Genetische Muster bestätigen historische Berichte über Migrationen in Europa
DNA-Analysen zeigen, wie Migrationen im ersten Jahrtausend Europa veränderten und historische Berichte durch DNA-Muster bestätigt werden.
Die Geschichte Europas ist von Wanderungen und kulturellem Austausch geprägt. Neue DNA-Analysen ermöglichen es, Migrationen besser zu verstehen und ihre Auswirkungen auf Bevölkerungen sichtbar zu machen. Wissenschaftler des Francis Crick Institute analysierten mit der innovativen Twigstats-Methode über 1.500 Genome und gewannen verblüffende Erkenntnisse über die Bewegungen menschlicher Gruppen im ersten Jahrtausend nach Christus. Ihre Analyse umfasst Epochen von der Eisenzeit bis zur Wikingerzeit und enthüllt bisher unbekannte Muster.
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass genetische Muster historische Berichte bestätigen und ergänzen. So lässt sich nachvollziehen, wie germanische Stämme, die von den Römern als Gegner beschrieben wurden, südwärts zogen und in Regionen wie Italien, Polen oder sogar Südbritannien Spuren hinterließen.
Die genetischen Analysen zeigen, dass viele Migrationen durch große historische Ereignisse ausgelöst wurden. Besonders spannend ist die Erkenntnis, dass sich die drei Hauptzweige der germanischen Sprachen in den Bewegungen dieser Zeit widerspiegeln. Einige Gruppen blieben in Skandinavien, andere wanderten südwärts, wieder andere gingen unter.
Drei große Migrationswellen prägen Europas Geschichte
In der Studie konnten drei bedeutende Migrationswellen in Europa identifiziert werden. Die erste Welle betraf germanische Gruppen, die südwärts zogen und ihre Spuren in Regionen wie Italien, Süddeutschland und Britannien hinterließen. Eine zweite Welle erfolgte zwischen 300 und 800 n. Chr., als Menschen aus Mitteleuropa nach Skandinavien wanderten, was zu einer genetischen Vermischung und kulturellen Veränderungen führte. Die dritte Welle war mit der Wikingerzeit verbunden, als skandinavische Gruppen ihre Spuren über ganz Europa hinweg hinterließen, insbesondere in Britannien und Osteuropa.
Twigstats deckt präzise genetische Unterschiede auf
Mit Twigstats können Forscher feinste genetische Unterschiede messen, die bisher kaum sichtbar waren. Diese Methode ermöglicht es, ähnliche Gruppen genauer zu unterscheiden und komplexe Wanderungsmuster aufzudecken. Die Studie zeigt, dass germanische Gruppen schon früh große Teile Mitteleuropas erreichten und sich dort mit einheimischen Bevölkerungen mischten.
„Twigstats ermöglicht uns, Migrationen sichtbar zu machen, die zuvor verborgen blieben“, erklärt Leo Speidel, Hauptautor der Studie. Die Methode nutzt genetische Stammbäume, um Verbindungen zwischen alten und modernen Populationen aufzuzeigen. So lassen sich bisher unklare Migrationen genauer nachverfolgen.
Pontus Skoglund, Leiter der Abteilung für alte Genomik am Francis Crick Institute, betont die Bedeutung der Methode: „Mit dieser Technik können wir die genetische Geschichte Europas mit nie dagewesener Präzision rekonstruieren.“
Skandinavische DNA in Großbritannien
Besonders aufschlussreich ist der Fund von DNA mit skandinavischem Ursprung in der britischen Stadt York. Die Analysen zeigen, dass diese genetischen Spuren aus der frühen Eisenzeit stammen – lange vor den bekannten Wikinger- oder Angelsachsen-Invasionen. Das verändert die Sicht auf die frühere Geschichte der britischen Inseln.
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Später folgte eine weitere Migrationswelle: Zwischen 300 und 800 n. Chr. zogen Menschen aus Mitteleuropa nach Skandinavien. Diese Bewegung fiel zeitlich mit Veränderungen in der Runenschrift und der Sprache zusammen. Archäologische Funde, kombiniert mit den neuen genetischen Erkenntnissen, deuten auf einen tiefgreifenden kulturellen Wandel in Skandinavien hin.
Konflikte als Auslöser?
Die Beweggründe für diese Wanderungen sind vielschichtig. Archäologische Beweise zeigen, dass es in Skandinavien zu wiederholten Konflikten kam. Diese könnten Menschen dazu bewegt haben, neue Lebensräume zu suchen. Besonders eindrucksvoll ist der Fund auf der schwedischen Insel Öland: Menschen mit zentraleruropäischer DNA lebten dort, waren jedoch vor Ort aufgewachsen. Das zeigt, dass Migration nicht nur punktuelle Ereignisse waren, sondern langfristige Veränderungen bewirkten.
Auch die Wikingerzeit spiegelt diese Dynamik wider. DNA-Analysen aus Massengräbern in Großbritannien belegen genetische Verbindungen zu Schweden und Dänemark. Diese Entdeckungen bestätigen historische Berichte über Wikingerraubzüge und deren weitreichende Siedlungen in Europa.
Was du dir merken solltest:
- Genetische Analysen mit der Twigstats-Methode haben bisher verborgene Details zu Migrationen im ersten Jahrtausend n. Chr. sichtbar gemacht.
- Historische Berichte über Wanderungen germanischer Stämme nach Süden und spätere Bewegungen nach Skandinavien wurden durch DNA-Muster bestätigt.
- Die drei Hauptzweige der germanischen Sprachen: Skandinavisch, ein ausgestorbener Zweig und die Vorläufer von Deutsch und Englisch lassen sich in den Migrationen und genetischen Mustern klar nachvollziehen.