Mit Mini-Stromstoß im Kopf entscheiden Menschen plötzlich schneller und handeln anders

Mittels herkömmlicher Hirnstimulation kann das Gehirn dazu angeregt werden, schnellere Entscheidungen zu treffen.

Hirnstimulation durch Strom sorgt für schnellere Entscheidungen

Positive Stimulation des Gehirns hilft bei der Entscheidungsfindung, negative hemmt sie hingegen. © Vecteezy

Kaum spürbar, aber messbar wirksam: Ein schwacher Stromfluss auf der Kopfhaut verändert, wie Menschen Entscheidungen treffen. Eine Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zeigt, wie gezielte Hirnstimulation Denkprozesse beeinflusst – und welche Rolle Worte dabei spielen können.

Die Ergebnisse wurden mittels transkranieller Gleichstromstimulation gewonnen. Diese Methode kommt in der Forschung häufig zum Einsatz, weil sie nicht-invasiv und einfach anwendbar ist. Die Forscher wollten herausfinden, wie diese Stimulation das Entscheidungsverhalten verändert. Dafür arbeiteten sie mit 40 Probanden, deren Stirnhirnregion gezielt beeinflusst wurde – genauer gesagt der dorsolaterale präfrontale Kortex.

Hirnstrom beeinflusst Reaktionsgeschwindigkeit nachweislich

„Die Region ist für das Planen und Abwägen von Handlungen entscheidend“, erklärt Psychologie-Professor Torsten Schubert von der MLU. Während der Versuche mussten die Teilnehmer zwei Aufgaben gleichzeitig bewältigen – eine visuelle und eine akustische. Sie sollten selbst entscheiden, mit welcher Aufgabe sie starten. Gleichzeitig erhielten sie eine Hirnstimulation, ohne zu wissen, ob überhaupt Strom floss.

Im ersten Durchgang wurde die Aktivität der Hirnregion mit einer positiven Elektrode erhöht. Dabei trafen die Testpersonen ihre Entscheidung deutlich schneller. Bei einer negativen Stimulation hingegen, die die Aktivität hemmt, hielten sie länger an der einmal gewählten Reihenfolge fest.

Insgesamt deutet das darauf hin, dass ein aktivierter oder gehemmter dorsolateraler präfrontaler Kortex die kognitive Flexibilität erhöht oder reduziert, wenn Menschen mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen sollen.

Sebastian Kübler, Psychologe an der MLU

Die MLU-Forscher beobachteten, dass sich die Unterschiede bei den Reaktionszeiten im Bereich von etwa 100 Millisekunden bewegten. „Diese Differenz scheint zunächst gering, in der experimentellen Psychologie ist das aber eine relevante Veränderung“, sagt Schubert. Die Wirkung trat unabhängig davon auf, ob die Probanden wussten, dass Strom floss. Die Effekte blieben subtil, aber wiederholbar.

Auch Sprache beeinflusst, wie wir Entscheidungen treffen

Auch andere Studien zeigen, wie stark Entscheidungen von inneren Prozessen im Gehirn abhängen. So haben Forscher der Virginia Tech beobachtet, dass emotionale Sprache bestimmte Botenstoffe wie Dopamin, Serotonin und Noradrenalin freisetzt. 

„Wir dachten bisher, dass diese Stoffe vor allem positive oder negative Erlebnisse im Gehirn markieren“, sagt Professor Read Montague, Professor an der Virginia Tech. „Unsere Studie zeigt, dass sie auch dann freigesetzt werden, wenn wir die emotionale Bedeutung von Worten erfassen.“

Kommerzielle Geräte werben mit kognitiven Effekten

Geräte für die transkranielle Gleichstromstimulation sind mittlerweile auch im Handel erhältlich. Einige Anbieter werben damit, dass sie Konzentration und Kreativität fördern würden. Kübler warnt jedoch vor übertriebenen Erwartungen: „Solche pauschalen Versprechen sind nicht glaubwürdig.“

Die Studie der MLU zeigt zwar, dass Entscheidungen gezielt beeinflussbar sind – aber nur unter klar kontrollierten Bedingungen. Außerdem sind die Effekte sehr subtil, noch dazu hängen sie von vielen individuellen Faktoren ab.

Kurz zusammengefasst:

  • Schwacher Strom auf der Kopfhaut kann beeinflussen, wie schnell und flexibel Menschen Entscheidungen treffen.
  • Dabei spielt der dorsolaterale präfrontale Kortex eine zentrale Rolle für das Abwägen und Planen von Handlungen.
  • Auch emotionale Sprache löst chemische Reaktionen im Gehirn aus, die Entscheidungen unbewusst mitsteuern können.

Übrigens: Forscher haben eine Region im Hypothalamus entdeckt, die gelähmten Menschen das Gehen zurückgeben könnte – dank tiefer Hirnstimulation. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Vecteezy

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