Schilddrüsenstörung in der Schwangerschaft erhöht Risiko für Autismus
Eine anhaltende Störung der Schilddrüsenhormone in der Schwangerschaft kann das Autismusrisiko des Kindes deutlich erhöhen. Regelmäßige Kontrollen helfen, das Risiko zu verringern.
Wenn die Schilddrüse in der Schwangerschaft aus dem Gleichgewicht gerät, kann das die Gehirnentwicklung des Babys beeinflussen und laut neuer Forschung sogar mit einem höheren Autismusrisiko verbunden sein. © Unsplash
Eine Schwangerschaft bringt den Körper an seine Grenzen. Auch die Schilddrüse muss dabei mehr leisten – sie produziert in dieser Zeit mehr Hormone, steuert den Stoffwechsel der Mutter und liefert Botenstoffe, die für die Gehirnentwicklung des Babys unentbehrlich sind. Gerät dieses fein abgestimmte System aus dem Gleichgewicht, kann das Autismusrisiko beim Kind steigen.
Eine Untersuchung der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel belegt, wie stark sich hormonelle Schwankungen in dieser Zeit auswirken können. Das Forschungsteam analysierte über 51.000 Geburten und stellte fest: Frauen mit einer unbehandelten oder anhaltenden Schilddrüsenunterfunktion hatten häufiger Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS).
Länger gestörte Hormonwerte – höheres Risiko
Besonders deutlich zeigte sich der Zusammenhang bei Schwangeren, deren Schilddrüsenhormone über mehrere Trimester hinweg aus dem Gleichgewicht waren. „Wir fanden heraus, dass eine ausreichend behandelte chronische Schilddrüsenfunktionsstörung nicht mit einem erhöhten Autismusrisiko verbunden war, wohl aber eine anhaltende Dysbalance über mehrere Trimester“, erklärt Studienleiter Idan Menashe. Sein Team entdeckte einen klaren Zusammenhang zwischen Hormonspiegel und Risiko:
- Ein Trimester mit Hormonstörung → Risiko steigt um rund 70 Prozent
- Zwei Trimester → Risiko mehr als doppelt so hoch
- Drei Trimester → Risiko dreifach erhöht
Je länger das Ungleichgewicht anhält, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind später eine Autismusdiagnose erhält.
Wie die Schilddrüse das kindliche Gehirn beeinflusst
Die Schilddrüse produziert die Hormone Thyroxin (T4) und Trijodthyronin (T3). Sie steuern Herz, Kreislauf, Energieverbrauch und im Mutterleib die Reifung des Gehirns. In den ersten Monaten der Schwangerschaft ist der Fötus vollständig auf die Hormonversorgung der Mutter angewiesen, weil seine eigene Schilddrüse erst später aktiv wird.
Fehlen diese Hormone, können sich Nervenzellen langsamer vernetzen. Auch Sprachverarbeitung und kognitive Entwicklung können beeinträchtigt werden. Frühere Studien hatten bereits einen Zusammenhang zwischen mütterlicher Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) und Lern- oder Sprachverzögerungen gezeigt.
Stabile Hormonwerte schützen in der Schwangerschaft vor höherem Autismusrisiko
Frauen mit einer bekannten und regelmäßig behandelten Schilddrüsenerkrankung haben laut Studie kein erhöhtes Risiko. Entscheidend ist die Stabilität der Hormonwerte, nicht die Diagnose selbst.
„Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer routinemäßigen Kontrolle und rechtzeitigen Anpassung der Therapie, um normale Schilddrüsenhormonspiegel während der Schwangerschaft aufrechtzuerhalten“, so Menashe.
Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Schwangerschaftsdiabetes oder das Alter der Mutter änderten den Zusammenhang nicht. Auch ethnische Unterschiede spielten keine Rolle.
Schilddrüsencheck lohnt sich für Schwangere
In Deutschland gehören Schilddrüsenkontrollen bislang nicht zu jeder Routineuntersuchung in der Schwangerschaft. Dabei ist die Unterfunktion gerade bei Frauen häufig – rund zehn Prozent im gebärfähigen Alter sind betroffen. Die Symptome sind oft unscheinbar: Müdigkeit, Konzentrationsprobleme, Frieren oder Gewichtszunahme werden schnell übersehen, weil sie als normale Begleiterscheinungen gelten.
Ein einfacher Bluttest kann helfen, eine Störung früh zu erkennen. Bei auffälligen Werten lässt sich die Hormonproduktion meist mit Levothyroxin stabilisieren. Wichtig ist, dass die Werte regelmäßig überprüft und die Dosierung bei Bedarf angepasst wird – besonders, wenn bereits vor der Schwangerschaft eine Unterfunktion bestand.
Das raten Fachleute:
- Schilddrüsenwerte vor einer geplanten Schwangerschaft kontrollieren lassen.
- Bei bekannter Hypothyreose die Therapie konsequent fortsetzen und Werte regelmäßig prüfen.
- Bei Symptomen wie anhaltender Erschöpfung oder Kälteempfindlichkeit den Arzt aufsuchen.
Kurz zusammengefasst:
- Eine unbehandelte Schilddrüsenunterfunktion in der Schwangerschaft kann das Autismusrisiko beim Kind deutlich erhöhen – je länger die Hormonstörung anhält, desto größer das Risiko.
- Gut eingestellte Schilddrüsenwerte schützen: Frauen mit bekannter und behandelter Hypothyreose haben kein erhöhtes Risiko, solange ihre Hormone regelmäßig kontrolliert und angepasst werden.
- Ein einfacher Bluttest gehört zu den wichtigsten Vorsorgemaßnahmen, weil er frühzeitig Abweichungen erkennt und hilft, die gesunde Gehirnentwicklung des Babys zu sichern.
Übrigens: Lange galt der Darm als möglicher Schlüssel zu Autismus – doch neue Analysen widerlegen diese Theorie deutlich. Mehr dazu in unserem Artikel.
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