Zellkraftwerke reparieren sich selbst – Wie unser Körper Alterung und Krankheiten ausbremst

Zellen können beschädigte Mitochondrien-DNA erkennen und gezielt entfernen – das schützt vor Krankheiten und bremst den Alterungsprozess.

Wie Zellen ihre Kraftwerke reparieren – und Altern bremsen

Zellkerne und ihre Kraftwerke: Rot gefärbte Mitochondrien umgeben die blau markierten Zellkerne – sichtbar durch fluoreszierende Farbstoffe. © Wikimedia

Ohne Energie läuft im Körper nichts – dafür sorgen die Mitochondrien, die in den Zellen als winzige Kraftwerke arbeiten. Doch gerade dieser Bereich ist besonders störanfällig. Schäden an ihrer eigenen Erbinformation, der sogenannten mitochondrialen DNA (mtDNA), stehen in engem Zusammenhang mit Krankheiten wie Alzheimer, Parkinson, Diabetes oder Herzleiden.

Forscher der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Universität zu Köln haben nun herausgefunden, wie Zellen auf solche Schäden reagieren – und wie sie versuchen, Schlimmeres zu verhindern. Sie „reparieren“ die Mitochondrien nicht im klassischen Sinn, sondern entsorgen die defekten Bestandteile. Die Zellen erkennen das fehlerhafte Erbgut und entfernen es gezielt, bevor es weitere Schäden anrichten kann.

Wenn die Kraftwerke der Zelle gefährlich werden

Mitochondrien sind nicht nur Energiequelle – sie tragen auch ihr eigenes Erbgut in Form der mtDNA. Diese ist besonders empfindlich, weil sie direkt am Ort der Energieproduktion sitzt. Dabei entstehen aggressive Nebenprodukte – sogenannte Sauerstoffradikale –, die die mtDNA angreifen können. Wenn sich dadurch zu viele Fehler ansammeln, können wichtige Abläufe in der Zelle gestört werden. Die Folge: Die Energieproduktion bricht ein, Entzündungen werden ausgelöst, Alterungsprozesse beschleunigt.

In vielen Fällen steht eine solche Schädigung sogar am Anfang schwerer Krankheiten. Deshalb ist es so wichtig, dass die Zelle rechtzeitig gegensteuert.

Die Zelle erkennt den Fehler – und räumt gezielt auf

Statt die beschädigte DNA zu reparieren, wie es bei anderen Zellschäden passiert, greift die Zelle hier zu einem anderen Trick: Sie entfernt die schadhaften Teile vollständig. Dabei hilft ein körpereigener Proteinkomplex namens Retromer. Er erkennt, wenn Teile der mtDNA nicht mehr richtig funktionieren, verpackt sie in kleine Bläschen und transportiert sie zu den sogenannten Lysosomen – das sind winzige Recyclingstationen in der Zelle. Dort wird die defekte DNA abgebaut.

Mikroskopaufnahme einer gestressten Zelle: Grüne mtDNA wird aus den magentafarbenen Mitochondrien ausgestoßen und von einem Lysosom mit Retromer (cyan) aufgenommen. © HHU / David Pla-Martín
Mikroskopaufnahme einer gestressten Zelle: Grüne mtDNA wird aus den magentafarbenen Mitochondrien ausgestoßen und von einem Lysosom mit Retromer (cyan) aufgenommen. © HHU / David Pla-Martín

„Wir haben einen neuen Mechanismus entdeckt, der zeigt, wie Zellen sich aktiv gegen Schäden an der mitochondrialen DNA wehren“, erklärt Studienleiter Prof. David Pla-Martín. Das Forschungsteam hat die Studie im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.

Hoffnung für Millionen Betroffene

Warum das so relevant ist? Weil die gezielte Beseitigung beschädigter mtDNA die Gesundheit der Zelle stabilisiert – und genau das bei vielen Erkrankungen eine große Rolle spielt. Besonders in Zellen mit hohem Energieverbrauch, etwa im Gehirn, können sich Fehler in der mtDNA schnell auswirken. Bei Alzheimer, Parkinson oder auch bei bestimmten Formen von Muskelschwäche wurden solche Schäden häufig gefunden.

Die Studie zeigt: Wenn der Retromer-Komplex, insbesondere das Protein VPS35, verstärkt wird, funktioniert die Entsorgung besser. Die Zelle bleibt länger stabil und funktionsfähig.

Zellen entschärfen krankmachende Mitochondrien gezielt und verhindern weitere Schäden

In Versuchen mit Fruchtfliegen und menschlichen Zellen konnten die Forscher zeigen, dass sich die mitochondrialen Probleme deutlich verringern, wenn dieser Entsorgungsweg aktiviert wird. „Unsere Versuche zeigen, dass sich durch gezielte Aktivierung von VPS35 die mitochondriale Gesundheit deutlich verbessern lässt“, sagt Mitautorin Dr. Parisa Kakanj. „Das eröffnet neue Möglichkeiten für Therapien gegen altersbedingte oder ererbte Erkrankungen.“

Die Idee dahinter: Die schädliche DNA einfach loswerden, bevor sie den Zellstoffwechsel lahmlegt. Denn anders als früher angenommen, muss die Zelle die Fehler nicht reparieren – sie kann sie auch einfach entfernen.

Mehr Zellgesundheit – auch im Alter?

Auch mit dem natürlichen Alterungsprozess steht die Entdeckung in Verbindung. Denn mit den Jahren sammeln sich mehr Fehler in der mtDNA an – je schlechter sie beseitigt werden, desto schneller altern Zellen und Gewebe. Wenn sich dieser Prozess gezielt unterstützen ließe, könnte das auch helfen, länger gesund zu bleiben.

Noch ist unklar, ob sich der Mechanismus beim Menschen direkt als Therapie nutzen lässt. Aber: „Das System funktioniert in menschlichen Zellen und Modellorganismen“, sagt Prof. Pla-Martín. „Jetzt geht es darum, Wege zu finden, wie wir es gezielt aktivieren können.“

Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass unser Körper eigene Schutzsysteme gegen Zellschäden hat – und dass es möglich sein könnte, diese Systeme gezielt zu unterstützen.

Kurz zusammengefasst:

  • Zellen entsorgen defekte Erbinformation in ihren Mitochondrien, um Schäden zu vermeiden und gesund zu bleiben.
  • Dabei hilft der Retromer-Komplex, insbesondere das Protein VPS35, der die beschädigte DNA gezielt in Lysosomen leitet.
  • So schützt der Körper seine Zellen vor Energieverlust, vorzeitiger Alterung und möglichen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson.

Übrigens: Auch Eisbaden unterzieht Zellen einer Verjüngungskur – es aktiviert Selbstreinigungsprozesse, reduziert Entzündungen und macht die Zellen widerstandsfähiger. Wie genau der Kältereiz wirkt, erklärt unser Artikel.

Bild: © Institute of Molecular Medicine I, University of Düsseldorf via Wikimedia unter CC BY 4.0

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