Atommüll-Recycling statt Endlager? Leipziger Studie deutet eine Lösung für Deutschland an
Eine Studie prüft, ob Atommüll durch Recycling schneller abgebaut werden kann. Die Strahlungsdauer könnte um 99 Prozent verkürzt werden.
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Atommüll-Recycling könnte Endlager überflüssig machen. Statt radioaktive Abfälle für Jahrtausende tief unter der Erde zu lagern, könnte Transmutation die Strahlungsdauer drastisch verkürzen. © Wikimedia
Die Entsorgung hochradioaktiver Abfälle ist eines der drängendsten Probleme in Deutschland – sicher, wirtschaftlich und nachhaltig soll sie sein. Seit Jahrzehnten suchen Wissenschaftler nach einer besseren Lösung als das herkömmliche Endlager. Eine neue Studie der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) in Leipzig zeigt nun, dass Atommüll durch Recycling und Transmutation schneller abgebaut werden könnte. Die Strahlenlast ließe sich drastisch senken – von einer Million Jahre auf weniger als 1.000. Eine erste Anlage könnte bis 2035 in Betrieb gehen.
Recycling durch Neutronenbeschuss: Wie sich Atommüll fast unschädlich machen lässt
Beim herkömmlichen Konzept der Endlagerung werden radioaktive Abfälle für Jahrtausende tief unter der Erde eingelagert. Das Problem: Die Strahlung bleibt über extrem lange Zeit gefährlich. Hier setzt die Transmutation an. Durch den gezielten Beschuss der Atomkerne mit Neutronen lassen sich langlebige radioaktive Stoffe in kurzlebigere umwandeln. Statt über eine Million Jahre gefährlich zu bleiben, könnten Abfälle auf weniger als 1.000 Jahre Strahlungszeit reduziert werden – ein gewaltiger Fortschritt.
Die von SPRIND beauftragte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine Transmutationsanlage technisch umsetzbar ist und wirtschaftlich sinnvoll betrieben werden könnte. Kernstück wäre eine beschleunigergetriebene Neutronenquelle, kombiniert mit Recycling- und Verglasungseinheiten. Die erste Demonstrationsanlage könnte bis 2035 errichtet werden und hätte eine Mindestbetriebsdauer von 50 Jahren.
Stillgelegte Atomkraftwerke als Standort?
Ein entscheidender Vorteil: Die Anlage könnte an einem ehemaligen Atomkraftwerksstandort errichtet werden. Das würde nicht nur bestehende Infrastrukturen nutzen, sondern auch die Baukosten um etwa 30 Prozent senken. Statt Milliarden für den Rückbau von AKW-Standorten auszugeben, könnten diese künftig für die Müllbeseitigung genutzt werden.
Die Investitionskosten für eine erste Demonstrationsanlage liegen laut Studie bei rund 1,5 Milliarden Euro. Die jährlichen Betriebskosten werden mit 115 Millionen Euro angesetzt. Wirtschaftlich betrachtet wäre die Anlage aber trotzdem profitabel. Je nach Szenario könnte ihr Nettobarwert zwischen 1 und 7 Milliarden Euro liegen.
Atommüll als Rohstoffquelle – Wertvolle Elemente rückgewinnen
Neben der drastischen Reduzierung der Strahlenlast bietet die Transmutation einen weiteren Vorteil: Sie macht Atommüll zu einer Quelle wertvoller Rohstoffe. Cäsium, Krypton, Rhodium, Ruthenium, Strontium und Uran – Elemente, die bisher als problematische Abfälle galten, könnten gezielt zurückgewonnen und genutzt werden.
Diese Stoffe sind in der Industrie und in der Medizin äußerst gefragt. Rhodium beispielsweise wird für Katalysatoren und Elektronikbauteile gebraucht, Krypton kommt in speziellen Beleuchtungssystemen zum Einsatz. Auch die Entwicklung neuer Krebsmedikamente könnte von den extrahierten Materialien profitieren.
Hohe Sicherheitsstandards – doch gesetzliche Hürden bleiben
Laut der SPRIND-Studie erfüllt das Design der geplanten Anlage alle deutschen und internationalen Sicherheitsstandards. Besonders die unterkritische Auslegung des Systems und die Bleiabschirmung sorgen für ein hohes Maß an Sicherheit. Eine unkontrollierte Kettenreaktion ist ausgeschlossen.
Allerdings gibt es noch rechtliche Herausforderungen. Zwar könnte die beschleunigergetriebene Neutronenquelle sofort errichtet werden, doch für die Wiederaufarbeitung hochradioaktiver Abfälle sind in Deutschland Gesetzesänderungen erforderlich. Diese könnten in den kommenden Jahren auf den Weg gebracht werden, wenn sich der politische Wille findet.
CO2-Einsparungen und neue Arbeitsplätze – Ein Gewinn für die Gesellschaft
Neben der Abfallentsorgung und der Rohstoffgewinnung könnte die Anlage weitere Vorteile bringen. Durch emissionsarme Prozesswärme und geothermische Nutzung ließen sich CO2-Emissionen reduzieren. Zudem könnten Tausende Arbeitsplätze entstehen – sowohl in der Forschung als auch in der Industrie und bei Zulieferbetrieben.
Für die betroffenen Regionen, in denen heute stillgelegte Atomkraftwerke stehen, könnte dies eine neue wirtschaftliche Perspektive bedeuten. Statt Rückbau und Stillstand könnte eine Transmutationsanlage moderne Hochtechnologie und Forschung ansiedeln.
Kurz zusammengefasst:
- Recycling durch Transmutation könnte Atommüll durch gezielten Neutronenbeschuss in kurzlebigere Stoffe umwandeln und die Strahlungsdauer um 99 Prozent senken.
- Eine Leipziger Studie zeigt, dass eine erste Anlage bis 2035 technisch machbar wäre, mit einer Mindestbetriebsdauer von 50 Jahren.
- Neben sicherer Entsorgung bietet das Verfahren wirtschaftliche Vorteile, da wertvolle Rohstoffe zurückgewonnen und CO2-Emissionen gesenkt werden könnten.
Bild: © Christian Fischer via Wikimedia unter Public Domain