40.000 Kinder betroffen – Bayerns verpflichtender Deutsch-Sprachtest sorgt für Kritik
Bayern führt eine Sprachtest-Pflicht für Vorschulkinder ein. Doch Kita-Fachkräfte warnen: Das könnte mehr schaden als helfen.
Ab März 2025 gelten in Bayern neue Regeln für Kinder, die bald in die Schule gehen werden. Ein verpflichtender Sprachtest soll sicherstellen, dass alle Schulanfänger ausreichend Deutsch sprechen können. Bislang wurden solche Tests nur in Kitas durchgeführt, doch künftig müssen auch Kinder daran teilnehmen, die keine Kita besuchen. Die Maßnahme soll helfen, Sprachdefizite frühzeitig zu erkennen und gezielt zu fördern. Doch nicht alle sind überzeugt: Kita-Fachkräfte kritisieren den zusätzlichen Aufwand und warnen vor möglichen Nachteilen für Kinder.
Wann und für wen gilt die neue Regelung?
Der Sprachtest findet laut BR eineinhalb Jahre vor der Einschulung statt. Das bedeutet: Kinder, die im Jahr 2026 in die erste Klasse kommen, werden bereits 2025 getestet. Zuständig für die Organisation sind die Grundschulen im jeweiligen Wohnbezirk. Die Eltern erhalten spätestens im Februar 2025 eine Einladung mit allen wichtigen Informationen.
Nicht alle Kinder müssen an diesem Test teilnehmen. Wer eine staatlich geförderte Kita besucht und dort bereits getestet wurde, kann sich eine Befreiung ausstellen lassen. Auch Kinder, die eine heilpädagogische Tagesstätte oder eine spezielle vorschulische Einrichtung besuchen, sind ausgenommen – allerdings nur mit einer schriftlichen Bestätigung der Einrichtung. Zielgruppe für die neuen Sprachtests sind rund 40.000 Kinder pro Jahr.
Wie läuft der Sprachtest ab?
Die Tests finden direkt an den Grundschulen statt, an denen die Kinder später eingeschult werden. Durchgeführt werden sie von Grundschullehrkräften oder Schulpsychologen. Das Verfahren heißt „Bayerisches Sprachscreening des individuellen Sprachförderbedarfs (BaSiS)“ und wurde wissenschaftlich entwickelt. Der Test soll etwa 30 Minuten dauern. Die Eltern dürfen währenddessen anwesend sein.
Das Ziel ist, den Sprachstand der Kinder altersgerecht zu überprüfen. Dabei wird unter anderem beobachtet, wie gut sie Sätze verstehen, Wörter bilden und sich ausdrücken können. Innerhalb einer Woche werden die Ergebnisse an die Eltern weitergegeben. Sollte ein erhöhter Förderbedarf festgestellt werden, gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Unterstützung.
Was passiert, wenn ein Kind den Test nicht besteht?
Wenn festgestellt wird, dass ein Kind noch Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache hat, wird ihm eine gezielte Förderung empfohlen. Dazu gehören sogenannte „Vorkurse Deutsch“, die in Kitas oder anderen Bildungseinrichtungen stattfinden. Eine Verpflichtung zur Teilnahme gibt es allerdings nicht für Kinder, die aufgrund einer Behinderung oder eines besonderen Förderbedarfs Schwierigkeiten haben.
Die meisten Kinder werden den Test vermutlich problemlos bestehen. Laut dem BR sind bereits über 90 Prozent der Kinder in Bayern in einer staatlich geförderten Kita, wo ihre Sprachfähigkeiten schon jetzt überprüft werden.
Kritik: Kita-Fachkräfte warnen vor unnötigem Stress
Nicht alle halten die verpflichtenden Sprachtests für eine gute Idee. Kita-Fachkräfte betonen, dass Sprachförderung bereits in vielen Einrichtungen stattfindet. Kathrin Bauer, Fachberaterin im Bundesprogramm „Sprach-Kitas“, erklärt gegenüber dem BR: „Die Tests klingen für die Öffentlichkeit gut. Aber der Sprachstand der Kinder wird längst erfasst.“ Ihrer Meinung nach sind kontinuierliche Beobachtungen durch Erzieher sinnvoller als einmalige Tests.
Ein weiteres Problem sehen Kritiker in der Organisation: Kitas müssen Eltern informieren, Dokumente ausstellen und Kinder in Förderprogramme einteilen. Anita Loider von der Augsburger Elterninitiative „Kindernest“ kritisiert den zusätzlichen Aufwand:
Diese Aufgaben sollen mit den bestehenden Ressourcen bewältigt werden, obwohl wir längst an der Belastungsgrenze arbeiten.
Anita Loider
Testumgebung könnte Ergebnisse verfälschen
Ein häufiger Kritikpunkt betrifft auch die Testumgebung. Viele Kinder fühlen sich in ihrer Kita sicher und kennen ihre Erzieher gut. In einer fremden Schule hingegen können sie sich unwohl fühlen – besonders, wenn sie dort von unbekannten Lehrkräften getestet werden. Fachkräfte befürchten, dass manche Kinder vor lauter Aufregung schlechter abschneiden als unter normalen Bedingungen.
„In ungewohnter Umgebung kann es bei Tests durch Fremde zu Verweigerungshaltungen kommen“, sagt Loider. „Diese emotionalen Reaktionen könnten falsch interpretiert werden und dazu führen, dass Kinder in Fördermaßnahmen eingestuft werden, die sie eigentlich nicht brauchen.“
Alternativen zur Sprachförderung
Die Bayerische Staatsregierung hält die verpflichtenden Sprachtests für notwendig, um sicherzustellen, dass kein Kind mit unzureichenden Deutschkenntnissen eingeschult wird. Kritiker halten dagegen, dass andere Maßnahmen sinnvoller wären.
Kinder lernen sprechen, indem man mit ihnen spricht. Was wir brauchen, ist mehr Zeit, mehr Personal und bessere Bedingungen in den Kitas, keine zusätzlichen Tests.
Kathrin Bauer
Kurz zusammengefasst:
- Ab März 2025 müssen Kinder in Bayern eineinhalb Jahre vor der Einschulung einen verpflichtenden Sprachtest absolvieren, um sicherzustellen, dass sie ausreichende Deutschkenntnisse haben.
- Die Tests finden in den Grundschulen statt und dauern etwa 30 Minuten. Kinder, die bereits in einer staatlich geförderten Kita getestet wurden, können sich befreien lassen.
- Während die Staatsregierung die Maßnahme als notwendige Förderung sieht, kritisieren Kita-Fachkräfte den zusätzlichen organisatorischen Aufwand und warnen vor möglichen Fehlbewertungen durch Teststress.
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