Strom statt Nachhilfe – Gehirnstimulation hilft, besser in Mathe zu werden

Gehirnstimulation kann das Lernen erleichtern: Junge Erwachsene lösten Matheaufgaben in einer Studie schneller und sicherer – ganz ohne Nebenwirkungen.

Strom statt Nachhilfe: Gehirnstimulation verbessert Lernen

Mini-Strom statt Mathefrust: In der Studie brachte ein kaum spürbarer Impuls das Gehirn auf Kurs – und das Rechnen plötzlich ins Rollen. © Pexels

Zahlen, Formeln, Textaufgaben – für viele war der Matheunterricht vor allem eines: frustrierend. Wenn der Anschluss einmal verloren ging, half oft keine Nachhilfe mehr. Doch genau hier setzt eine neue Untersuchung der University of Surrey an: Dabei wird das Gehirn sanft mit Strom gereizt – eine gezielte Gehirnstimulation, die das Verstehen und Lernen von Mathe messbar erleichtern soll. Ganz ohne Medikamente, ganz ohne Nebenwirkungen.

Die Technik nennt sich transkranielle Rauschstimulation (tRNS). Sie aktiviert gezielt Regionen im Gehirn, die für Konzentration, Merkfähigkeit und Problemlösung wichtig sind. Dabei kommen sehr schwache, kaum spürbare Stromimpulse zum Einsatz. Die Anwendung ist sicher und schmerzfrei.

Gehirnstimulation verbessert Lernen: Rechenschwäche reagiert auf Stromimpulse

Für die Untersuchung trainierten 72 gesunde Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren fünf Tage lang ihre Mathematikkenntnisse. Eine Gruppe erhielt dabei zusätzlich tRNS am sogenannten dorsolateralen präfrontalen Kortex – ein Bereich im Stirnlappen, der beim Denken und Planen eine Schlüsselrolle spielt. Eine zweite Gruppe bekam die Stimulation an einer anderen Hirnregion. Die dritte Gruppe erhielt eine Scheinbehandlung. So konnten die Forscher gezielt Unterschiede feststellen.

Das Ergebnis: Wer die Stimulation im Stirnhirn erhielt, löste Matheaufgaben schneller und sicherer – vor allem dann, wenn die natürliche Vernetzung dieser Hirnregionen schwächer war.

Was im Gehirn passiert – und warum die Methode funktioniert

Der präfrontale Kortex arbeitet beim Rechnen mit anderen Hirnarealen zusammen. Wichtig ist, wie gut diese Bereiche miteinander kommunizieren. Bei manchen Menschen funktioniert das weniger effizient. Genau hier greift tRNS ein und verbessert offenbar die Signalverarbeitung.

Zudem stellte das Forschungsteam fest: Der Lernerfolg hing mit dem Botenstoff GABA zusammen. Er wirkt im Gehirn dämpfend. Bei den stimulierten Teilnehmern sank der GABA-Spiegel – das machte das Gehirn offenbar aufnahmefähiger für neue Inhalte.

Weniger Nachhilfe, mehr Neurobiologie

Bisher konzentriert sich Bildungspolitik vor allem auf äußere Faktoren: bessere Lehrer, neue Methoden, kleinere Klassen. Doch die Studie legt nahe, dass auch die biologische Ausstattung des Lernenden entscheidend ist.

Die meisten Bemühungen in der Bildung konzentrieren sich darauf, das Umfeld zu verbessern – Lehrer weiterzubilden oder Lehrpläne zu überarbeiten. Dabei wird die Biologie des Lernenden oft übersehen.

Studienleiter Prof. Roi Cohen Kadosh
Studienleiter Professor Roi Cohen Kadosh, der University of Surrey, in einem Bild im Rahmen der Forschung zur Gehirnstimulation beim Lernen.
Professor Roi Cohen Kadosh von der University of Surrey leitete die Studie zur Hirnstimulation beim Mathematiklernen. © University of Surrey

Sicher, unkompliziert und gut verträglich

Die Forscher schlagen vor, Lernmethoden und gezielte Hirnstimulation zu kombinieren. Damit könnten mehr Menschen ihr Potenzial ausschöpfen – unabhängig davon, wie leicht ihnen das Lernen fällt. Der größte Effekt zeigte sich bei Personen mit schwächerer Hirnvernetzung. Gerade sie geraten im Bildungssystem oft ins Hintertreffen. Mit tRNS könnten ihre Leistungen gezielt verbessert werden. Lernschwierigkeiten müssten so nicht mehr automatisch zu schlechteren Bildungs- oder Berufswegen führen.

tRNS gilt als gut verträgliche Methode. Sie ist nicht invasiv, benötigt keine Medikamente und keine Operationen. Die Stromimpulse sind so schwach, dass sie kaum zu spüren sind. Eine Anwendung dauert wenige Minuten. In der Studie kam es zu keinen Nebenwirkungen. Deshalb sehen viele in tRNS nicht nur eine schulische Unterstützung, sondern auch eine Chance für Erwachsene.

Wenn wir psychologische, neurowissenschaftliche und pädagogische Erkenntnisse kombinieren, eröffnen sich ganz neue Wege – für gerechtere Bildung, bessere Berufschancen und langfristig sogar für mehr soziale Gerechtigkeit.

Prof. Roi Cohen Kadosh

Kurz zusammengefasst:

  • Eine gezielte Gehirnstimulation kann das Lernen von Mathe deutlich erleichtern – vor allem bei Menschen mit schwächerer Hirnvernetzung.
  • Die Methode tRNS ist sicher, schmerzfrei und verbesserte in der Studie die mathematischen Fähigkeiten junger Erwachsener spürbar.
  • Wer früh Lernschwierigkeiten hat, könnte mit dieser Technik fairere Chancen in Schule, Ausbildung und Beruf erhalten.

Übrigens: Nicht nur sanfte Stromimpulse können bei Mathe helfen – auch Künstliche Intelligenz erkennt, wenn Schüler beim Rechnen ins Stocken geraten. Ein neues System analysiert dafür allein die Blickbewegungen der Kinder. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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