Der Klimawandel beeinflusst sogar die Zeit: Schmelzende Pole lassen die Erde langsamer rotieren

Der Klimawandel beeinflusst die Erdrotation und könnte die Zeitmessung verändern, indem er die Notwendigkeit für Schaltsekunden verzögert.

Schmelzendes Polareis

Das Schmelzen des Polareises und die Verlagerung der Masse zum Äquator verlangsamen die Erdrotation. © Wikimedia

Der Klimawandel bewirkt weit mehr als nur steigende Temperaturen und schmelzende Eiskappen; er beginnt sogar, die Art und Weise, wie wir die Zeit messen, zu beeinflussen.

Eine kürzlich in Nature veröffentlichte Studie wirft ein neues Licht auf die Auswirkungen globaler Erwärmung. Ihre Erkenntnis: Das Schmelzen der Polkappen verlangsamt die Rotation unseres Planeten. Diese Veränderung könnte Konsequenzen für die Zeitmessung und die Funktionsweise unserer Computersysteme haben.

Seit 1972 fügen Wissenschaftler gelegentlich eine sogenannte „Schaltsekunde“ zum offiziellen Zeitmaß hinzu, um es mit der variablen Geschwindigkeit der Erdrotation abzustimmen. Doch nun könnte die nächste erforderliche Anpassung durch die Verlangsamung der Erdrotation um drei Jahre verzögert werden. Statt im Jahr 2026, wie zunächst angenommen, soll die negative Schaltsekunde erst 2029 eingeführt werden. Duncan Agnew, Geophysiker am Scripps Institution of Oceanography, bemerkt dazu: „Genug Eis ist geschmolzen, um den Meeresspiegel so zu verändern, dass wir tatsächlich sehen können, wie die Rotationsgeschwindigkeit der Erde beeinflusst wird.“

Wie der Klimawandel die Erdrotation und Zeitmessung beeinflusst

Die Vorstellung, dass menschliches Handeln – durch die Freisetzung von Treibhausgasen und die daraus resultierende globale Erwärmung – die Rotation unseres Planeten und somit die Zeitmessung beeinflussen könnte, mag zunächst surreal erscheinen. Doch die Daten sind eindeutig: Seit den frühen 1990er Jahren hat das Schmelzen der Eismassen Grönlands und der Antarktis dazu geführt, dass die Erde weniger kugelförmig und mehr abgeflacht ist, was die Rotation verlangsamt. Vergleichbar mit einer Eiskunstläuferin, die ihre Arme ausstreckt und dadurch langsamer wird, verlangsamt auch der Wassertransfer von den Polen zum Äquator die Rotation der Erde.

Diese Verlangsamung hat direkte Auswirkungen auf die Zeitmessung. Atomuhren, die seit 1967 die offizielle Zeit definieren, sind zwar über Millionen von Jahren stabil, aber die natürliche Tageslänge der Erde variiert. Um UTC (Coordinated Universal Time = koordinierte Weltzeit) und Erdrotation in Einklang zu bringen, werden Schaltsekunden eingeführt. Die mögliche Notwendigkeit, eine negative Schaltsekunde einzuführen, also eine Sekunde zu überspringen, stellt eine besondere Herausforderung dar. „Wir wissen nicht, wie wir mit dem Fehlen einer Sekunde umgehen sollen“, gibt Felicitas Arias, ehemalige Direktorin des Internationalen Büros für Maß und Gewicht (BIPM), zu bedenken.

Auswirkungen der Zeitmessungsänderung auf Technologie und Gesellschaft

Neben den technischen Herausforderungen birgt die Veränderung der Zeitmessung auch praktische Probleme für die globale Koordination. Von der Navigationssoftware bis hin zu Finanzmärkten, die auf Millisekunden genaue Zeitstempel erfordern, könnte jede Abweichung in der Zeitmessung zu Fehlern und Ausfällen führen. Elizabeth Donley vom US National Institute of Standards and Technology betont, dass eine negative Schaltsekunde noch nie vorgekommen ist und nicht in bestehende Computerprogramme integriert ist, was zu erheblichen Problemen führen könnte.

Die Verschiebung der Schaltsekunde durch den Klimawandel unterstreicht die weitreichenden Auswirkungen menschlichen Handelns auf unseren Planeten. „Menschliche Aktivitäten haben einen tiefgreifenden Einfluss auf den Klimawandel. Die Verschiebung einer Schaltsekunde ist nur ein weiteres Beispiel dafür“, merkt Jianli Chen, Geophysiker an der Hong Kong Polytechnic University, an.

Klimawandel und Zeit: Eine Verbindung mit weitreichenden Konsequenzen

Die Erkenntnisse aus Agnews Analyse und die daraus resultierenden Diskussionen bieten eine einzigartige Perspektive auf die Beziehung zwischen Klimawandel und Zeitmessung. Sie erinnern uns daran, dass unsere Einwirkung auf die Erde nicht nur ökologische, sondern auch fundamentale physikalische Veränderungen mit sich bringt, die bis in die Struktur unseres Alltagslebens reichen. Es ist eine starke Erinnerung daran, dass der Kampf gegen den Klimawandel nicht nur eine Frage der Umwelt ist, sondern auch eine, die die Grundlagen dessen berührt, wie wir leben, arbeiten und die Welt um uns herum organisieren.

Was du dir merken solltest:

  • Klimawandel verlangsamt die Erdrotation, verschiebt dadurch die Notwendigkeit für Schaltsekunden und beeinflusst unsere Zeitmessung.
  • Die Veränderung in der Zeitmessung birgt technische und praktische Herausforderungen, insbesondere bei der Einführung einer bisher unvorhergesehenen negativen Schaltsekunde.
  • Diese Entwicklung zeigt den tiefgreifenden Einfluss menschlichen Handelns auf den Planeten und betont die Bedeutung des Klimawandels für unseren Alltag.

Bild: © Andrew Shiva via Wikimedia unter CC4-Lizenz

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