Hitzeschock mit Ansage: Wie der Atlantik Europas Wetter über Jahre hinaus lenkt
In Zukunft könnten Meteorologen ihre Vorhersagen für Hitzewellen in Europa am Atlantik festmachen – und das sogar recht zuverlässig.

Über dem Atlantik bei Frankreich liegt Stille – doch im Verborgenen speichert das Meer enorme Hitze, die Europas Sommer immer extremer werden lässt. © Pexels
Ein lauer Sommerabend an der Atlantikküste, die Sonne sinkt langsam ins Meer – und niemand ahnt, was unter der Oberfläche passiert. Denn genau hier beginnt ein Prozess, der Europa Monate später ins Schwitzen bringt. Forscher haben nun entschlüsselt, wie der Ozean Hitze speichert. Damit lassen sich Hitzewellen auf dem Kontinent Jahre im Voraus vorhersagen.
Nordatlantik wirkt wie ein Hitze-Frühwarnsystem
Sammeln sich im Nordatlantik große Mengen Wärme, steigen die Chancen auf Hitzewellen in Mitteleuropa deutlich. Die Studie nutzt zur Vorhersage einen Mechanismus, den die Wissenschaftler als „forced damped oscillation“ bezeichnen – eine Art Rückkopplung zwischen Ozean und Atmosphäre. Dabei verändert sich die Meeresströmung über mehrere Jahre hinweg, wodurch Wärme gespeichert und später in die Atmosphäre abgegeben wird – mit Auswirkungen auf das Wetter in Europa. Diese gekoppelte Schwingung bringt das Klimasystem im Nordatlantik in Bewegung und liefert entscheidende Hinweise auf bevorstehende Extremtemperaturen.
Das zentrale Ergebnis der Studie: Der Ozean speichert Wärme mehrere Jahre, bevor in Europa außergewöhnliche Temperaturen auftreten. Schon drei Jahre vor einem Hitzesommer lassen sich Veränderungen in der großräumigen Wasserzirkulation messen.
„Wir haben herausgefunden, dass sich die Wärme im Nordatlantik deutlich vor solchen Extremereignissen aufbaut“, sagt Studienautorin Lara Wallberg. Das Team nutzte ein Modell, das zwischen 1960 und 2019 jährlich 80 Klimasimulationen generierte. Jeder Modelllauf umfasst mehr als zehn Jahre und wurde mit einem Datensatz zur Reanalyse abgeglichen.
Sommer werden immer extremer – mit Folgen für Europa
Eine weitere Studie des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und der Universität Hamburg beleuchtet zusätzlich einen zweiten entscheidenden Faktor: die Nordatlantische Oszillation (NAO). Diese beschreibt Schwankungen im Luftdruckgefälle zwischen Island und den Azoren – und beeinflusst das Sommerwetter in Europa massiv.
So kam es etwa im Sommer 2023 zu einer markanten Zweiteilung Europas: Im Nordwesten war es nass und kühl, während im Süden extreme Hitze wütete. Grund war eine negative Phase der NAO. Diese lenkte kühle Luft nach Mitteleuropa und heiße Luft in den Mittelmeerraum. Die Forscher zeigten, dass durch die globale Erwärmung solche extremen NAO-Zustände häufiger auftreten – mit spürbaren Folgen für Gesundheit und Landwirtschaft. Hitzewellen können Ernteausfälle, Wasserknappheit und gesundheitliche Belastungen wie Hitzschläge und Kreislaufprobleme auslösen – besonders in dicht besiedelten Regionen.
Das bedeutet, dass es künftig mehr und stärkere Extreme der NAO im Sommer geben wird – sowohl positive als auch negative.
Quan Liu, Max-Planck-Institut für Meteorologie
Neue Auswahlmethode verbessert Vorhersagen deutlich
Um genauere Vorhersagen zu ermöglichen, haben die Forscher eine neue Methode entwickelt: Statt alle verfügbaren Klimasimulationen gleich zu behandeln, wählen sie gezielt nur die Modellläufe aus, die frühzeitig bestimmte Warnsignale zeigen – etwa typische Veränderungen in der Ozeanzirkulation. Nur diese aussagekräftigen Läufe gehen in die Berechnung ein.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Im dritten Jahr nach Modellstart steigt die Übereinstimmung mit den gemessenen Sommertemperaturen deutlich – von einem Korrelationswert von 0,31 auf 0,48. Auch die Trefferquote für richtig vorhergesagte Hitzesommer, die sogenannte „True Positive Rate“, verbessert sich spürbar.
Besonders überzeugend ist die Bilanz bei heißen Tagen: In 13 von 60 untersuchten Jahren sagte die Methode einen Hitzesommer präzise voraus. Bei der Zahl heißer Tage – also Tagen mit einem Durchschnitt über 20 Grad – stimmte das Modell in 15 Jahren auffallend gut mit den realen Werten überein. Nur in drei Jahren lag es daneben.
Die Analyse der neuen Vorhersagemethode zeigt nicht nur, dass sie funktioniert, sondern auch wo sie besonders zuverlässig ist. Vor allem Mitteleuropa profitiert: In einem Gebiet, das sich grob von Ostfrankreich über Deutschland bis nach Polen erstreckt, stimmen die Prognosen für heiße Sommer besonders gut mit den tatsächlichen Temperaturen überein. Auch in Ländern rund um das Mittelmeer, etwa Italien, Spanien oder Griechenland, sowie in Teilen Nordafrikas lassen sich Verbesserungen erkennen. Dort sind die Ergebnisse allerdings noch nicht ganz so sicher – sie bewegen sich zum Teil außerhalb dessen, was statistisch als eindeutig gilt.
Trotzdem zeigt die neue Methode erstmals, dass sich gefährliche Hitzesommer nicht nur Jahre im Voraus erkennen lassen – sondern auch, wo sie Mensch und Umwelt am härtesten treffen.
Kurz zusammengefasst:
- Aufgrund von Wärmestau im Nordatlantik lassen sich Hitzewellen im Sommer in Europa bis zu drei Jahre im Voraus vorhersagen.
- Die Vorhersagegenauigkeit steigt deutlich, wenn gezielt Modellläufe mit spezifischen Ozeanindikatoren ausgewählt werden.
- Zusätzlich verstärken zunehmende Schwankungen der Nordatlantischen Oszillation künftig extreme Wetterlagen im europäischen Sommer.
Übrigens: Während Forscher Hitzewellen in Europa immer präziser vorhersagen können, warnt eine neue Klimaprognose vor dem globalen Sprung über die 2-Grad-Marke schon bis 2029. Mehr dazu in unserem Artikel.
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