Technik zum Anziehen: Wie die „robotische Hose“ das Gehen erleichtert

Die robotische Hose der TUM unterstützt ältere und gebrechliche Menschen beim Gehen, reduziert den Energieverbrauch und fördert die Mobilität und Gesundheit.

Eine Seniorin testet die robotische Hose, die TUM-Wissenschaftlerin Enrica Tricomi mitentwickelt hat. © Uwe Anspach

Eine Seniorin testet die robotische Hose, die TUM-Wissenschaftlerin Enrica Tricomi (rechts) mitentwickelt hat. © Uwe Anspach

Die Technische Universität München (TUM) präsentiert eine revolutionäre Innovation im Bereich der Mobilitätshilfen: eine robotische Hose. Forscher der TUM haben diese spezielle Hose entwickelt, um das Gehen und sogar das Joggen zu erleichtern und gleichzeitig den Energieverbrauch des Körpers spürbar zu senken. Die „Smart Robotic Shorts“, wie die Forscher sie nennen, sollen besonders älteren und gebrechlichen Menschen zugutekommen. Sie ermöglicht es ihnen, länger mobil zu bleiben und fördert die Gesundheit durch eine gesteigerte Bewegung. TUM-Professor Lorenzo Masia, einer der führenden Köpfe hinter der Entwicklung, erklärt: „Damit kann man langsam gehen, aber auch joggen. Wir haben ein System entwickelt für Menschen, mit dem man sich gerne mehr bewegt.“ Die Idee sei vergleichbar mit dem Konzept eines E-Bikes, nur eben auf das Laufen übertragen.

Das System trägt den Namen WalkON, was sinngemäß bedeutet: „Lauf einfach weiter“. Laut ihrer Studie zeigen erste Tests, dass es eine deutliche Entlastung für die Nutzer bietet. Beispielsweise spart ein junger Mensch, der mit der robotischen Hose einen 500 Meter langen Anstieg bewältigt, etwa 18 Prozent der sonst benötigten Energie. Auch für ältere Menschen, die das System auf einer ebenen Strecke von 400 Metern nutzen, ergibt sich eine Einsparung von mehr als zehn Prozent. Dieses Gefühl der Erleichterung wird verglichen mit einem verminderten Körpergewicht von etwa zehn beziehungsweise sechs Kilogramm, was die Alltagsbewegung erheblich erleichtert.

 Präzise Technik für natürliche Bewegungen

Die Funktionsweise der robotischen Hose ist ein Zusammenspiel moderner Technik. Zwei dünne Drähte, die von den Oberschenkeln bis zum Hüftgurt reichen, ziehen beim Gehen leicht nach oben und entlasten so die Oberschenkelmuskulatur. Ein Sensor am Oberschenkel misst dabei Bewegungswinkel und -geschwindigkeit der Beine. Exakt zum richtigen Zeitpunkt – beim Übergang in die Schwungphase – sendet der Sensor ein Signal an die integrierten Motoren, um die Unterstützung anzupassen. Doktorandin Enrica Tricomi erläutert: „Das System erkennt, wie schnell oder langsam sich die Person bewegt, passt sich an das jeweilige Gewicht der Beine an und unterstützt entsprechend individuell.“ Die robotische Hose erfordert keinerlei Voreinstellungen und kann laut den Forschern innerhalb weniger Minuten angezogen und genutzt werden. Dieses einfache „Plug & Play“-Prinzip macht die Nutzung im Alltag besonders attraktiv und benutzerfreundlich.

Die robotische Hose WalkON hilft Menschen beim Laufen. Zwei Motoren ziehen Seile, die zur Unterstützung der Oberschenkelmuskulatur dienen. © Uwe Anspach

Förderung der Gesundheit durch Bewegung

Die robotische Hose verspricht jedoch nicht nur mehr Bewegungsfreiheit, sondern kann auch zur allgemeinen Gesundheitsförderung beitragen. Die Ergebnisse einer Umfrage unter den Studienteilnehmenden zeigen, dass das System bei den Nutzern ein hohes Sicherheitsgefühl auslöst. Auf einer Skala von null (keine Kontrolle) bis sieben (sehr gute Kontrolle) erzielten die Forscher einen Durchschnittswert von über sechs. Professor Masia hebt hervor, dass besonders ältere Menschen von diesem Sicherheitsaspekt profitieren: „Gerade bei älteren Menschen ist es wichtig, dass sie sich sicher fühlen.“ Neben älteren Menschen sollen auch Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen, wie etwa Herz- oder Lungenerkrankungen, durch das System unterstützt werden. Die robotische Hose ermögliche es ihnen, sich mehr zu bewegen und damit den Stoffwechsel anzuregen, was sich positiv auf ihre gesundheitliche Verfassung auswirken kann. Durch die längere Zeit, die sie aktiv bleiben, könnten sie zudem ihre Mobilität und Unabhängigkeit bewahren und damit ihre Lebensqualität verbessern.

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Exoskelette der Zukunft – komfortabel und flexibel

Im Gegensatz zu herkömmlichen Exoskeletten, die oft sperrig und aufwändig konstruiert sind, ähnelt die robotische Hose eher normaler Kleidung. „WalkON sieht mehr nach Kleidung aus und ist insgesamt nicht größer als ein kleiner Rucksack“, beschreibt Doktorandin Tricomi die innovative Konstruktion. Die Entwicklung schreitet dabei weiter voran: Professor Masia ist überzeugt, dass in den nächsten Jahren ein modulares System für den Endverbrauchermarkt bereitstehen könnte. Sein Zukunftsbild: „In ein paar Jahren kauft man sich eine kurze Hose, befestigt daran einen Motor, steckt zwei Kabel an, und fertig ist das System, mit dem man in die Berge gehen kann.“ So könnte die robotische Hose nicht nur im Alltag, sondern auch bei sportlichen Aktivitäten oder Ausflügen in die Natur zum Einsatz kommen.

Die robotische Hose „WalkON“ ist innerhalb von einer Minute startklar. TUM-Wissenschaftlerin Enrica Tricomi demonstriert in einem Video, wie man sie anzieht. © TUM via YouTube

Was du dir merken solltest:

  • Die „robotische Hose“ der TUM reduziert beim Gehen und Joggen spürbar den Energieaufwand, was vor allem älteren und gebrechlichen Menschen zugutekommt.
  • Durch eine präzise Sensorik und Motoren passt sich das System den individuellen Bewegungen und Geschwindigkeiten der Nutzer an, ohne Voreinstellungen.
  • Die innovative Technologie fördert Mobilität und Gesundheit, indem sie Menschen länger aktiv und selbstständig hält, was ihre Lebensqualität erhöhen kann.

Übrigens: Forscher wollen wissen, wie Fische das Gehen lernen konnten. Da Fossilien häufig nicht ausreichen, haben Wissenschaftler jetzt einen Paläo-Roboter entwickelt, der die Bewegungsabläufe nachmachen soll. Mehr dazu findest du in unserem Artikel.

Bild: © Uwe Anspach via TUM

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