Wettlauf um saubere Energien: Europa hinkt bei neuen Technologien gefährlich hinterher

Europa steht vor Herausforderungen in Wirtschaft und Umwelt. Führende Manager drängen auf Innovation. Netto-Null-Verordnung könnte Lösungen bieten.

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Europa droht bei wichtigen Technologien den Anschluss an China und die USA zu verlieren. © Midjourney

Europa steht vor der Herausforderung, in der globalen Wirtschaftswelt wettbewerbsfähig zu bleiben, während es gleichzeitig seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren möchte. Eine Gruppe führender Manager und Experten drängt die Europäische Union, einen stärkeren Fokus auf Innovation und zukunftsweisende Technologien zu legen, um diesen Spagat zu bewältigen.

Innovationschampion MAN ES: Klimaneutralität trotz Hindernissen

Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender von MAN-ES, ist einer der Befürworter dieser Bewegung. Obwohl sein Unternehmen traditionell Diesel-Schiffsmotoren herstellt, hat es sich auch der Entwicklung grüner Energietechnologien verschrieben. Lauber ist stolz darauf, die größte Wärmepumpe der Welt in Dänemark in Betrieb genommen zu haben, die 100.000 Menschen klimaneutral mit Wärme versorgt. Doch er äußert Frustration darüber, dass innovative Technologien in Deutschland oft behindert werden durch langwierige Genehmigungsverfahren und bürokratische Hürden, wie die Tagesschau berichtet. „Die Größe, Dimension und Leistungsdichte unserer Großwärmepumpen finden Sie nirgends auf der Welt. Damit könnte man eine ganze Stadt wie Augsburg mit Energie versorgen“, erklärt er voller Stolz.

ASML warnt vor drohendem Verlust industrieller Vorherrschaft in Europa

Ein weiteres Unternehmen, das die Bedeutung von Innovation betont, ist ASML aus den Niederlanden. Als führender Hersteller von Chipproduktionsmaschinen ist ASML ein Schlüsselakteur in Europa. Roger Dassen, Finanzvorstand von ASML, warnt jedoch laut Tagesschau davor, dass Europa den Anschluss in wichtigen Industriezweigen verliert. „Ich sehe nicht, dass Europa die fünf maßgeblichen Industrien ausreichend fördert: Halbleiterindustrie, Biotechnologie, Autoindustrie, Batterietechnologie und grüne Energiequellen.“

Experten mahnen zur verstärkten Einbindung des Kapitalmarkts in Europa

Experten wie Jo De Boeck vom Institut Imec in Belgien wollen den Kapitalmarkt stärker einbinden, um Innovationen voranzutreiben. Europa müsse sicherstellen, dass ausreichend Risikokapital vorhanden sei, um Start-ups zu unterstützen und die Entwicklung neuer Technologien zu finanzieren. Denn während Europa bei der Forschung meist führend ist, fehlt es oft an den finanziellen Mitteln für die Umsetzung.

Mario Draghi, ehemaliger EZB-Chef, warnt vor der wachsenden Bedrohung durch China, das immer mehr die industrielle Basis Europas untergräbt. Er betont die Notwendigkeit eines entschlosseneren europäischen Vorgehens, um mit den USA und China im globalen Wettbewerb mithalten zu können. Konkret forderte Draghi, der für die Kommission Vorschläge für bessere Wettbewerbsfähigkeit der EU ausarbeiten soll, 500 Milliarden Euro jährlich, um „Investitionslücken“ zu schließen.

Netto-Null-Verordnung als Schlüssel zur Förderung innovativer Technologien

Die Geschichten von Unternehmen wie MAN-ES und ASML zeigen, dass Europa das Potenzial hat, eine führende Rolle in der Entwicklung und Umsetzung sauberer Technologien sowie innovativer Industriezweige zu spielen. Doch dafür sind entschlossene Maßnahmen auf politischer und wirtschaftlicher Ebene erforderlich. Eine dieser Maßnahmen könnte die neue Netto-Null-Verordnung sein.

Die Einführung der Netto-Null-Industrie-Verordnung, vorgeschlagen von der Europäischen Kommission im März 2023, könnte ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Zukunft sein.

Europa will bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden

Die Verordnung ist ein zentraler Bestandteil des europäischen Grünen Deals, um Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Ihr Hauptziel ist es, die Produktionskapazitäten im Bereich sauberer Technologien in Europa zu stärken und somit die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern. Denn Europa muss seine Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent senken, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Die Netto-Null-Industrie-Verordnung legt klare Ziele fest, die bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen. Dazu gehört, dass die EU mindestens 40 Prozent ihres Eigenbedarfs an grünen Technologien produzieren und mindestens 50 Millionen Tonnen CO₂ speichern soll. Um diese ehrgeizigen Ziele zu erreichen, werden verschiedene Maßnahmen ergriffen.

Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für saubere Energietechnologien

Zu den Kernelementen der Verordnung gehört die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für neue industrielle Aktivitäten. Bisher waren diese Verfahren oft langwierig und kompliziert, was die Entwicklung und Umsetzung innovativer Technologien behinderte. Darüber hinaus werden geografische Konzentrationen von Industrien gefördert, um die Zusammenarbeit und den Austausch von Wissen und Ressourcen zu erleichtern.

Uwe Lauber ist inzwischen dabei die nächste Großwärmepumpe an den Start zu bringen. Dreimal so groß wie in Esbjerg und wieder in Dänemark. Deutschland wird noch länger auf ein ähnlich großes Projekt warten müssen. „In Deutschland benötigen Genehmigung für Großanlagen bis zu fünf Jahre“, so Lauber.

Saubere Energietechnologien als Treiber für Beschäftigung und Emissionsreduktion

Ein Bericht der Internationalen Energieagentur aus dem Jahr 2023 zeigt, dass der Markt für saubere Energietechnologien bis 2030 um das Dreifache seines aktuellen Werts wachsen könnte, wenn die Länder weltweit ihre Energie- und Klimazusagen vollständig umsetzen. Dies würde nicht nur zu einer erheblichen Reduzierung der Treibhausgasemissionen führen, sondern auch zu einem Anstieg der Arbeitsplätze in diesem Sektor.

Das Europäische Parlament hat die Einigung über die Verordnung im April 2024 bestätigt, nachdem es eine Vereinbarung mit dem Rat erzielt hatte. Dieser Schritt markiert einen bedeutenden Fortschritt auf dem Weg zu einer nachhaltigeren und wettbewerbsfähigeren europäischen Industrie.

Was du dir merken solltest:

  • Europa steht vor der dualen Herausforderung, seine Wettbewerbsfähigkeit in der globalen Wirtschaft zu erhalten und gleichzeitig seinen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren.
  • Eine Gruppe führender Manager und Experten drängt Europa, einen stärkeren Fokus auf Innovation und Technologien zu legen, um diesen Spagat zu bewältigen.
  • Die Einführung der Netto-Null-Industrie-Verordnung könnte einen wichtigen Schritt darstellen, um diese Herausforderungen anzugehen.

Bild: © Midjourney

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