Teures Laden unterwegs hat ein Ende – Stromvertrag gilt jetzt auch fürs E-Auto
Schluss mit komplizierten Preisen an Ladesäulen: Wer ein E-Auto fährt, kann ab sofort seinen Stromvertrag unterwegs nutzen.

E-Auto-Fahrer können künftig ihren Stromvertrag an öffentlichen Ladesäulen in ganz Deutschland nutzen. © Unsplash
Wer mit dem E-Auto unterwegs ist, kennt das Problem: An jeder Ladesäule gelten andere Preise, oft auch andere Anbieter. Ein echter Tarifdschungel, der vielen die Freude am elektrischen Fahren raubt. Doch ein neues Modell bringt jetzt Klarheit – und ein großes Stück Freiheit. Erstmals lässt sich der eigene Stromvertrag fürs E-Auto an öffentlichen Ladesäulen in ganz Deutschland nutzen. Möglich macht das ein Forschungsprojekt unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO).
Im Rahmen des Projekts BANULA wurde ein Abrechnungssystem entwickelt, das es erlaubt, den eigenen Stromtarif – inklusive selbst erzeugtem Solarstrom – mit an die Ladesäule zu bringen. Das klingt schlicht, ist aber technisch hochkomplex. Bislang funktionierte Laden unterwegs fast ausschließlich über sogenanntes Roaming. Dabei konnten E-Auto-Fahrer zwar an vielen Säulen Strom zapfen, aber nur zu den Preisen des jeweiligen Anbieters vor Ort. Den eigenen Stromvertrag konnte man bisher nicht mitnehmen.
Eigener Strom, eigener Tarif – auch unterwegs
„Als E-Mobilist nützt es mir nichts, wenn ich die Vorteile des Konzepts nur regional begrenzt oder gar nur an einem Standort nutzen kann“, erklärt Dr. Daniel Stetter vom Fraunhofer IAO. „Erst, wenn das Konzept bundesweit nutzbar ist, können E-Mobilisten von zu erwartenden niedrigeren Ladekosten profitieren.“ Genau das ist jetzt möglich. Nach erfolgreichem Test im Südwesten (Regelzone TransnetBW) wurde das Modell nun auch in einem zweiten Netzgebiet – bei Amprion – umgesetzt. Die bundesweite Anwendung ist damit keine Zukunftsmusik mehr.
Ladesäulen sprechen die Sprache des Stromvertrags
Ein erstes Beispiel für diese neue Technik steht in Harthausen, Rheinland-Pfalz. Auf dem Firmengelände der OLI Systems GmbH hat man dort eine Ladesäule aufgestellt, die den mitgebrachten Stromvertrag fürs E-Auto erkennt. „Mit dem Durchleitungsmodell holen wir die Stromwahlfreiheit ins Zeitalter der Elektromobilität“, sagt Dr. Ole Langniß, Geschäftsführer von OLI Systems. Und weiter: „Nutzerinnen und Nutzer können ihren Fahrstromtarif selbst bestimmen – unabhängig vom Standort und mit voller Transparenz über Preis und Herkunft.“
Das ist nicht nur bequem, sondern stärkt auch die Position der Kunden. Wer zum Beispiel zuhause Ökostrom bezieht, kann auch unterwegs mit diesem Stromtarif laden – und so aktiv entscheiden, woher die Energie stammt.
Technik im Hintergrund: Was steckt dahinter?
Möglich wird das durch sogenannte Virtuelle Bilanzierungsgebiete. Dahinter verbirgt sich ein Modell, das von der Bundesnetzagentur definiert wurde. Es erlaubt, Stromflüsse rechnerisch zuzuordnen – unabhängig vom Ort, an dem der Strom tatsächlich eingespeist oder entnommen wird. Die OLI Systems GmbH betreibt solche virtuellen Gebiete im Auftrag des Projekts bereits in drei der vier deutschen Regelzonen.
Das Fraunhofer IAO sieht darin den zentralen Hebel, um das neue Abrechnungsmodell schnell in die Fläche zu bringen. Ladeinfrastrukturanbieter können durch klar definierte Prozesse einfach in das System einsteigen. Sie profitieren dabei vom bestehenden Betrieb und einem durchdachten Onboarding – alles ist vorbereitet.
Ein Modell mit Potenzial für Millionen Fahrer
Das Projekt BANULA – der Name steht für „barrierefreie und nutzerfreundliche Lademöglichkeiten“ – will die Elektromobilität für Menschen einfacher und günstiger machen. Mit dem neuen Durchleitungsmodell könnten Millionen E-Auto-Fahrer bald in ganz Deutschland mit ihrem eigenen Tarif laden – statt sich bei jeder Reise neu orientieren zu müssen. Das Fraunhofer IAO macht damit einen weiteren Schritt in Richtung digitaler Energiefreiheit.
Kurz zusammengefasst:
- Das Projekt BANULA ermöglicht es erstmals, den eigenen Stromvertrag fürs E-Auto bundesweit an öffentlichen Ladesäulen zu nutzen.
- Das Fraunhofer IAO hat dafür ein neues Abrechnungsmodell entwickelt, das Preis und Herkunft des Stroms standortunabhängig transparent macht.
- Grundlage dafür sind sogenannte Virtuelle Bilanzierungsgebiete, die Stromflüsse rechnerisch zuordnen.
Übrigens: Auch wenn sich elektrisches Fahren immer größerer Beliebtheit erfreut, verliert das Auto in Deutschland an Bedeutung. Immer mehr Menschen steigen auf Rad, Bus und Bahn um. Warum dieser Wandel auch mit dem Homeoffice zusammenhängt, erklärt unser Artikel.
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