Schluss mit Sucht: Wie Cannabis den Opioid-Teufelskreis endlich stoppen könnte
US-Forscher entwickeln neuartigen Wirkstoff aus Cannabis ohne berauschenden Zustand und ohne Suchtpotenzial.

Ein neuer Cannabis-Wirkstoff könnte eine sichere Alternative bieten und die Lebensqualität von Millionen chronisch Schmerzgeplagten verbessern. © Pexels
Opioide machen abhängig, kosten jedes Jahr Tausende Menschen das Leben – und dennoch gelten sie für viele chronisch Schmerzgeplagte als letzte Hoffnung. Eine neue Studie zeigt nun einen möglichen Ausweg. Forscher der Washington University und der Stanford University haben ein Molekül entwickelt, das die schmerzlindernde Wirkung von Cannabis nutzt – ohne die Rauschzustände und Suchtgefahr klassischer Opioide.
Cannabis-Schmerztherapie könnte Opioide überflüssig machen
Allein in den USA leben rund 50 Millionen Menschen mit chronischen Schmerzen. Viele von ihnen erhalten Opioide – obwohl das Suchtpotenzial enorm ist. Laut offiziellen Zahlen starben im Jahr 2022 etwa 82.000 Menschen in den USA durch eine Überdosis. Der neue Cannabis-Wirkstoff könnte diesen Teufelskreis für Schmerzpatienten durchbrechen. „Menschen nutzen Cannabis seit Jahrtausenden gegen Schmerzen“, sagt Co-Autor Robert Gereau vom Pain Center der Washington University. „Doch der Rausch verhindert eine breite medizinische Anwendung.“ Genau dieses Problem hat das Team jetzt gelöst.
Cannabis-Wirkung ganz ohne Rausch
„Wir brauchen dringend sichere Alternativen zu Opioiden“, sagt Studienleiter Susruta Majumdar. Seit 15 Jahren arbeitet sein Forschungsteam daran, genau das zu erreichen. Jetzt ist es gelungen: Ein Wirkstoff, abgeleitet aus der Cannabispflanze, bindet sich gezielt an Schmerzrezeptoren im Körper – kann aber das Gehirn nicht erreichen. Die Folge: keine Abhängigkeit, kein Rausch, keine psychischen Nebenwirkungen. Möglich macht das eine raffinierte chemische Veränderung: Der Wirkstoff wurde mit einer positiven Ladung ausgestattet – dadurch kann er die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden. Er dockt zwar an denselben Rezeptoren an wie klassische Cannabinoide, bleibt aber außerhalb des Gehirns. Das Ergebnis: gezielte Schmerzlinderung – ohne die sonst typischen psychoaktiven Effekte.
Erfolgreiche Tests bei Nervenschmerz und Migräne
Getestet wurde der Wirkstoff an Mäusen mit Nervenschmerzen und Migräne-ähnlichen Symptomen. Das Ergebnis: Nach der Behandlung reagierten die Tiere nicht mehr überempfindlich auf Berührungen. Und auch nach neun Tagen zweimal täglicher Anwendung blieb die Wirkung stabil – ohne dass sich eine Toleranz entwickelte, wie es bei Opioiden oft der Fall ist.
Ein Wirkstoff mit Potenzial – und vielen Hoffnungen
Der Trick hinter der Langzeitwirkung liegt in einem winzigen, bislang übersehenen Detail: Forscher an der Stanford University entdeckten mithilfe von Computermodellen eine Art „geheime Tasche“ am CB1-Rezeptor – einem typischen Andockpunkt für Cannabinoide. Dieses selten zugängliche Areal öffnet sich nur kurzzeitig – und genau dort kann der neue Wirkstoff andocken. Die Folge: Eine deutlich schwächere Aktivierung von Signalwegen, die normalerweise zur Toleranzentwicklung führen. „Solche Moleküle zu entwickeln, ist extrem herausfordernd“, betont Studienleiter Majumdar. Derzeit arbeiten die Forscher daran, den Wirkstoff weiterzuentwickeln – mit dem Ziel, eine orale Version für klinische Studien zu schaffen.
Durchbruch für Millionen Betroffene: Keine Sucht, keine Toleranz, kein Rausch
Die veröffentlichte Studie zeigt: Schmerztherapie muss nicht zwangsläufig abhängig machen. Das neue Molekül, intern VIP36 genannt, zeigt in mehreren Mausmodellen eine starke Wirkung – und bietet einen 100-fachen Unterschied zwischen wirksamer Dosis und Nebenwirkungen.
Das Potenzial ist enorm: Chronische Schmerzen betreffen nicht nur ältere Menschen, sondern auch viele Jüngere – etwa mit Migräne, Rheuma oder Nervenschäden. Ein nicht-süchtigmachendes Cannabis-Schmerzmittel könnte für die Schmerzpatienten eine völlig neue Lebensqualität eröffnen.
Kurz zusammengefasst:
- Forscher haben ein Cannabis-Molekül entwickelt, das gezielt Schmerzen lindert – ohne die Nebenwirkungen und Suchtgefahr herkömmlicher Opioide.
- Der neue Wirkstoff zeigte in Tests an Mäusen eine langanhaltende Schmerzlinderung, ohne dass sich eine Toleranz entwickelte – eine echte Alternative zu opioiden Schmerzmitteln.
- Durch das gezielte Ansprechen von Schmerzrezeptoren im Körper könnte dieser innovative Wirkstoff Millionen von Menschen mit chronischen Schmerzen eine sichere, nicht-süchtigmachende Behandlungsoption bieten.
Übrigens: Nicht nur in der Behandlung chronischer Schmerzen stellt Cannabis eine alternative Methode dar. Auch in der Therapie von Depressionen könnte es eine vielversprechende Lösung bieten – mehr dazu in unserem Artikel.
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