Was sonst Jahrtausende dauert, schafft Start-up binnen Wochen – Superhumus heilt Böden und speichert massenhaft CO2
Das Start-up Humify wandelt organische Abfälle in nährstoffreichen Humus um, der Böden binnen Wochen regeneriert, Ernten steigert und CO2 langfristig speichert.

Etwa 50 Prozent der Fläche Deutschlands gehören zur landwirtschaftlichen Nutzung. Diese Fläche kann zum mächtigen Klimaschützer werden: Mit hohem Humusgehalt speichert der Boden mehr Kohlenstoff als Atmosphäre und Pflanzen zusammen. © Unsplash
Ein tiefschwarzer, zähflüssiger Schlamm könnte Felder fruchtbarer machen, Ernten steigern und dabei auch noch Millionen Tonnen CO2 binden. Entwickelt wurde er von dem Potsdamer Start-up Humify. Hinter der Idee des Superhumus steht das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Das Ziel: Böden weltweit als effektive Kohlenstoffspeicher zurückzugewinnen und ihre Fruchtbarkeit zu steigern, also Landwirtschaft und Klimaschutz zugleich voranbringen.
Superhumus verkürzt jahrtausendelange Regeneration auf wenige Wochen
Das Verfahren nutzt organische Abfälle, die bei 200 Grad Celsius unter Druck mit Wasser zu künstlichen Huminstoffen werden. Im Boden wirken diese wie ein Superfood: Sie speichern Wasser, binden Mineralien und aktivieren Milliarden Mikroorganismen. Diese sorgen dafür, dass Pflanzen Nährstoffe leichter aufnehmen und gleichzeitig Kohlenstoff fest im Boden gebunden bleibt. Versuche in China ergaben bis zu 20 Prozent höhere Ernten – ein Gewinn für Ernährungssicherheit und Klimaschutz. Mitbegründer von Humify Harald Pinger erklärt.
Auf natürlichem Weg bräuchten diese Flächen bis zu 3.000 Jahre, um sich zu erholen. Mit unserem Verfahren gelingt das in wenigen Wochen.

Historisches Verfahren, modern genutzt
Das Prinzip geht auf den deutschen Chemiker Friedrich Bergius zurück, der 1931 den Nobelpreis für sein Hochdruckverfahren zur Kraftstoffproduktion erhielt. Markus Antonietti, Direktor am Max-Planck-Institut, entdeckte bei einer Prozessänderung, dass sich Polymere bilden, die natürlichem Humus sehr ähnlich sind. „Eine Tonne Huminstoffe pro Hektar bindet bis zu 50 Tonnen Kohlenstoff im ersten Jahr“, so Antonietti. Diese Werte liegen weit über dem, was viele bisher für möglich hielten.
Vom Labor in den Ackerbau
Auf einer Fachveranstaltung traf Antonietti den Investor Harald Pinger. Gemeinsam mit GreenTech-Unternehmer Andreas Dittes gründeten sie 2023 die Humify GmbH. Die Vision: Landwirtschaftsbetriebe sollen ihre eigene Biomasse in kurzer Zeit zu hochwertigem Humus verarbeiten können – ohne lange Transportwege.
- Anwendungsidee: Humify-Anlagen direkt neben Biogasanlagen platzieren, um Gärreste in Humus umzuwandeln.
- Effekt: geschlossener Nährstoffkreislauf, geringere Abhängigkeit von Kunstdüngern, weniger CO2-Emissionen.

Produktion in riesigem Maßstab
Der weltweite Bedarf ist riesig. Nach Antoniettis Berechnungen bräuchte es zwei Milliarden Tonnen Huminstoffe für zwei Milliarden Hektar Ackerfläche. Humify kann aktuell nur kleine Mengen herstellen. Deshalb entwickeln Ingenieure neue Großanlagen. Eine Pilotanlage für 3.000 Tonnen pro Jahr ist geplant.
Chemikerin und CTO Svitlana Filonenk will den Energieverbrauch bei der Herstellung des Superhumus deutlich senken. „Wenn wir beim Hochheizen und Abkühlen effizient arbeiten, erreichen wir die nötige Wettbewerbsfähigkeit“, erklärt ihr Kollege Pinger.
Mobile Humus-Fabriken direkt in abgelegenen Landwirtschaftsbetriebe
Filonenko forschte sechs Jahre am Max-Planck-Institut zu organischen Stoffen. Der Wechsel ins Start-up war für sie ein logischer Schritt. „Viele wollen mit ihrer Forschung etwas gegen die Klimakrise tun, aber oft bleibt es Theorie. Hier wird es praktisch.“
Ihr Ziel: mobile Humify-Anlagen, die direkt auf abgelegenen Höfen arbeiten. So würde Biomasse ohne Umwege wieder in den Boden gelangen, als nährstoffreicher Humus, der gleichzeitig CO2 speichert und Erträge steigert.
Kurz zusammengefasst:
- Humify stellt aus organischen Abfällen künstliche Huminstoffe her, die wie ein Superhumus Böden in kurzer Zeit regenerieren, Wasser und Nährstoffe binden und CO2 speichern.
- Das Verfahren basiert auf einem modifizierten Hochdruckprozess und kann Ernteerträge laut Tests um bis zu 20 Prozent steigern.
- Ziel ist eine weltweite Anwendung durch stationäre und mobile Anlagen, um Landwirtschaft und Klimaschutz gleichzeitig zu fördern.
Übrigens: In Australien ist es Forschern gelungen, sogenannte Ewigkeitschemikalien wie PFAS fast vollständig in harmlose Stoffe zu zerlegen. Mehr dazu in unserem Artikel.
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