Ein ausgestorbener Vogel findet seinen Weg zurück nach Europa – mit der Hilfe menschlicher Piloten

Im Rahmen eines Projekts zur Wiederansiedlung des Waldrapps in Europa helfen menschliche Piloten den Vögeln bei ihrer Migration.

Waldrapp

Der Waldrapp war aus der Naturlandschaft Europas verschwunden, doch ein außergewöhnliches Projekt hat ihn zurückgebracht. © Wikimedia

Nach 300 Jahren der Abwesenheit kehrt der Waldrapp wieder in die Landschaften Mitteleuropas zurück. Im Zuge eines Projekts folgen derzeit 36 dieser gefährdeten Vögel einem Ultraleichtflugzeug auf einer fast vergessenen Migrationsroute von Österreich nach Spanien.

Der Biologe Johannes Fritz leitet dieses Projekt. Als Inspiration diente ihm laut dem Guardian ein Film: In „Fly Away Home“ aus dem Jahr 1996 nutzte der Protagonist ein Ultraleichtflugzeug, um verwaisten Gänsen ihre Migrationsroute zu zeigen. Der Film basierte auf der Arbeit von Bill Lishman, der kanadischen Gänsen im Jahr 1988 ebenfalls auf diese Art und Weise geholfen hatte.

Fritz beschreibt die Erfahrung als „ein fast surreales Erlebnis“. Die Strecke, die er und die Vögel zurücklegen müssen, misst etwa 2.800 Kilometer. Die Reise könnte daher bis zu 50 Tage in Anspruch nehmen.

Eine außergewöhnliche Reise

Um die Vögel auf diese Reise vorzubereiten, werden sie schon wenige Tage nach ihrer Geburt von ihren Brutkolonien im Zoo Rosegg in Österreich entfernt und in die Obhut menschlicher Pflegeeltern gebracht. Der Prozess des „Imprinting“, bei dem die Küken auf bestimmte Menschen geprägt werden, soll sicherstellen, dass die Vögel ihren menschlichen Führern auf der Migrationsroute folgen. Diese sitzen in Ultraleichtflugzeugen und leiten die Tiere durch Zurufe und Gesten.

Barbara Steininger, eine der „Vogelmütter“, erzählt dem Guardian von der tiefen Bindung, die sie zu jedem einzelnen Vogel aufbaut: „Wir füttern sie, wir reinigen sie, wir pflegen ihre Nester. Wir kümmern uns gut um sie und sorgen dafür, dass sie gesunde Vögel sind.“ Ihre Beziehung endet jedoch nicht mit der Ankunft in den Winterquartieren. Obwohl die Waldrappe dort vollständig unabhängig werden, erkennen sie ihre Pflegeeltern auch Jahre später noch und nähern sich ihnen aktiv, um sie zu begrüßen.

Ein Leuchtturmprojekt für den Artenschutz

Das Hauptziel des Projekts, das seit 2002 läuft, ist es, den Waldrapp (Geronticus eremita) wieder in der Naturlandschaft Europas zu etablieren. Einst war der Vogel von Nordafrika über die arabische Halbinsel und weite Teile Europas verbreitet. Starke Bejagung durch den Menschen und die Zerstörung ihres Habitats sorgte jedoch dafür, dass der Waldrapp aus Mitteleuropa verschwand. Darüber hinaus soll das Vorhaben als Vorbild für die Wiedereinführung anderer bedrohter wandernder Arten dienen.

Diese Methode, die wir mit dem Waldrapp entwickelt haben, wird dringend für eine zunehmende Anzahl anderer Zugvogelarten benötigt. Es ist ein Leuchtturmprojekt, das zeigt, was möglich ist.

Johannes Fritz

Durch die Weiterentwicklung dieser Methodik und das Sammeln von Erfahrungen erhofft sich Fritz, auch andere Vogelarten vor dem Aussterben zu bewahren und ihre natürlichen Migrationsrouten wiederherzustellen. „Ich könnte mich in jede Art verlieben, mit der ich arbeite“, sagt er, und er würde es lieben, weiterhin mit Vögeln zu fliegen.

Neue Herausforderungen durch den Klimawandel

Die ersten Generationen, die in der Wildnis geboren wurden, haben bereits gelernt, die von Menschen gelehrte Migrationsroute an ihre Nachkommen weiterzugeben. Doch der Klimawandel bringt neue Herausforderungen mit sich. Die Vögel beginnen ihre Migration später in der Saison, was sie zwingt, die Alpen in kälterem und gefährlicherem Wetter zu überqueren. Aufgrund dieser Veränderungen wurde 2023 eine neue Route von Bayern nach Andalusien eingeführt, die rund 300 Kilometer länger ist als die des Vorjahres.

Was du dir merken solltest:

  • Nach 300 Jahren in Europa ausgestorben, folgen jetzt 36 Waldrappe einem Ultraleichtflugzeug von Österreich nach Spanien, um ihre Migrationsroute wiederzuerlernen.
  • Das Projekt unter der Leitung von Biologe Johannes Fritz nutzt die Methode des „Imprinting“, wodurch Vögel eine Bindung zu ihren menschlichen Pflegeeltern entwickeln und ihnen auf der Route folgen.
  • Angesichts des Klimawandels, der die Migration erschwert, wurde eine neue, längere Route eingeführt, um die Sicherheit der Vögel während der gefährlicheren Wetterbedingungen zu erhöhen.

Übrigens: Auch andere Vögel haben Probleme mit ihrer Flugroute. Die Migration der Schelladler führt durch das vom Krieg betroffene Gebiet in der Ukraine. Welche Folgen das für die Vögel hat, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Mich77 via Wikimedia unter CC BY-SA 3.0

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert