Das menschliche Gehirn sieht überall Gesichter – Nun haben Forscher entschlüsselt, warum
Menschen sehen überall Gesichter, selbst in unbelebten Dingen – eine neue Studie hat den Ursprung dieser Illusion ergründet.

Das menschliche Gehirn ist sehr gut darin, Gesichter zu erkennen – manchmal sogar zu gut. © Vecteezy
Menschen sehen oft Gesichter in unbelebten Objekten wie Wolken, Steckdosen oder Kaffeeflecken. Diese Illusion wird als Pareidolie bezeichnet. Warum funktioniert das Gehirn auf diese Weise? Forscher der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) haben nun herausgefunden, dass die Gesichtserkennung unseres Gehirns nicht isoliert arbeitet, sondern eng mit der allgemeinen Objekterkennung verknüpft ist.
Künstliche neuronale Netze als Modell für das menschliche Sehen
Um dieses Phänomen besser zu verstehen, wurden künstliche neuronale Netze (CNNs) trainiert. Diese sollten entweder nur Gesichter, nur Objekte oder beides erkennen. Die Forscher verglichen dann die Reaktionen dieser Netze mit menschlichen Gehirnaktivitäten, die mittels Magnetoenzephalographie (MEG) gemessen wurden.
Das Ergebnis: Nur die Netze, die sowohl Gesichter als auch Objekte erkennen konnten, verarbeiteten Pareidolie-Bilder auf eine Weise, die den Daten des menschlichen Gehirns ähnlich war. Diese Netzwerke nutzten Merkmale wie Augen oder Mund, um Gesichter zu identifizieren.
Gesichter werden schneller erkannt als andere Objekte
Die Experimente zeigten, dass das Gehirn Gesichter bereits nach rund 165 Millisekunden als solche wahrnimmt. In dieser Phase verarbeitet es Pareidolie-Bilder ähnlich wie echte Gesichter. Erst etwa 90 Millisekunden später erfolgt eine Korrektur, die erkennbar macht, dass es sich eigentlich um ein Objekt handelt. Das menschliche Gehirn sieht also lieber einmal zu oft ein Gesicht, als eines zu übersehen.

Unterschiedliche Trainingsarten der neuronalen Netze führten zu verschiedenen Verarbeitungsmustern. Netze, die nur auf Gesichtsidentifikation trainiert wurden, erkannten Pareidolie-Bilder kaum als Gesichter. Hingegen ordneten Netze, die auch auf allgemeine Objekterkennung optimiert waren, die illusionären Gesichter korrekt zu.
Laut der Studie deutet dies darauf hin, dass die frühe Gesichtserkennung im Gehirn nicht nur durch spezielle Areale für Gesichter gesteuert wird, sondern auch durch eine breite, allgemeine Objekterkennung.
„Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass diese Sinnestäuschung auch beim Menschen darauf zurückzuführen ist, dass unser Gehirn zeitgleich gelernt hat, Gesichter zu erkennen und Objekte zu kategorisieren“, sagt Prof. Dr. Katharina Dobs, Professorin für Angewandte Informatik mit dem Schwerpunkt Kognitive Systeme. „Wenn wir also in unserem Kaffeeschaum oder in den Wolken ein Gesicht sehen, ist das keine zufällige Kuriosität, sondern ein systematisches Nebenprodukt der Optimierung unseres Gehirns.“
Augen als entscheidendes Merkmal
Eine Analyse der neuronalen Netze ergab, dass sie für die Gesichtserkennung besonders auf augenähnliche Strukturen angewiesen waren. Dies entspricht auch dem menschlichen Sehen: Menschen erkennen Gesichter oft nur anhand von zwei Punkten, die wie Augen wirken. Besonders Netzwerke, die sowohl Objekte als auch Gesichter erkannten, orientierten sich stark an diesen Merkmalen.
Die Ergebnisse zeigen, dass unser Gehirn von Natur aus darauf ausgelegt ist, Gesichter schnell zu identifizieren. Das könnte ein überlebenswichtiger Mechanismus sein, da das Erkennen von Gesichtern in einer sozialen Gruppe entscheidend für die Kommunikation und die Abwehr von Gefahren ist. Die Forschungsergebnisse könnten auch helfen, KIs weiterzuentwickeln, die die menschliche Wahrnehmung näher abzubilden versuchen.
Kurz zusammengefasst:
- Das menschliche Gehirn erkennt Gesichter oft in unbelebten Objekten, weil seine Gesichtserkennung eng mit der allgemeinen Objekterkennung verknüpft ist.
- Forscher haben gezeigt, dass künstliche neuronale Netze, die sowohl Gesichter als auch Objekte analysieren, dieses Phänomen ähnlich wie das menschliche Gehirn verarbeiten.
- Besonders augenähnliche Strukturen sind entscheidend für die Wahrnehmung, was darauf hinweist, dass das menschliche Gehirn lieber einmal zu oft ein Gesicht erkennt, als eines zu übersehen.
Bild: © Vecteezy
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