Abholzung der Regenwälder in Panama beschleunigt die Ausbreitung der gefährlichen Chagas-Krankheit

Weil in Panama Regenwälder verschwinden, breiten sich Opossums stärker aus – und mit ihnen der Erreger der Chagas-Krankheit.

Abholzung in Panama führt zur Ausbreitung der Chagas-Krankheit

Wo früher dichter Regenwald mit unzähligen Tier- und Pflanzenarten lebte, breitet sich heute karge, tote Leere aus – und mit ihr steigen die Risiken für die Ausbreitung gefährlicher Krankheiten. (Symbolbild) © DALL-E

Wer Wälder zerstört, riskiert nicht nur den Verlust von Tieren und Pflanzen – er öffnet auch Krankheitserregern neue Wege. In Panama verdeutlicht eine große Feldstudie, wie eng Abholzung, Artensterben und die Ausbreitung der gefährlichen Chagas-Krankheit zusammenhängen. Die Erkenntnisse reichen weit über Mittelamerika hinaus: Sie betreffen letztlich auch Europa.

Wenn Arten verschwinden, gewinnen Parasiten

Die Chagas-Krankheit wird durch den Parasiten Trypanosoma cruzi ausgelöst und von Raubwanzen übertragen. Ein Stich dieser Insekten bleibt oft unbemerkt – doch Jahre später können lebensgefährliche Herz- oder Darmprobleme auftreten. Laut Weltgesundheitsorganisation sind bereits sechs bis sieben Millionen Menschen weltweit infiziert.

Forscher der Universität Ulm fanden heraus: Mit jedem Eingriff des Menschen in den Regenwald steigt die Gefahr. Denn in veränderten Landschaften setzen sich Tiere durch, die den Erreger besonders häufig in sich tragen – allen voran die Opossums.

„Unsere Ergebnisse machen deutlich, wie sich menschlicher Einfluss auf die Vielfalt wildlebender Tiere auswirkt – und wie der Verlust von Biodiversität die Dynamik von Krankheitserregern verändert“, erklärt Dr. Magdalena Meyer vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Uni Ulm.

800 Kleinsäuger, 23 Standorte – eine klare Tendenz

Für ihre Untersuchung fingen die Forscher mehr als 800 Kleinsäuger an 23 Standorten rund um den Panamakanal. Sie verglichen unberührte Regenwälder, geschützte Inseln, Waldfragmente und Monokulturen aus Teakholz.

Die Ergebnisse sprechen eine eindeutige Sprache:

  • In intakten Regenwäldern war der Anteil infizierter Tiere niedrig.
  • In Monokulturen und gestörten Waldstücken dagegen war fast jedes zweite Tier befallen.
  • Besonders stark stieg die Infektionsrate, wenn Opossums dominierten – die nachtaktiven Beuteltiere sind ideale Wirte für den Parasiten.
Bei der Feldarbeit in Panama stellten die Forscher an jedem der 23 Standorte 300 Lebendfallen auf.
© Ruben Gunzenhäuser
Bei der Feldarbeit in Panama stellten die Forscher an jedem der 23 Standorte 300 Lebendfallen auf. © Ruben Gunzenhäuser

Genetische Vielfalt schützt vor Infektionen

Neben der Artenvielfalt spielt auch die genetische Vielfalt einzelner Arten eine Rolle. Bei Stachelratten, einer weiteren untersuchten Tierart, fanden die Forscher in stark veränderten Gebieten deutlich weniger genetische Unterschiede innerhalb der Population. Solche Verluste schwächen die Abwehrkräfte – Krankheitserreger haben dann leichtes Spiel.

Bedrohung für Millionen Menschen durch die Chagas-Krankheit

Schon heute sind laut WHO rund 75 Millionen Menschen einem Infektionsrisiko ausgesetzt, vor allem in Lateinamerika. Dort bieten einfache Behausungen ideale Verstecke für die übertragenden Raubwanzen. Doch die Chagas-Krankheit ist längst kein rein regionales Problem mehr: Migration hat sie bereits in 44 Länder getragen, darunter auch die USA und Teile Europas.

Die Krankheit verläuft dabei meist in zwei Phasen: einer akuten und einer chronischen. Die Symptome unterscheiden sich je nach Stadium.

Akute Phase (oft Wochen bis Monate nach der Infektion):

  • Fieber
  • Müdigkeit, allgemeines Krankheitsgefühl
  • Hautschwellung an der Einstichstelle (sog. Chagom)
  • Schwellung eines Augenlids (sog. Romana-Zeichen)
  • Kopf- und Muskelschmerzen
  • Lymphknotenschwellungen
  • Leber- oder Milzvergrößerung

Chronische Phase (Jahre bis Jahrzehnte nach der Infektion):

  • Herzrhythmusstörungen
  • Herzvergrößerung bis hin zu Herzinsuffizienz
  • Verdauungsprobleme durch Erweiterung von Speiseröhre oder Dickdarm (Schluckbeschwerden, Verstopfung)
  • Atemnot, Brustschmerzen, Schwindel

Nicht alle Infizierten entwickeln schwere Symptome – viele bemerken die Infektion zunächst gar nicht. Etwa ein Drittel der Betroffenen erkrankt jedoch im späteren Verlauf ernsthaft, vor allem am Herz oder Verdauungssystem.

Bis zu 30 Prozent der chronisch Infizierten entwickeln schwere Komplikationen. Medikamente wirken nur in den ersten Wochen nach der Infektion. Einen Impfstoff gibt es bis heute nicht.

Artenvielfalt als natürliche Barriere

Die Ulmer Studie macht klar: In geschützten, stabilen Ökosystemen halten natürliche Prozesse die Balance. In gestörten Gebieten dagegen kann mehr Vielfalt das Infektionsrisiko deutlich senken – sie wirkt wie eine Barriere, die verhindert, dass einzelne Arten überhandnehmen.

Damit ergeben sich praktische Konsequenzen:

  • Schutzgebiete stabilisieren Tiergemeinschaften und verringern Krankheitsrisiken.
  • Artenreichtum und genetische Vielfalt sind ein natürlicher Puffer gegen Erreger.
  • Monokulturen und massive Landnutzungsänderungen erhöhen die Gefahr, dass Krankheiten auf Haustiere oder Menschen überspringen.
Opossums hatten im untersuchten Gebiet die höchsten Infektionsraten mit Trypanosoma cruzi. © Ruben Gunzenhäuser
Opossums hatten im untersuchten Gebiet die höchsten Infektionsraten mit Trypanosoma cruzi. © Ruben Gunzenhäuser

Was das für uns bedeutet

Die Ergebnisse aus Panama sind ein Lehrstück für die ganze Welt. Sie machen deutlich, wie eng die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt verflochten ist – ein Prinzip, das unter dem Begriff One Health bekannt ist.

Das hat drei zentrale Folgen:

  • Verlust der Artenvielfalt erhöht Krankheitsrisiken. Je stärker der Mensch Ökosysteme zerstört, desto leichter finden Parasiten neue Wirte.
  • One-Health-Prinzip gilt auch in Europa. Mit dem Klimawandel können Überträger wie die Raubwanze neue Lebensräume erschließen – auch in südlichen Regionen Europas.
  • Klimawandel als zusätzlicher Verstärker. Steigende Temperaturen und veränderte Landschaften begünstigen die Ausbreitung tropischer Krankheiten weit über ihre bisherigen Grenzen hinaus.

Professorin Simone Sommer, die Leiterin der Studie, fasst zusammen:

Der beste Schutz vor der Ausbreitung solcher Krankheiten ist der Erhalt intakter Ökosysteme mit ihrer natürlichen Artenvielfalt.

Kurz zusammengefasst:

  • Abholzung und Monokulturen in Panama verringern die Artenvielfalt und begünstigen Opossums, die Hauptwirte der Erreger der Chagas-Krankheit sind.
  • In gestörten Lebensräumen steigt die Zahl infizierter Tiere deutlich, während genetische Vielfalt bei anderen Wirten wie Stachelratten verloren geht.
  • Intakte Ökosysteme mit hoher Arten- und Genvielfalt wirken als natürliche Barriere gegen die Ausbreitung zoonotischer Krankheiten wie der Chagas-Krankheit.

Übrigens: Wilde Vanille und ihre Bestäuber-Bienen driften durch den Klimawandel immer weiter auseinander – mit Folgen für Ernte, Artenvielfalt und Aroma. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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