Lancet-Prognose für 2030: Wenn Jugendliche krank, arm und überfordert aufwachsen
Bis 2030 könnten laut Lancet über 1 Milliarde Jugendliche unter vermeidbaren Krankheiten, Armut und psychischen Belastungen leiden.

Klimawandel, Armut und digitaler Druck – eine toxische Mischung für die Jugend von heute. © Pexels
The Lancet ist eine der ältesten und angesehensten Fachzeitschriften der Welt. Sie erscheint wöchentlich in Großbritannien. Neben wissenschaftlichen Studien veröffentlicht The Lancet auch sogenannte Kommissionsberichte – umfangreiche Analysen zu großen gesundheitlichen Fragen. Eine davon beschäftigt sich mit dem Gesundheitszustand von Kindern und Jugendlichen. Genauer gesagt: mit ihrer Zukunft im Jahr 2030.
Und diese Zukunft sieht düster aus. In nur fünf Jahren werden weltweit fast eine halbe Milliarde junge Menschen fettleibig oder übergewichtig sein. Über eine Milliarde Kinder und Jugendliche könnten zudem unter vermeidbaren Krankheiten leiden – darunter Depressionen, Mangelernährung, HIV/Aids oder chronische Beschwerden.
Zugleich wachsen die 10- bis 24-Jährigen in einer Welt auf, die sich rasant verändert: Sie erleben die Folgen der Klimakrise, politische Instabilität und massive wirtschaftliche Unsicherheiten. Und sie sind die erste Generation, die mit dem dauerhaften Einfluss digitaler Technologien und sozialer Medien lebt – oft ohne Schutz oder klare Regeln.
Lancet prognostiziert Kinder-Gesundheit im Jahr 2030 – Übergewicht und Depressionen nehmen dramatisch zu
Der Bericht zeigt, dass vor allem in einkommensstarken Ländern, aber auch in Lateinamerika, Nordafrika und dem Nahen Osten der Anteil übergewichtiger Jugendlicher besonders hoch ist. Bereits jetzt ist dort mehr als ein Drittel der jungen Menschen betroffen – Tendenz steigend. Bis 2030 könnten weltweit 464 Millionen Jugendliche übergewichtig oder adipös sein.
Auch die psychische Gesundheit bereitet Sorgen: Die Corona-Pandemie hat depressive Symptome, Ängste und soziale Isolation verstärkt. Doch das Problem geht weit darüber hinaus. Werbung, Schönheitsideale und sozialer Druck über digitale Kanäle setzen junge Menschen zusätzlich unter Stress. Und viele Betroffene erhalten keine angemessene Hilfe.
Viele leben in Krisenregionen – ohne Perspektive
Die Zahlen sind alarmierend: Schon in wenigen Jahren wird etwa die Hälfte aller Jugendlichen in Ländern leben, in denen vermeidbare Gesundheitsprobleme zum Alltag gehören. Armut, Gewalt, schlechte Ernährung, frühe Schwangerschaften oder fehlender Zugang zu Gesundheitsdiensten sind dort an der Tagesordnung.
Dazu kommt: Die Klimakrise trifft junge Menschen besonders hart. Sie sind es, die mit der Erderwärmung leben müssen – und mit den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen. Der Bericht geht davon aus, dass im Jahr 2100 rund 1,8 Milliarden Jugendliche auf der Erde leben werden – in einer Welt, die im Durchschnitt um 2,8 Grad wärmer ist als heute. In Afrika wird dann fast jeder zweite Jugendliche zu Hause sein.
Internationale Unterstützung bricht weg – USA ziehen sich zurück
Gleichzeitig geraten globale Gesundheitsprogramme unter Druck. Besonders in den USA wurden wichtige Förderungen gestrichen. So wurde etwa im März 2025 das einzige HIV-Forschungsnetzwerk für 13- bis 24-Jährige geschlossen. Auch der Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und dem Pariser Klimaabkommen hat Auswirkungen auf die Versorgung junger Menschen weltweit.
Die Lancet-Kommission warnt ausdrücklich: „Ohne politischen Willen, gezielte politische Maßnahmen und finanzielle Investitionen werden große Teile der jungen Generation in schlechter Gesundheit aufwachsen.“ Die Verantwortlichen fordern daher eine Kehrtwende – und zwar jetzt.
Jugendliche fordern Mitsprache – und liefern Ideen
Positiv fällt auf: Jugendliche selbst haben aktiv an dem Bericht mitgewirkt. Im sogenannten „Youth Solution Lab“ entwickelten 122 junge Menschen aus aller Welt fünf zentrale Handlungsfelder. Ihre Vorschläge reichen von besserem Zugang zu Bildung über mehr Klima- und Umweltschutz bis hin zu einer besseren Versorgung in der psychischen Gesundheitsfürsorge.
„Die Gesundheit und das Wohlbefinden von Jugendlichen weltweit stehen an einem Kipppunkt“, sagt Prof. Sarah Baird, Co-Vorsitzende der Kommission laut dem britischen Guardian. „In junge Menschen zu investieren, ist entscheidend, um unsere gemeinsame Zukunft zu sichern.“ Unterstützung erhält sie von Dr. Anshu Banerjee von der WHO: „Ob es um Kinderehen, Übergewicht oder die psychische Gesundheit geht – wir müssen uns allen alten und neuen Gefahren stellen.“
Die Zeit drängt – aber Hoffnung bleibt
Der Bericht fordert deshalb, zentrale Gesundheitsdaten künftig jährlich zu erheben, um Regierungen und Organisationen zur Rechenschaft zu ziehen. Denn trotz aller Herausforderungen gibt es Handlungsspielräume – und viele Jugendliche sind bereit, sich einzubringen.
Kurz zusammengefasst:
- Laut Lancet-Kommission könnten im Jahr 2030 rund 464 Millionen Jugendliche weltweit übergewichtig oder fettleibig sein.
- Mehr als eine Milliarde junge Menschen werden voraussichtlich unter vermeidbaren Erkrankungen wie Depressionen, Mangelernährung oder chronischen Beschwerden leiden.
- Klimakrise, Armut, politische Instabilität und die wachsende Belastung durch soziale Medien verschärfen die gesundheitliche Lage junger Menschen weltweit.
Übrigens: Bauchfett verändert nicht nur den Körper – sondern auch das jugendliche Gehirn. Neue Daten zeigen, dass bestimmte Hirnregionen bei Jugendlichen mit zu viel Bauchfett deutlich größer sind – besonders jene, die Gefühle und Erinnerungen steuern. Mehr dazu in unserem Artikel.
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