Hoffnung auf neue Physik schwindet: Geheimnis um Elementarteilchen gelöst?
Neue CERN-Ergebnisse werfen Fragen zur Masse eines zentralen Elementarteilchens auf.
Physiker am CERN haben neue Ergebnisse veröffentlicht, die eine frühere Entdeckung in Frage stellen. Diese Entdeckung deutete darauf hin, dass das Standardmodell der Physik möglicherweise nicht vollständig korrekt ist. 2022 hatten Forscher am Tevatron, einem Teilchenbeschleuniger in den USA, einen überraschenden Wert für die Masse des W-Bosons gemessen. Das W-Boson ist ein wichtiges Teilchen, das für Prozesse wie den radioaktiven Zerfall verantwortlich ist. Die Abweichung von den bisherigen Vorhersagen ließ Wissenschaftler vermuten, dass eine neue, unbekannte Physik dahinterstecken könnte.
Das W-Boson ist ein Elementarteilchen, das 1983 am CERN entdeckt wurde und eine entscheidende Rolle in der schwachen Wechselwirkung spielt, einer der vier Grundkräfte der Physik. Diese Wechselwirkung ermöglicht Prozesse wie den radioaktiven Zerfall. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Zerfall eines Neutrons im Atomkern: In einem Atomkern kommt es gelegentlich vor, dass ein Neutron zerfällt. Dieser Zerfall wird durch das W-Boson vermittelt. Das Besondere an diesem Teilchen ist, dass es nur extrem kurz existiert und sofort wieder in andere Teilchen zerfällt. Das W-Boson ist also ein Vermittler in solchen Zerfallsprozessen und sorgt dafür, dass diese Abläufe überhaupt stattfinden können. Ohne dieses Teilchen wäre der bekannte radioaktive Zerfall nicht möglich.
Genaueste Messung am LHC
Josh Bendavid und sein Team am CERN haben nun jedoch neue Daten analysiert, die mit einem anderen Detektor des Large Hadron Collider (LHC) erhoben wurden, dem Compact-Muon-Solenoid-Experiment (CMS). Ihre Messungen zeigen, dass die Masse des W-Bosons tatsächlich mit den Vorhersagen des Standardmodells übereinstimmt. Laut dem Standardmodell der Physik sollte das W-Boson ein besonders massives Teilchen sein, etwa 80-mal schwerer als ein Proton. Diese Annahme basiert auf theoretischen Berechnungen seiner Wechselwirkungen mit anderen Teilchen, wie dem Higgs-Boson, dem Top-Quark und der elektrischen Ladung des Elektrons. Das W-Boson müsste eine Masse von 80.357 Megaelektronenvolt aufweisen.
Der gemessene Wert liegt bei 80.353 Millionen Elektronenvolt (MeV), mit einer Unsicherheit von nur 6 MeV. Laut Bendavid handelt es sich hierbei um die genaueste Messung, die jemals am LHC durchgeführt wurde. Diese neuen Daten widersprechen laut Scinexx den Ergebnissen des Tevatron, die nach wie vor deutlich abweichen. Laut den Messungen des Tevatron besitzt das W-Boson eine Masse von 80.433,5 Megaelektronenvolt, was es deutlich schwerer macht, als es theoretisch sein sollte.
Vergleich der Messungen schwierig
Ein Problem beim Vergleich der beiden Messungen liegt in den unterschiedlichen Methoden, mit denen das Tevatron und der LHC das W-Boson erzeugen. Dies macht es schwieriger, die Ergebnisse direkt gegenüberzustellen. Ashutosh Kotwal von der Duke University, der die ursprünglichen Tevatron-Ergebnisse leitete, erklärte laut NewScientist, dass es daher nicht einfach sei, die beiden Messungen zu vergleichen. Das Team von CERN-Forscher Martijn Mulders betonte jedoch, dass sie diese Unterschiede bei der Analyse berücksichtigt haben.
Zukünftige Messungen sollen Klarheit bringen
Die neuen Messungen stützen das Standardmodell, und Mulders erklärte: „Die meisten meiner Kollegen glauben jetzt, dass die neuen Ergebnisse der W-Boson-Masse mit dem Standardmodell übereinstimmen.“ Er fügte hinzu, dass die frühere Messung vom Tevatron vermutlich ein Ausreißer sei. Matthias Schott, der ebenfalls am CERN arbeitet, erklärte, dass die Übereinstimmung der aktuellen Messung mit anderen Experimenten das Vertrauen in die neuen Daten weiter stärkt. Sein Team bereitet eine neue Messung vor, um zusätzliche Klarheit zu schaffen.
Was du dir merken solltest:
- Neue Messungen am CERN zeigen, dass die Masse des W-Bosons mit den Vorhersagen des Standardmodells übereinstimmt, im Gegensatz zu früheren Ergebnissen vom Tevatron.
- Das W-Boson spielt eine zentrale Rolle in der schwachen Wechselwirkung und ist für den radioaktiven Zerfall verantwortlich, seine genaue Masse ist entscheidend für physikalische Modelle.
- Unterschiede in den Messmethoden erschweren den Vergleich der Ergebnisse, zukünftige Messungen sollen Klarheit über mögliche Abweichungen bringen.
Übrigens: Anlässlich des 70-jährigen Bestehens des Genfer Forschungszentrums CERN diskutierten Wissenschaftlicher in Karlsruhe über die Zukunft und Bedeutung der Forschung. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel.
Bild: © Simon Waldherr via Wikimedia unter CC BY 4.0