Mit 50 beginnt ein unsichtbarer Umbau – Blutalterung läuft wie ein Uhrwerk

Forscher haben herausgefunden, dass die Blutalterung beim Menschen etwa mit dem Beginn des 50. Lebensjahres einsetzt.

Mit 50 beginnt stiller Umbau – Blutalterung läuft wie ein Uhrwerk

Mit dem Alter nimmt die Zahl der an der Blutproduktion beteiligten Stammzellen ab, was gesundheitliche Folgen haben kann. © Vecteezy

Mit etwa 50 Jahren beginnt im Körper ein kaum bemerkbarer, aber tiefgreifender Umbau: Blutstammzellen, die täglich Milliarden neue Blutzellen bilden, verlieren ihre Vielfalt und einige wenige Zelllinien übernehmen die Kontrolle. Dieses Phänomen der Blutalterung findet einer neuen Studie zufolge sowohl bei Mäusen als auch Menschen statt und kann große Auswirkungen auf die Gesundheit haben.

Veröffentlicht wurde diese Studie in der Fachzeitschrift Nature. Daran beteiligt waren unter anderem Teams vom Center for Genomic Regulation (CRG) und dem Institute for Research in Biomedicine (IRB) in Barcelona sowie vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Vielfalt schrumpft, Klone übernehmen die Kontrolle

Im jungen Körper zirkulieren jeden Tag rund 100 bis 200 Milliarden neue Blutzellen. Diese entstehen aus einem Reservoir von etwa 50.000 bis 200.000 aktiven Blutstammzellen. Doch dieses Reservoir verändert sich mit dem Alter: 

  • Die Anzahl der beteiligten Stammzellen nimmt ab, einzelne Zelllinien übernehmen die Führung. Dabei handelt es sich um sogenannte Klone – Gruppen von Zellen, die alle auf eine gemeinsame Vorläuferzelle zurückgehen und identische epigenetische Merkmale tragen.
  • Vor allem myeloische Zellen, die mit chronischen Entzündungen in Verbindung stehen, werden vermehrt gebildet.

Die Forscher beobachteten diese Entwicklung bei Menschen ebenso wie bei Mäusen. Besonders auffällig: Ab einem Alter von 50 Jahren ließen sich erste Anzeichen dieser Umstellung erkennen. Bei fast allen Personen über 60 war der Umbau bereits weit fortgeschritten.

„Ein Uhrwerk der Alterung“ beginnt ab 50

„Der Wechsel von Vielfalt zu Dominanz ist nicht zufällig, sondern erfolgt wie ein Uhrwerk“, erklärte Indranil Singh, Co-Erstautor und Doktorand am IRB Barcelona. Die dominanten Klone verdrängen ihre Nachbarn und übernehmen nach und nach die gesamte Blutbildung.

Bei älteren Mäusen zeigte sich ein ähnliches Muster: Während bei jungen Tieren noch etwa 50 Prozent der Blutstammzellen auf wenige dominante Klone entfielen, lag dieser Anteil bei älteren Tieren bereits bei 70 Prozent.

Überraschend war, dass viele der identifizierten Klone keine bekannten Mutationen trugen. Die dominante Ausbreitung scheint also nicht allein von genetischen Veränderungen abzuhängen. Die Forscher sprechen deshalb von einer allgemeinen Alterungserscheinung des Blutsystems – unabhängig von pathologischen Auslösern.

Neuer „Barcode“-Ansatz macht Zellen sichtbar

Ein Grundstein der Studie ist die neue Methode „EPI-Clone“. Dabei lesen die Forscher die sogenannten DNA-Methylierungen aus – chemische Markierungen an der Erbsubstanz, die als eine Art natürlicher Barcode funktionieren. Mit dieser Technik lässt sich zurückverfolgen, welche Zellen von welchem Stammzellklon abstammen.

„DNA-Methylierung funktioniert wie eine Art Binärcode“, sagte Michael Scherer, Co-Erstautor der Studie. Er arbeitete am CRG in Barcelona und forscht nun am DKFZ. „Diese einfache On-Off-Information kann in einen Barcode umgewandelt werden, den jede Stammzelle an ihre Nachkommen weitergibt.“ Die Technologie ermögliche es erstmals, diesen Prozess im Detail zu erfassen.

Frühwarnzeichen für ungesunde Alterung

Die klonale Dominanz könnte auch ein wichtiges Warnsignal sein. Die Wissenschaftler halten es für möglich, durch die Analyse der Klonvielfalt schon früh Hinweise auf ungesunde Alterungsprozesse zu erkennen, noch bevor Symptome auftreten oder es zur Entwicklung von Blutkrebs kommt.

Wenn wir über generische Anti-Aging-Behandlungen hinausgehen und zu einer echten Präzisionsmedizin gegen das Altern gelangen wollen, ist dies genau das Werkzeug, das wir brauchen.

Lars Velten, Studienleiter am CRG Barcelona

Die Studie liefert laut Alejo Rodriguez-Fraticelli, einem der Studienleiter, nicht nur neue Erkenntnisse zur Biologie des Alterns. Sie öffnet auch Wege für präzisere Therapien: „Wir haben gezeigt, was möglich ist. Jetzt geht es darum, EPI-Clone zu verfeinern, um entsprechende Strategien in der klinischen Forschung zu testen.“

Kurz zusammengefasst:

  • Ab dem 50. Lebensjahr verändert sich das menschliche Blutsystem deutlich: Die Vielfalt der Blutstammzellen nimmt ab, und wenige dominante Klone übernehmen die Blutbildung.
  • Diese Umstellung im Zuge der Blutalterung begünstigt die Entstehung von Immunzellen, die mit chronischen Entzündungen in Verbindung stehen, und kann das Risiko für altersbedingte Krankheiten erhöhen.
  • Mit der neuen Methode EPI-Clone konnten Forscher diesen Wandel erstmals im Detail sichtbar machen und hoffen auf künftige Möglichkeiten zur Früherkennung ungesunder Alterungsprozesse.

Bild: © Vecteezy

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