Ernährung bremst Alterung: Mini-Diät stoppt Hirn-Verfall – zumindest bei Mäusen

Schon ein paar Wochen weniger Essen – und im Mausgehirn laufen Alterungsprozesse langsamer ab. Ernährung und Gehirn hängen enger zusammen als gedacht.

Ernährung bremst Alterung: Mini-Diät stoppt Hirn-Verfall

So stellen sich die Forscher den Prozess der Alterung im Gehirn vor: Markierte Proteine häufen sich an, weil das zelluläre Recyclingsystem – das Proteasom – seine Kraft verliert. © FLI / Kerstin Wagner; KI-generiert mit Google Gemini

Das Altern des Gehirns beginnt schleichend – lange bevor Gedächtnis oder Konzentration nachlassen. Doch neuere Studien deuten darauf hin, dass bestimmte Prozesse im Inneren der Nervenzellen selbst in hohem Alter noch beeinflussbar sind. Eine Untersuchung des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena zeigt jetzt: Eine kurze, mäßige Diät kann im Mausgehirn molekulare Alterungsspuren teilweise umkehren.

Das klingt spektakulär, doch es geht nicht um Denkleistung oder Erinnerungsvermögen, sondern um feinste chemische Signale in den Proteinen des Gehirns – den Baustoffen und Schaltern des Lebens.

Wenn das Recyclingsystem der Zellen langsamer wird

Die Forscher untersuchten einen Vorgang namens Ubiquitylierung. Dabei erhalten Eiweißmoleküle im Gehirn winzige chemische Markierungen, die über ihre weitere Verwendung entscheiden – ob sie aktiv bleiben, ihre Aufgabe verändern oder abgebaut werden. „Der Prozess wirkt wie ein molekularer Schalter“, erklärt der Biochemiker Dr. Alessandro Ori, der die Studie leitete.

Mit zunehmendem Alter gerät dieses feine System aus dem Gleichgewicht. Die Markierungen werden unregelmäßig gesetzt, manche bleiben aus, andere häufen sich an. Das stört die Kommunikation und die Selbstreinigung der Zellen. Besonders betroffen ist das Proteasom, eine Art molekulare Müllabfuhr, die beschädigte Eiweiße erkennt und abbaut. Wird sie langsamer, sammeln sich fehlerhafte Proteine im Gehirn an – ein Effekt, der auch bei Krankheiten wie Alzheimer eine Rolle spielt.

Was Forscher im Gehirn alter Mäuse fanden

Um den Alterungsprozess genauer zu verstehen, verglich das Team die Gehirne junger und alter Mäuse. Mit einer speziellen Messmethode analysierten sie Zehntausende Eiweißmoleküle – und entdeckten deutliche Unterschiede in ihrer chemischen Steuerung. Rund ein Drittel dieser Veränderungen hing nicht mit der Menge der Proteine zusammen, sondern mit fehlerhaften Signalen, die bestimmen, wie sie im Gehirn arbeiten sollen.

Besonders betroffen waren Moleküle, die für Energie, Informationsaustausch und die Kommunikation zwischen Nervenzellen wichtig sind. „Die nachlassende Fähigkeit der Zellen, beschädigte Proteine vollständig zu beseitigen, ist ein Kernproblem des alternden Gehirns“, schreiben Dr. Antonio Marino und Dr. Domenico Di Fraia.

Gehirnalterung und Ernährung – ein überraschender Zusammenhang

Das Team wollte wissen, ob Ernährung diesen molekularen Alterungsprozess beeinflussen kann. Dafür setzten sie sehr alte Mäuse für vier Wochen auf eine moderate Kalorienrestriktion – rund 30 Prozent weniger Futter –, anschließend durften die Tiere wieder normal fressen. Die Forscher verglichen das Gehirn der Tiere vor und nach der Diätphase.

Das überraschende Ergebnis: Im Gehirn der Mäuse blieb die Gesamtmenge der Proteine fast gleich, doch ihre Ubiquitylierung – also die chemische Steuerung durch Markierungen – reagierte stark auf die kurze Diät. An mehr als einem Drittel der untersuchten Ubiquitylierungsstellen änderten sich die Signale deutlich. Einige Eiweiße verhielten sich wieder wie bei jungen Tieren, andere zeigten Zeichen weiterer Alterung.

Besonders in Bereichen mit intensiver synaptischer Aktivität und an Ribosomen, wo Nervenzellen Informationen austauschen und neue Proteine bilden, wirkten die Veränderungen eher positiv. In anderen Regionen, etwa an den Myelinscheiden und Lysosomen, nahm die Belastung dagegen zu – ein Hinweis auf zusätzlichen Reparaturbedarf im alternden Gehirn.

Ernährung beeinflusst Alterungsprozesse, aber nicht einheitlich

„Unsere Ergebnisse verdeutlichen, dass auch im Alter die Ernährung noch einen wichtigen Einfluss auf molekulare Prozesse im Gehirn haben kann“, so Ori. „Allerdings wirkt sich die Ernährung nicht auf alle Alterungsprozesse im Gehirn gleichermaßen aus.“

Ernährung kann biologische Alterungsvorgänge also messbar beeinflussen – aber sie „stoppt“ sie nicht. Vor allem späte Diät-Experimente bergen Risiken, etwa bei geschwächtem Kreislauf oder Mangelversorgung. Frühere Untersuchungen an Mäusen zeigten, dass abrupte Umstellungen im hohen Alter sogar gefährlich sein können.

Das Gehirn als molekulares Archiv des Alterns

Die Wissenschaftler fanden zudem heraus, dass viele der betroffenen Proteine auch bei neurodegenerativen Erkrankungen eine Rolle spielen – etwa bei Alzheimer, Parkinson oder frontotemporaler Demenz. Dazu zählen Chaperone, die andere Proteine stabilisieren, sowie Enzyme, die Energiehaushalt und Stoffwechsel steuern. In diesen Molekülen könnte sich also der gemeinsame Ursprung von Alterung und Krankheit abzeichnen.

Um ihre Ergebnisse zu prüfen, verglichen die Forscher die Daten mit einem weiteren Tier – dem kurzlebigen Killifisch, der oft für Altersstudien genutzt wird. Auch bei ihm zeigten sich ähnliche Veränderungen im Gehirn. Das spricht dafür, dass dieser Mechanismus der Alterung nicht nur bei Mäusen, sondern bei vielen Wirbeltieren vorkommt.

Kurz zusammengefasst:

  • Im Alter gerät das feine Gleichgewicht der Eiweißsteuerung im Gehirn aus dem Takt – beschädigte Proteine werden schlechter abgebaut und stören die Zellfunktionen.
  • Eine Studie des Leibniz-Instituts zeigt: Schon vier Wochen mit reduzierter Kalorienzufuhr verändern im Mausgehirn viele dieser molekularen Markierungen – teils in Richtung eines jüngeren Musters.
  • Ernährung kann also Prozesse der Gehirnalterung beeinflussen, wirkt aber nicht überall gleich – manche Vorgänge bremsen ab, andere beschleunigen sich sogar.

Übrigens: Ein körpereigener Stoff scheint im Alzheimer-Gehirn verloren gegangene Funktionen wiederzuerwecken. Wie NAD⁺ fehlerhafte Zellprozesse repariert und so das Gedächtnis in Tiermodellen stärkt – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © FLI / Kerstin Wagner; KI-generiert mit Google Gemini

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