Bilanz kippt – Australiens Regenwälder sind gerade dabei, zum CO2-Emittenten zu werden
Australiens Regenwälder wenden sich gegen das Klima: Hitze, Dürre und Stürme lassen sie mehr CO2 ausstoßen, als sie aufnehmen.

Im Conwy National Park zeigt sich der Wandel deutlich: Vertrocknete Kronen und kahle Stellen verraten, wie sehr Hitze und Stürme Australiens Regenwälder verändern. © Wikimedia
Tropische Regenwälder galten lange als natürliche Klimaschützer. Sie speichern enorme Mengen Kohlendioxid und bremsen so die Erwärmung der Erde. Doch in Australiens Norden kippt dieses Gleichgewicht – und zwar jetzt. Eine neue Langzeitanalyse zeigt, dass die tropischen Wälder dort inzwischen mehr CO2 abgeben, als sie aufnehmen. Sie sind damit die ersten der Welt, die diesen Umschwung erleben – vom Speicher zur Quelle. Damit verlieren sie eine ihrer wichtigsten Funktionen im globalen Klimasystem.
Was die Forscher beobachtet haben, ist ein Wendepunkt: Nicht Rodung oder Brand zerstören die Bäume, sondern der Klimawandel selbst. Extreme Hitze, ausbleibender Regen und heftige Stürme schwächen das Wachstum so stark, dass die Wälder ihre Fähigkeit verlieren, Kohlenstoff zu speichern. Die Wissenschaftler sehen darin ein Alarmsignal – auch für andere Regionen der Erde.
Klimawandel schwächt die grüne Lunge
Die Studie, die auf Daten von rund 10.000 Bäumen zwischen 1971 und 2019 basiert, zeigt einen klaren Trend: Bis etwa zum Jahr 2000 speicherten Australiens tropische Wälder pro Hektar und Jahr rund 0,6 Tonnen Kohlenstoff. In den letzten Jahren hat sich dieser Wert umgekehrt – heute verlieren sie etwa 0,9 Tonnen.
„Tropische Wälder gehören zu den kohlenstoffreichsten Ökosystemen der Erde. Wir verlassen uns stärker auf sie, als vielen bewusst ist“, sagt Hannah Carle, Hauptautorin der Untersuchung. „Unsere Arbeit zeigt, dass diese Fähigkeit, CO2 zu speichern, bedroht ist.“
Die Forscher machen eine Kombination mehrerer Faktoren verantwortlich:
- Höhere Temperaturen: Die Hitzewellen werden häufiger und stärker. Bäume überhitzen, verlieren Wasser und sterben ab.
- Dürreperioden: Längere Trockenzeiten trocknen Böden aus und verhindern, dass Jungpflanzen nachwachsen.
- Stürme: Zyklone reißen große Schneisen in die Wälder und erhöhen die Sterblichkeit er Bäume zusätzlich.
Diese Entwicklung trifft ausgerechnet ein Ökosystem, das zu den widerstandsfähigsten der Welt gilt.
Kein Wachstum trotz mehr CO2
Besonders überraschend ist, was die Forscher nicht beobachtet haben. Eigentlich sollte der steigende CO2-Gehalt in der Luft das Pflanzenwachstum anregen – das Prinzip der sogenannten CO2-Düngung. Doch genau dieser Effekt bleibt aus.
„Leider wird der Anstieg der CO2-Verluste nicht durch stärkeres Baumwachstum ausgeglichen“, so Carle. Der Grund liegt im Zusammenspiel von Hitze und Trockenheit. Bäume schließen bei Wassermangel ihre Spaltöffnungen, um Verdunstung zu vermeiden – dadurch gelangt weniger CO2 in ihre Zellen. Die Photosynthese stockt, das Wachstum stagniert. Selbst dort, wo die Wälder noch grün erscheinen, sinkt also die Speicherkapazität.
Zyklone richten langfristige Schäden an
Ein weiterer Faktor, den die Forscher berücksichtigten, sind tropische Wirbelstürme. Nach einem Zyklon war die Sterberate der Bäume im Durchschnitt fast 20 Prozent höher als in ungestörten Jahren. Gleichzeitig brauchten viele Wälder mehr als fünf Jahre, um sich zumindest teilweise zu erholen.
„Wir haben festgestellt, dass die Kohlenstoffaufnahme der Regenwälder in den sechs Jahren nach einem Zyklon deutlich niedriger war“, erklärt Adrienne Nicotra von der Australian National University. „Wenn diese Stürme künftig häufiger und stärker werden, könnte das große Teile des Waldes dauerhaft schwächen.“
Diese Kombination aus Klimawandel und Extremereignissen hat Folgen weit über Australien hinaus. Denn die tropischen Wälder dort gelten als Modellregion für andere Feuchtgebiete – etwa in Amazonien, Afrika oder Südostasien.
Frühwarnsystem für den Rest der Welt
Wenn selbst diese Wälder ihre Balance verlieren, steht das globale Klimasystem unter Druck. Denn Tropenwälder speichern rund ein Viertel des gesamten Kohlenstoffs, der in der Vegetation gebunden ist. Ihre Umkehr vom Speicher zur Quelle könnte die Erderwärmung deutlich beschleunigen.
- Weniger natürliche CO2-Speicher bedeuten, dass mehr Kohlendioxid in der Atmosphäre verbleibt.
- Steigende Temperaturen fördern wiederum mehr Waldsterben – ein sich selbst verstärkender Kreislauf.
Das Forschungsteam weist darauf hin, dass gängige Klimamodelle die CO2-Speicherung der Regenwälder bislang überschätzen. Wenn Wälder wie die in Australien ihre Bindungsfähigkeit verlieren, müssten internationale Emissionsziele angepasst werden.
„Die aktuellen Modelle könnten die Fähigkeit tropischer Wälder, Emissionen zu kompensieren, überschätzen“, warnt Carle. Die Folge: Weltweit könnte das verbleibende CO2-Budget, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, noch kleiner sein als gedacht.
Kurz zusammengefasst:
- Australiens tropische Regenwälder geben inzwischen mehr Kohlendioxid ab, als sie aufnehmen – ein klarer Hinweis darauf, dass selbst stabile Ökosysteme durch den Klimawandel ihre Funktion als CO2-Speicher verlieren.
- Hitze, Trockenheit und häufigere Zyklone erhöhen die Sterblichkeit der Bäume, während der erwartete „CO2-Düngungseffekt“ ausbleibt und kein neues Wachstum die Verluste ausgleicht.
- Forscher sehen darin ein Warnsignal für den gesamten Planeten: Wenn auch andere Tropenwälder kippen, verschärft sich die Erderwärmung und Klimaziele werden noch schwerer erreichbar.
Übrigens: Auch in Deutschland entstehen Ideen, die den Klimawandel an der Wurzel packen – und zwar im Labor. Forscher haben ein Verfahren entwickelt, das aus Abgasen ein palmölfreies Fett gewinnt, das künftig Cremes, Shampoos und vielleicht sogar Lebensmittel ersetzen könnte – mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Timothy Wakeham via Wikimedia unter CC BY-SA 4.0