Forscher liefern den Beweis: Die Immunzellen sind wirklich, was sie essen

Neue Forschung zeigt, wie die Ernährung mit Nährstoffen wie Acetat und Citrat die Funktion und Identität von Immunzellen beeinflusst.

Zwei T-Zellen: Links nutzt die aktive, blaue T-Zelle Acetat, rechts die erschöpfte, rote T-Zelle Citrat. Ihre Ernährung prägt ihre Identität.

Zwei T-Zellen: Links nutzt die aktive, blaue T-Zelle Acetat, rechts die erschöpfte, rote T-Zelle Citrat. Ihre Ernährung prägt ihre Identität. © Salk Institute

Dass unser Essen unsere Gesundheit beeinflusst, ist bekannt. Doch was wäre, wenn nicht nur wir, sondern auch unsere Zellen „sind, was sie essen“? Genau das haben Wissenschaftler des Salk Institute entdeckt. Sie fanden heraus, dass die Ernährung von Immunzellen nicht nur ihre Leistung, sondern auch ihre Identität bestimmt. Diese Erkenntnis könnte die Medizin revolutionieren – vor allem bei der Bekämpfung von Krebs und chronischen Infektionen wie HIV.

Im Mittelpunkt der Forschung stehen T-Zellen, die zu den wichtigsten Verteidigern unseres Immunsystems gehören. Sie kämpfen gegen Krankheitserreger, können aber bei chronischen Erkrankungen ihre Kraft verlieren. Der überraschende Faktor: Ein simpler Wechsel zwischen den Nährstoffen Acetat und Citrat entscheidet, ob T-Zellen weiterhin stark bleiben oder erschöpfen.

Metabolische Schalter als Schlüssel

Aktive T-Zellen nutzen Acetat, während erschöpfte Zellen auf Citrat umstellen. Diese Wahl hat weitreichende Folgen, denn sie beeinflusst nicht nur den Stoffwechsel, sondern auch die Genaktivität der Zellen. Die entscheidenden Akteure sind dabei zwei Enzyme: ACSS2, das Acetat verarbeitet, und ACLY, das Citrat nutzt.

„Man kennt das Sprichwort: ‚Du bist, was du isst?‘ Nun haben wir herausgefunden, wie dies tatsächlich in Zellen funktioniert“, sagt Professorin Susan Kaech, leitende Autorin der Studie. „Das ist auf zwei Ebenen wirklich spannend: Auf einer grundlegenden Ebene zeigen unsere Ergebnisse, dass die Funktion einer Zelle direkt mit ihrer Ernährung verknüpft sein kann; auf einer spezifischeren Ebene wirft dies ein neues Licht darauf, wie T-Zellen dysfunktional oder erschöpft werden und was wir tun können, um dies zu verhindern.“

Die Wahl zwischen Acetat und Citrat hat also eine Domino-Wirkung: Sie beeinflusst, welche Gene im Zellkern aktiv sind, und bestimmt damit, ob die Zellen ihre Funktion als Immunabwehr aufrechterhalten können.

Forscher testen gezielt die Enzyme ACSS2 und ACLY

Die Forscher des Salk Institute gingen noch tiefer und untersuchten, wie sich die Enzyme ACSS2 und ACLY direkt auf die T-Zellen auswirken. Dabei stellten sie fest, dass ACSS2 vor allem in funktionalen Zellen aktiv ist, während ACLY die Oberhand gewinnt, wenn die Zellen erschöpfen. Dieser Unterschied führte die Wissenschaftler zu einem entscheidenden Experiment: Sie schalteten die Gene der beiden Enzyme gezielt ab.

Das Ergebnis war verblüffend. Ohne ACLY wurden die T-Zellen leistungsstärker, während der Verlust von ACSS2 die Immunzellen schwächte. Damit war klar: Das Enzym ACSS2 spielt eine Schlüsselrolle, um T-Zellen in ihrem aktiven Zustand zu halten.

Weiterlesen zum Thema:

Noch spannender ist, was im Zellkern passiert. Dort entstehen aus Acetat und Citrat unterschiedliche Pools des Moleküls Acetyl-CoA. Dieses Molekül reguliert die Genaktivität und entscheidet, ob die Zellen aktiv bleiben oder erschöpfen.

Neue Chancen für die Immuntherapie

Die Erkenntnisse könnten weitreichende Auswirkungen haben – nicht nur für die Behandlung von Krebs oder HIV. Besonders spannend: Die Mechanismen, die die Forscher bei T-Zellen entdeckt haben, lassen sich auch auf andere Zelltypen anwenden.

Susan Kaech, Shixin Ma und Thomas Mann, Forscher des Salk Institute. © Salk Institute
Susan Kaech, Shixin Ma und Thomas Mann, Forscher des Salk Institute. © Salk Institute

Die gezielte Manipulation des Zellstoffwechsels würde auch bei anderen chronischen Krankheiten völlig neue Ansätze ermöglichen. „Wir haben hier eine völlig neue Ebene entdeckt, wie wir das Immunsystem stärken können“, sagt Shixin Ma, Erstautorin der Studie. „Das Potenzial ist enorm“, betont auch Kaech. „Wir stehen erst am Anfang, die Kraft der Zellernährung wirklich zu verstehen.“

Was du dir merken solltest:

  • Die Ernährung von Immunzellen mit Nährstoffen wie Acetat und Citrat beeinflusst direkt ihre Funktion und ihre genetisch festgelegte Identität.
  • Zwei Enzyme, ACSS2 und ACLY, steuern den Stoffwechsel von T-Zellen und entscheiden, ob diese aktiv bleiben oder erschöpfen.
  • Diese Erkenntnisse könnten neue Immuntherapien ermöglichen, die T-Zellen länger leistungsfähig halten und bei chronischen Krankheiten wie Krebs oder HIV helfen.

Übrigens: Neurowissenschaftler am Salk Institute haben einen Schaltkreis im Gehirn entdeckt, der das bewusste Atmen verlangsamt und Ängste lindert. Könnte diese Erkenntnis bald in eine Yoga-Pille münden? Mehr dazu in unserem Artikel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert