Golfball-Dellen für die Tiefe: Klügere Steuerung für Unterwasser-Fahrzeuge

Eine Golfball-ähnliche Hülle senkt den Strömungswiderstand von Unterwasser-Fahrzeugen um bis zu 50 Prozent und ermöglicht präzise Steuerung ohne Düsen.

Golfball inspiriert Unterwasser-Fahrzeuge.

Durch gezielte Dellen auf nur einer Seite erzeugt das Unterwasser-Fahrzeug Auftriebskräfte, die eine präzise Steuerung ohne Düsen ermöglichen – vergleichbar mit dem Magnus-Effekt, aber ganz ohne Rotation. (Symbolbild) © DALL-E

Unterwasser-Fahrzeuge haben ein Problem: Sie verbrauchen viel Energie, sind schwer zu steuern und stoßen schnell an ihre Grenzen – besonders dort, wo wenig Platz ist und präzises Manövrieren gefragt ist. Eine neue Technik könnte das ändern. An der University of Michigan haben Ingenieure ein kugelförmiges Fahrzeug entwickelt, das seine Oberfläche blitzschnell verändert. Inspiriert wurde es von einem überraschenden Vorbild: dem Golfball.

Golfbälle fliegen weiter als glatte Bälle, weil ihre Dellen den Luftwiderstand deutlich senken. Genau dieses Prinzip nutzen die Forscher jetzt unter Wasser. „Eine programmierbare Außenhaut kann den Widerstand minimieren und klassische Steuerflächen wie Flossen oder Ruder ersetzen“, sagte Projektleiterin Anchal Sareen. Für die Fortbewegung unter Wasser bedeutet das: mehr Kontrolle, weniger Energieverbrauch und eine Technik, die auch an schwer erreichbaren Orten funktioniert.

Mit einem Knopfdruck 50 Prozent weniger Widerstand

Der Prototyp funktioniert verblüffend einfach: Eine dünne Latexhaut spannt sich über eine Kugel mit kleinen Löchern. Wird Luft aus dem Inneren abgesaugt, zieht sich das Material in die Löcher zurück und Dellen entstehen. Wird der Druck normalisiert, glättet sich die Kugel wieder. Alles lässt sich millimetergenau steuern, abhängig von Strömung und Geschwindigkeit.

Das Team testete die Technik im Windkanal. Die Kugel wurde von verschiedenen Luftströmen getroffen, während Messgeräte den Widerstand erfassten. Gleichzeitig sprühte das Team winzige Partikel in die Strömung und filmte, wie sie sich um die Kugel bewegten: So wurden selbst kleinste Unterschiede sichtbar.

Rodrigo Vilumbrales-Garcia bereitet den Windkanal für Experimente mit der 3D-gedruckten Kugel vor. © Jeremy Little, Michigan Engineering
Rodrigo Vilumbrales-Garcia bereitet den Windkanal für Experimente mit der 3D-gedruckten Kugel vor. © Jeremy Little, Michigan Engineering

Die Ergebnisse waren deutlich. Bei langsamer Strömung wirkten tiefere Dellen besonders gut, bei hoher Geschwindigkeit reichten flachere. In jedem Fall sank der Widerstand um bis zu 50 Prozent – das bedeutet weniger Energieverbrauch, längere Einsatzzeiten und größere Reichweiten.

Rodrigo Vilumbrales-Garcia, Mitentwickler der Technik, erklärt: „Unsere Hülle passt sich selbst an. Sie spürt, wie stark der Luft- oder Wasserstrom ist, und verändert die Oberfläche automatisch.“ Für unbemannte Fahrzeuge, etwa bei Tiefsee-Erkundungen oder Pipeline-Kontrollen, wäre das ein enormer Vorteil.

Kleine Dellen, große Steuerungsmöglichkeiten

Noch spannender wird es beim Thema Steuerung. Denn die Oberfläche kann mehr als nur den Widerstand senken – sie kann gezielt Kräfte erzeugen, die das Fahrzeug lenken. Dafür wird nur eine Seite der Kugel mit Dellen versehen, die andere bleibt glatt. Der Effekt: Der Wasserstrom wird ungleichmäßig abgelenkt, und die Kugel bewegt sich in Richtung der Dellen.

Steuern funktioniert dann ohne zusätzliche Düsen, ohne Flossen, allein durch die kluge Oberfläche. „Dellen rechts bedeuten Bewegung nach rechts, Dellen links bedeuten Bewegung nach links“, erklärt Sareen. Die Steuerung ist präzise, schnell und spart Platz.

Meilenstein für Unterwasser-Fahrzeuge

Im nächsten Versuch testete das Team eine halbdellige Kugel. Sie erzeugte Auftriebskräfte, die 80 Prozent der Bremskraft entsprachen, ein Wert, der sonst nur mit rotierenden Körpern erreichbar ist. Das System arbeitet also ähnlich wie der bekannte Magnus-Effekt, kommt aber ganz ohne Bewegung aus.

Putu Brahmanda Sudarsana, Mitautor der Studie, war erstaunt: „Ich hätte nicht gedacht, dass so eine einfache Lösung so viel bewirken kann.“ Für kleine Unterwasser-Roboter, die in engen Schiffsräumen, verstopften Rohren oder unübersichtlichen Küstengewässern arbeiten, sei das ein Durchbruch.

Putu Brahmanda Sudarsana kalibriert die verformbare Kugel im Hydrodynamiklabor der University of Michigan. © Jeremy Little, Michigan Engineering
Putu Brahmanda Sudarsana kalibriert die verformbare Kugel im Hydrodynamiklabor der University of Michigan. © Jeremy Little, Michigan Engineering

Kleine U-Boote könnten bald ganz anders aussehen

Bisher brauchen solche Fahrzeuge mehrere Motoren, um überhaupt steuerbar zu sein. Die neue Oberfläche ersetzt viele davon und macht die Geräte leichter, sparsamer und einfacher zu bauen. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von Katastrophenschutz bis Meeresforschung.

Sareen sieht das große Potenzial der Technik: „Unsere intelligente Außenhaut ist leicht, anpassbar und energieeffizient. Sie reagiert sofort auf Strömungsveränderungen und könnte in Zukunft Unterwasser-Fahrzeuge und Drohnen ganz neu denken lassen.“ Der nächste Schritt: Zusammenarbeit mit Spezialisten für smarte Materialien, um die Technik in die Praxis zu bringen.

Flinke Noppen: Agile Unterwasserfahrzeuge, inspiriert von Golfbällen, könnten bald Aussehen und Fortbewegungsart von Unterwasser-Fahrzeugen revolutionieren. © YouTube

Kurz zusammengefasst:

  • Unterwasser-Fahrzeuge mit einer Golfball-ähnlichen Hülle können ihren Strömungswiderstand um bis zu 50 Prozent senken, indem sie ihre Oberfläche aktiv zwischen glatt und dellig umstellen.
  • Die adaptive Oberfläche ermöglicht präzises Steuern ganz ohne Flossen oder Düsen, da gezielt Dellen auf einer Seite Kräfte erzeugen, die das Fahrzeug in die gewünschte Richtung lenken.
  • Die Technik spart Energie, reduziert Bauteile und verbessert die Manövrierfähigkeit deutlich, was besonders für kompakte Roboter in engen oder schwer zugänglichen Umgebungen relevant ist.

Übrigens: Auch aus dem All werden unsere Meere erforscht. Der norwegische Mini-Satellit HYPSO-2 entdeckt gefährliche Algenblüten, scannt Meere in Echtzeit und ergänzt präzise die Technik smarter Unterwasser-Fahrzeuge. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild:  © DALL-E

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