Wie Tech-Milliardäre die Zukunft der Menschheit planen – im Namen des Fortschritts
Tech-Milliardäre wie Musk, Bezos und Altman planen die Zukunft der Menschheit mit KI und Marsvisionen – und ignorieren Risiken.

Sie träumen von neuen Welten und ewigem Leben – doch ihre Zukunftsvisionen lassen viele Fragen offen, die uns alle betreffen. © DALL-E
Sie reden von Unsterblichkeit, Mars-Kolonien und Maschinen, die unser Denken übertreffen: Eine kleine Gruppe Milliardäre aus dem Silicon Valley will nicht weniger als die „Zukunft der Menschheit“ gestalten. Elon Musk, Jeff Bezos und Sam Altman verfolgen große Pläne – und handeln dabei oft fernab öffentlicher Kontrolle.
Lange klangen diese Ideen nach Zukunftsromanen – doch inzwischen formen sie ganz konkret die Debatten um Macht, Technik und Kontrolle. Der US-Astrophysiker und Journalist Adam Becker warnt in seinem neuen Buch „More Everything Forever“ davor, dass diese Zukunftsvisionen nicht nur Träumerei sind – sondern ein gefährliches Machtinstrument. In einem Interview mit der MIT Technology Review erklärt er, warum diese Ideen für viele verführerisch – und für die Gesellschaft hochproblematisch sind.
Milliardäre basteln an der Zukunft der Menschheit
Becker beschreibt eine Welt, in der Technik nicht mehr Mittel zum Zweck ist, sondern zur Religion wird – und in der Wachstum nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch begründet wird. Die Tech-Elite inszeniert sich dabei als Retter der Menschheit – mit Mitteln, die kaum jemand hinterfragt.
Diese Ziele verfolgen die Tech-Milliardäre:
- Superintelligente KI entwickeln, die alle Probleme der Welt lösen soll
- Mit dieser KI verschmelzen, um unsterblich zu werden
- Auf dem Mars eine Kolonie gründen, als „Backup-Planet“ für die Menschheit
- Sich im Universum ausbreiten, um die Menschheit zu „bewahren“
Becker kritisiert: „Ich glaube wirklich, dass man ab einem bestimmten Kontostand einfach die wildesten Gedanken äußern kann – und niemand wird dich korrigieren oder dir widersprechen.“
Warum diese Visionen nicht harmlos sind
Hinter diesen Ideen steckt laut Becker eine Ideologie, die er „technologische Erlösung“ nennt. Sie verspricht eine perfekte Zukunft – aber nur, wenn sich niemand dem Fortschritt in den Weg stellt. Dabei werden reale Probleme verdrängt, soziale Ungleichheit verschärft und ökologische Schäden ignoriert.
Welche Denkweisen diese Ideen prägen
Viele dieser Zukunftsbilder stammen aus Denkströmungen wie dem Transhumanismus, Futurismus oder Effektiven Altruismus. Die Gemeinsamkeit: Der Mensch soll seine Grenzen überwinden – durch Technik, nicht durch Politik oder Gesellschaft.
Einige Ursprünge dieser Ismen sind laut Becker problematisch:
- Der Begriff Transhumanismus wurde vom Eugeniker Julian Huxley geprägt.
- Marc Andreessens „Techno-Optimist Manifest“ bezieht sich auf den italienischen Faschisten Marinetti.
- Viele dieser Ideen stammen aus Kreisen, die sich offen gegen staatliche Kontrolle oder soziale Verantwortung stellen.
„In den meisten dieser Ismen findet man die Idee von Flucht und Transzendenz – und das Versprechen einer unglaublichen Zukunft, solange wir den technologischen Fortschritt nicht aufhalten“, so Becker.
Warum das Wachstum nicht ewig weitergeht
Zentraler Baustein der Tech-Visionäre: der Glaube an exponentiellen Fortschritt. Das berühmte Moore’sche Gesetz – wonach sich die Rechenleistung alle zwei Jahre verdoppelt – dient vielen als Beweis. Doch Becker widerspricht.
„Das Moore’sche Gesetz war keine Naturkraft – sondern eine Industrieentscheidung“, erklärt er im Gespräch mit der MIT Technology Review. Die Vorstellung, dass Technologie sich immer schneller verbessert, sei ein Mythos. Die Realität sei komplexer – und deutlich weniger vorhersehbar.
Warum diese Ideen so viele Menschen ansprechen
Auch Menschen ohne Milliardenvermögen fühlen sich von diesen Erzählungen angezogen. Becker erklärt das mit psychologischen Mustern: In einer Welt voller Krisen wirken einfache Zukunftsversprechen wie ein Ausweg.
Diese Motive machen die Visionen so attraktiv:
- Die Aussicht auf Kontrolle in einer unkontrollierbaren Welt
- Das Versprechen von Unsterblichkeit oder Überlegenheit
- Der Glaube an eine „größere Ordnung“ – ähnlich wie in Religionen
Becker verweist darauf, dass viele Akteure aus dem Umfeld des „Effektiven Altruismus“ oder der „Rationalisten“ früher streng gläubig waren – und nun ihre Hoffnung auf Technik setzen.
Wenn der Fortschritt zum Machtwerkzeug wird
Was diese Ideen so gefährlich macht: Sie bieten nicht nur Antworten, sondern auch Rechtfertigungen. Für grenzenlose Macht, für den Abbau von Regeln, für die Konzentration von Ressourcen.
Becker warnt: „Diese Visionen sind nicht einfach Spinnereien. Sie beschleunigen Umweltzerstörung, ignorieren demokratische Prozesse – und vertiefen bestehende Ungleichheiten.“
Tech-Milliardäre inszenieren sich als Zukunftsretter – doch sie entscheiden allein, wie diese Zukunft aussieht. Viele politische Kontrollmechanismen greifen nicht mehr.
Was wir daraus lernen können
Becker will mit seinem Buch nicht nur analysieren – sondern wachrütteln. Wer diese Visionen verstehe, so seine Hoffnung, durchbreche den Mythos ihrer Unvermeidbarkeit.
„Wenn wir begreifen, dass diese Zukunftsträume für viele ein Albtraum sind, verschwindet auch das Gefühl, dass sie unausweichlich sind“, sagt Becker im Interview.
Sein Appell: Nicht jede Idee, die mit Zukunft wirbt, dient dem Gemeinwohl. Manchmal ist sie nur ein Deckmantel – für Macht, Kontrolle und den Wunsch, dem Rest der Welt davonzulaufen.
Kurz zusammengefasst:
- Tech-Milliardäre wie Elon Musk, Sam Altman und Jeff Bezos entwerfen ihre eigene Vision der Zukunft der Menschheit – mit KI, Unsterblichkeit und Mars-Kolonien, oft ohne gesellschaftliche Kontrolle.
- Der Astrophysiker Adam Becker kritisiert diese Ideologie der „technologischen Erlösung“ als gefährlich, weil sie reale Probleme verdrängt und Macht konzentriert.
- In seinem Buch „More Everything Forever“ und im Interview mit MIT Technology Review warnt Becker vor einer technikgläubigen Weltordnung, die gesellschaftliche Risiken verschärft.
Bild: © DALL-E