Wie Mikroben Schokolade veredeln – Forscher knacken das Geheimnis des perfekten Aromas

Schokolade schmeckt je nach Region ganz unterschiedlich. Forscher haben nun entschlüsselt, wie Mikroben am Geschmack mitwirken.

So formen Mikroben den Geschmack der Schokolade

Ob nussig, fruchtig oder bitter – kleine Mikroben entscheiden schon bei der Fermentation, wie Schokolade später schmeckt. © Unsplash

Ein Stück Schokolade kann nach Beeren schmecken, nach Kaffee oder Nüssen. Mal ist es cremig und süß, mal eher bitter oder erdig. Dass dieser Geschmack nicht nur von der Kakaosorte oder der Röstung abhängt, sondern vor allem von kleinen Organismen, war lange bekannt – aber nicht im Detail verstanden. Nun haben Wissenschaftler erstmals entschlüsselt, wie bestimmte Mikroben den Schokoladengeschmack gezielt verfeinern können.

In der Fachzeitschrift Nature Microbiology beschreiben Forscher aus Großbritannien und Kolumbien, wie Temperatur, Säuregehalt und die richtige Mischung an Bakterien und Pilzen bei der Fermentation darüber entscheiden, wie die fertige Schokolade schmeckt. Das könnte nicht nur neue Aromen hervorbringen, sondern die Qualität von Kakaobohnen aus weniger bekannten Regionen aufwerten – ganz ohne Gentechnik oder Zusatzstoffe.

Geschmack entsteht schon bei der Fermentation

Der Weg der Schokolade zu einer Tafel oder Praline umfasst mehrere Schritte: Zuerst werden die Kakaobohnen nach der Ernte aus der Schale gelöst und für mehrere Tage fermentiert. Dabei zersetzen Mikroorganismen das Fruchtfleisch, die Bohnen beginnen zu schwitzen und entwickeln erste Aromen. Danach werden sie getrocknet, geröstet und zu Kakaomasse verarbeitet.

Die Fermentation läuft in der Regel ohne menschliches Eingreifen ab. Welche Mikroben sich durchsetzen, hängt stark vom Klima, der Region und dem Zufall ab. Doch genau das wollten die Forscher ändern: Sie wollten verstehen, wie gezielte Bedingungen die Mikroben steuern – und damit den Geschmack der Schokolade.

Kakao schmeckt überall anders – Mikroben spielen dabei eine größere Rolle als gedacht

Das Forschungsteam untersuchte Kakaobohnen von drei kolumbianischen Farmen: aus Santander, Huila und Antioquia. Alle verwendeten dieselbe Kakaosorte – Unterschiede im Erbgut konnten also ausgeschlossen werden. Dennoch schmeckte die daraus hergestellte Kakaomasse unterschiedlich:

  • Santander und Huila: komplexer Geschmack mit Noten von Beeren, Kaffee, gerösteten Nüssen
  • Antioquia: deutlich bitterer, einfacher im Aromaprofil

Der Unterschied lag im Fermentationsprozess. Die Forscher maßen pH-Wert und Temperatur und analysierten die Zusammensetzung der Bakterien und Pilze. Ergebnis: Jede Region hatte ihre eigene mikrobielle Signatur – und die schmeckte man deutlich.

Bestimmte Pilze machen die Schokolade besonders aromatisch

Besonders auffällig waren zwei Hefepilze: Torulaspora und Saccharomyces. Sie kamen in Santander und Huila in hoher Zahl vor – also dort, wo die Kakaomasse als besonders aromatisch bewertet wurde. Beide Arten sind aus der Lebensmittelproduktion bekannt: Saccharomyces wird auch bei der Herstellung von Wein, Bier und Brot eingesetzt.

Die Forscher gehen davon aus, dass diese Pilze während der Fermentation bestimmte Vorstufen von Aromen erzeugen, die später beim Rösten zu komplexen Geschmacksnoten werden. Entscheidend ist, wie lange die Fermentation dauert, wie warm es ist – und welche Mikroben gerade aktiv sind.

Mikroben gezielt eingesetzt – Schokolade aus dem Labor kommt geschmacklich an edelste Kakaosorten heran

In einem weiteren Schritt bauten die Wissenschaftler die Mikrobengemeinschaft aus Santander im Labor nach. Sie setzten gezielt Pilze und Bakterien ein und schufen kontrollierte Bedingungen für die Fermentation. Dann stellten sie daraus Kakaomasse her.

Das Ergebnis war verblüffend: Die künstlich fermentierten Bohnen entwickelten dieselben Geschmacksnoten wie die Bohnen vom Original-Standort. Ein Panel aus geschulten Verkostern bestätigte den Vergleich.

Laut David Gopaulchan, einem der Studienautoren, lässt sich damit die Qualität von Schokolade gezielt verbessern. „Wir wollen mehr Kontrolle über den Prozess – unabhängig von der Region oder dem Klima“, erklärt er. Sein Kollege Andrés Fernando Gonzáles Barrios ergänzt: „Das kann den wirtschaftlichen Wert von Kakao deutlich steigern.“

Besonders für Regionen mit schlechteren klimatischen Bedingungen oder begrenztem Know-how könnte das Verfahren interessant sein. Es eröffnet neue Möglichkeiten für sogenannte Designer-Schokolade – also Sorten mit bewusst erzeugtem Aromaprofil, je nach Zielgruppe oder Markt.

Wie gezielte Fermentation den Kakaoanbau verbessern kann

In der Praxis könnten die Erkenntnisse der Studie dazu führen, dass Kakaobauern ihre Bohnen gezielter verarbeiten – nicht mehr abhängig vom Zufall oder der Umgebung. Stattdessen ließe sich der Geschmack mit kontrollierten Mikroben beeinflussen.

Schon jetzt experimentieren manche Hersteller mit definierten Hefen oder Bakterien, um bestimmte Aromen zu erzeugen. Laut den Forschern wäre es möglich, auch in kleineren Betrieben vor Ort eine konstante Qualität zu erreichen. So könnten Bohnen aus weniger bekannten Regionen geschmacklich aufholen – und neue Zielgruppen erschließen. Weitere Vorteile sind außerdem:

  • Chocolatiers bekämen mehr Spielraum bei der Entwicklung spezieller Sorten
  • Konsumenten könnten auf mehr Vielfalt und gleichbleibende Qualität hoffen
  • Bauern in ärmeren Anbaugebieten hätten mehr vom Endprodukt – weil sie stärker in die Verarbeitung eingebunden wären

Kurz zusammengefasst:

  • Der Geschmack von Schokolade entsteht nicht nur durch Sorte und Röstung, sondern vor allem durch Mikroben während der Fermentation.
  • Forscher konnten zeigen, dass bestimmte Pilze und Bakterien gezielt eingesetzt werden können, um gewünschte Aromen zu erzeugen.
  • Damit lässt sich die Qualität von Kakao verbessern – unabhängig vom Anbaugebiet, Klima oder Zufall.

Übrigens: Nicht nur Geschmack, sondern auch Gesundheit steckt in dunkler Schokolade. Flavonoide aus Tee, Beeren oder Kakao senken das Risiko für Diabetes, Krebs und Herzprobleme – vorausgesetzt, die Vielfalt stimmt. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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