabil, obwohl Prozesse im Körper schneller ablaufen.
Dieser Ausgleich wirkt wie eine biologische Bremse: Während der Anstieg der Botenstoffe mRNA bei Hitze schneller erfolgt, verlangsamt sich ihr Abbau. Die Kurve wird schiefer, aber die Länge bleibt über den Tag konstant. So sorgt der Körper dafür, dass der innere Takt mit dem äußeren 24-Stunden-Rhythmus synchron bleibt.
Physikalische Modelle entschlüsseln den inneren Rhythmus
Um den Mechanismus zu entschlüsseln, nutzte das Team aus Japan Werkzeuge der theoretischen Physik. Mit der sogenannten Renormierungsgruppen-Methode analysierten sie die langsamen Veränderungen im Rhythmus der mRNA. Die Modelle zeigten: Je höher die Temperatur, desto stärker verschiebt sich der Schwerpunkt der Kurve. Die Abklingphase wird länger, das Ganze wird asymmetrisch und genau das stabilisiert die Uhr.
Unsere Ergebnisse belegen, dass die Verzerrung der Kurvenform entscheidend ist, um den biologischen Takt bei Hitze zu halten.
Gen Kurosawa
Und es blieb nicht bei reiner Theorie. Die Forscher überprüften ihre Modelle mit echten Daten unter anderem von Fruchtfliegen und Mäusen. Auch dort zeigte sich: Bei Wärme verändert sich die Form der Rhythmuskurve wie vorhergesagt.
Warum manche bei Jetleg und Schichtarbeit robuster sind als andere
Noch spannender ist, was die Forscher zusätzlich herausfanden: Die verzerrten Kurven sorgen nicht nur für Temperatur-Ausgleich. Sie machen die innere Uhr auch unempfindlicher gegenüber äußeren Reizen, etwa unregelmäßigen Lichtverhältnissen. Je stärker die Verzerrung, desto weniger Einfluss hat zum Beispiel künstliches Licht auf den Schlaf-Wach-Rhythmus. Das könnte erklären, warum manche Menschen besser mit Jetlag oder Schichtarbeit klarkommen als andere.
Laut Kurosawa könnten diese Verzerrungen künftig als Messgröße dienen, etwa bei Schlafstörungen, Jetlag oder Altersbeschwerden. „Der Grad der Verzerrung könnte ein Biomarker sein, der hilft, innere Uhren besser zu verstehen“, so der Forscher. Künftig wollen die Wissenschaftler herausfinden, welche Moleküle diesen Effekt steuern und wie stark er bei verschiedenen Menschen ausgeprägt ist. Denn auch Alter, Genetik und Lebensstil beeinflussen die innere Uhr, nicht nur die Temperatur.
Kurz zusammengefasst:
- Die innere Uhr des Menschen bleibt auch bei großen Temperaturschwankungen und Hitze stabil, weil sich die Form genetischer Aktivitätsmuster gezielt verändert.
- Eine langsamere Abklingphase der mRNA bei Hitze sorgt dafür, dass der 24-Stunden-Rhythmus erhalten bleibt, trotz beschleunigter Prozesse im Körper.
- Diese sogenannte „Wellenform-Verzerrung“ macht den Biorhythmus robuster gegenüber Lichtreizen und könnte künftig helfen, Schlafstörungen oder Jetlag besser zu verstehen.
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Bild: © DALL-E