Unscheinbar, aber zerstörerisch: Zigarettenkippen belasten die Umwelt massiv
Zigarettenkippen sind die häufigste Abfallart in der Natur. Sie setzen Giftstoffe frei, schädigen Gewässer und gefährden Ökosysteme.
Sie sind klein, unscheinbar und überall: Zigarettenkippen. Mit rund 5,6 Billionen (5.600 Milliarden) gerauchten Zigaretten weltweit jährlich – davon 106 Milliarden allein in Deutschland – sind sie laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) das häufigste Abfallprodukt in der Natur. Auf Straßen, in Parks, an Stränden oder am Ufer von Gewässern liegen sie achtlos weggeworfen herum. Was viele nicht wissen: Die Zigarettenkippen sind keine harmlosen Müllstücke, sondern hochgiftige Schadstoffbomben, die unsere Umwelt nachhaltig schädigen.
Vor allem Gewässer leiden unter den Auswirkungen der Zigarettenkippen. Wie Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) zeigen, belasten die Giftstoffe aus den Filtern nicht nur das Wasser, sondern beeinflussen auch ganze Ökosysteme.
Zigarettenkippen bestehen aus Kunststoff, genauer gesagt aus Celluloseacetat, einem schwer abbaubaren Plastik. Sie enthalten zudem eine toxische Mischung aus Nikotin, Schwermetallen und anderen Schadstoffen. Landen sie in Gewässern, können sie ganze Ökosysteme durcheinanderbringen, wie eine neue Studie des IGB belegt.
Schadstoffe aus Zigarettenkippen gelangen schnell in die Umwelt
Regenfälle lösen die Schadstoffe in den Kippen binnen kürzester Zeit heraus. Bereits 30 Minuten Regen reichen aus, um rund die Hälfte des Nikotins aus einem Zigarettenfilter auszuwaschen, erklärt das IGB. Das wasserlösliche Nikotin sickert in Seen, Flüsse oder Teiche und sorgt dort für eine erhebliche Belastung. Besonders stark betroffen sind urbane Gebiete wie Berlin, wo Forscher des IGB in Kanälen nach Regenfällen alarmierend hohe Nikotinkonzentrationen gemessen haben – teils bis zum 16-Fachen des Normalwerts.
Was das bedeutet? Selbst bei kurzfristiger Belastung kann Nikotin bereits bei einer Konzentration von 400 Nanogramm pro Liter Schäden bei Fischen und anderen Wasserorganismen verursachen. Nach Regenfällen wurden in Berliner Gewässern Spitzenwerte von bis zu 1.470 Nanogramm pro Liter gemessen. Für viele Tiere bedeutet das Stress, Wachstumsstörungen oder sogar den Tod.
Toxische Algen profitieren von Zigarettenkippen
Die Auswirkungen sind jedoch noch komplexer: Die Studie des IGB zeigt, dass Zigarettenkippen auch indirekte Folgen haben. Sie fördern das Wachstum giftiger Cyanobakterien, auch Blaualgen genannt. Wie das möglich ist? Normalerweise werden diese Algen von parasitischen Chytridpilzen in Schach gehalten. Doch die Schadstoffe aus den Kippen hemmen genau diese Parasiten.
Die aus Zigarettenkippen freigesetzten Substanzen behindern die Infektion der Algen durch die Chytridpilze. Das führt dazu, dass sich die Cyanobakterien unkontrolliert vermehren können, erklärt Dr. Erika Martinez-Ruiz vom IGB. Cyanobakterien sind nicht nur für Wasserlebewesen gefährlich – auch für Menschen stellen sie ein Problem dar. Sie können Hautreizungen, Atembeschwerden und Übelkeit verursachen und sogar die Trinkwasserversorgung beeinträchtigen.
Ein Mix aus Schadstoffen verändert ganze Ökosysteme
Die Studie des IGB verdeutlicht, wie Schadstoffgemische aus Zigarettenkippen komplexe Wechselwirkungen in aquatischen Ökosystemen auslösen. Es geht nicht nur um Nikotin: Schwermetalle, Blausäure und andere Substanzen verstärken die negativen Effekte. Solche Schadstoffcocktails wirken nicht nur auf einzelne Arten, sondern beeinflussen ganze Artengemeinschaften. Das Ergebnis: gestörte Kreisläufe, überhandnehmende Blaualgen und belastete Lebensräume für Fische, Muscheln und Vögel.
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Jeder Zigarettenstummel zählt: Lösungen sind gefragt
Die gute Nachricht: Dieses Problem ließe sich leicht entschärfen. Zigarettenkippen gehören nicht in die Natur, sondern in den Restmüll. Für unterwegs gibt es praktische Taschenaschenbecher, die verhindern, dass die Stummel in Gewässer oder Grünflächen gelangen. Zudem ist es dringend notwendig, dass Zigarettenhersteller stärker in die Verantwortung genommen werden. Das Leibniz-Institut fordert, dass Unternehmen für die Entsorgungskosten aufkommen und Kampagnen finanzieren, die Raucher sensibilisieren.
Die Botschaft ist klar: Jeder Zigarettenstummel, der nicht achtlos weggeworfen wird, schützt Tiere, Pflanzen und Trinkwasser. Es liegt an jedem Einzelnen – und an klaren politischen Maßnahmen –, die Umwelt von diesem unscheinbaren, aber hochproblematischen Abfall zu entlasten.
Was du dir merken solltest:
- Zigarettenkippen sind ein massives Problem für die Umwelt, denn sie gehören zu den häufigsten Abfällen weltweit und setzen hochgiftige Schadstoffe wie Nikotin und Schwermetalle frei.
- Gewässer sind besonders betroffen, da Regen die Schadstoffe aus den Filtern löst, wodurch Wasserorganismen geschädigt und giftige Cyanobakterien gefördert werden.
- Die Folgen reichen weit über Einzelwirkungen hinaus, da Schadstoffgemische ganze Ökosysteme stören und langfristig Tiere, Pflanzen und Trinkwasser gefährden.
Übrigens: In Genua sorgt ein Roboterhund für Aufsehen, indem er Zigarettenstummel von Stränden aufsammelt und so gegen Umweltverschmutzung kämpft. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Santeri Viinamäki via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0