Schweiz experimentiert mit neuartigem Atomreaktor – trotz Kernkraftverbot
In der Schweiz entsteht ein bahnbrechender Flüssigsalz-Atomreaktor, der neue Maßstäbe in der Kernenergie setzen könnte.
In der Schweiz steht ein revolutionäres Projekt in den Startlöchern: Trotz des Verbots zum Bau neuer Kernkraftwerke wird im Aargau auf dem Gelände des Paul-Scherrer-Instituts (PSI) ein neuartiger Atomreaktor errichtet. Das PSI, eine führende Forschungseinrichtung in der Schweiz, kooperiert hierfür mit dem dänischen Start-up Copenhagen Atomics.
In drei Jahren soll der Bau des kleinen, modularen Reaktors abgeschlossen sein. Dieser wird, laut Andreas Pautz, Leiter des Forschungsbereichs Nukleare Energie und Sicherheit am PSI, eine Kapazität von maximal einem Tausendstel der Leistung eines Blocks des Kernkraftwerks Beznau erreichen. Dieses ist mit seinen beiden Druckwasserreaktoren (1969 und 1971) das älteste noch aktive Atomkraftwerk der Welt. Beznau wird vermutlich bis 2030 in Betrieb sein. Die NZZ berichtet, dass der Reaktor als Experimentalfeld für fortschrittliche Technologien dienen wird, um den Einsatz von Kernenergie sicherer und kosteneffizienter zu gestalten.
PSI entwickelt flexibel skalierbaren modularen Atomreaktor
Der Atomreaktor am PSI wird die Form eines Frachtcontainers haben und somit Teil eines modularen Systems sein, das beliebig skaliert werden kann. Diese Technologie könnte laut Pautz „eine hervorragende Grundlage schaffen, in anderen Ländern eine Bewilligung für den kommerziellen Betrieb ihrer Anlage zu erhalten“, wie er gegenüber der NZZ erwähnte. Ein kommerzieller Einsatz der Technologie sei zwischen 2035 und 2040 denkbar.
Flüssigsalzreaktor: Innovative Technologie trotzt Herausforderungen
Die Besonderheit des Projekts liegt im Reaktortyp, einem sogenannten Flüssigsalzreaktor (Molten Salt Reactor). Bei diesem innovativen Konzept wird der Brennstoff mit einer Salzmischung kombiniert, die bei etwa 500 Grad Celsius aktiviert wird und Wärme erzeugt. Die aggressive Natur der flüssigen Salze stellt dabei eine technische Herausforderung dar. Doch diese habe Copenhagen Atomics nach Aussage von Pautz erfolgreich mit Hilfe korrosionsfester Pumpen gemeistert.
Trotz der kleineren Dimensionen und der experimentellen Natur des Reaktors sind die Sicherheitsanforderungen enorm. Das PSI muss nachweisen, dass auch bei schweren Erdbeben oder anderen Katastrophen keine gefährliche Freisetzung von Radioaktivität stattfindet. Diese hohen Sicherheitsstandards sind entscheidend für den Erfolg der Technologie.
Bildungsimpuls durch neues Kernenergieprojekt
Das Projekt wird nicht nur als technologischer Fortschritt gesehen, sondern auch als wichtige Bildungsinitiative. „Das gemeinsame Projekt mit Copenhagen Atomics schafft für die Schweiz wichtige Möglichkeiten, um die heute mangelnden Fachkräften in der Nuklearbranche auszubilden“, sagt Andreas Pautz. Der Aufbau und Betrieb des Reaktors bieten hierfür ideale Bedingungen.
Schweiz fördert Forschung trotz Verboten
Obwohl die schweizerische Politik den Bau neuer kommerzieller Kernkraftwerke verbietet, unterstützt sie die Forschung und Entwicklung im Bereich der Kernenergie. Damit will die Schweiz wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen und gleichzeitig die strengen nationalen und internationalen Sicherheitsstandards erfüllen. Momentan befinden sich in der Schweiz vier Atomreaktoren an drei verschiedenen Standorten in Betrieb. Darunter ein Siedewasserreaktor, der laut Global 2000 als besonders unsicher gilt. Einige dieser Anlagen wurden in den 1970er Jahren errichtet und trugen 2022 mit 36,4 Prozent zur schweizerischen Stromproduktion bei.
Versuchsreaktor ebnet Weg für zukünftige Energielösungen
Die Erkenntnisse aus dem ersten experimentellen Atomreaktor der Schweiz könnten weitreichende Implikationen haben, von der Bereitstellung CO2-freier Wärme bis hin zur Produktion von Wasserstoff. Der flexible Betrieb des Reaktors könnte außerdem eine wichtige Rolle in einem zukünftigen Energiemix spielen, der verstärkt auf erneuerbare Quellen setzt.
Was du dir merken solltest:
- Das Paul-Scherrer-Institut baut trotz Kernkraftverbot in der Schweiz einen modularen Atomreaktor.
- Der innovative Flüssigsalzreaktor soll auch unter extremen Bedingungen sicher funktionieren und internationale Sicherheitsstandards erfüllen.
- Das Projekt fördert die Ausbildung in der Nuklearbranche und könnte zukünftig zur CO2-freien Energieproduktion beitragen.
Bild: © Copenhagen Atomics
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