Wer aus dem Takt gerät, leidet stärker – Tagesrhythmus beeinflusst Krebstherapie

Eine aktuelle Studie zeigt: Der Tagesrhythmus beeinflusst, wie gut Patientinnen mit Krebs moderne Medikamente wie Rucaparib vertragen.

Krebs-Therapie vertragen: Der Tagesrhythmus ist entscheidend

Der Tagesrhythmus beeinflusst, wie gut Krebspatientinnen ihre Therapie vertragen. © Pexels

Was, wenn nicht nur die Wahl des Medikaments, sondern auch der Zeitpunkt der Einnahme darüber entscheidet, wie stark eine Krebstherapie belastet? Eine neue Studie zeigt: Der natürliche Tagesrhythmus von Krebs-Patientinnen kann entscheidend dafür sein, wie gut sie ein Medikament vertragen oder wie sehr es ihnen schadet.

Im Zentrum der Untersuchung stand der sogenannte zirkadiane Rhythmus, also die innere Uhr des Körpers. Sie steuert unter anderem Schlaf, Stoffwechsel und Hormonhaushalt und offenbar auch, wie empfindlich Patientinnen auf eine Krebstherapie reagieren.

Störungen der inneren Uhr verstärken Nebenwirkungen

Die Studie untersuchte Frauen mit Eierstockkrebs, die das Medikament Rucaparib einnahmen. Es gehört zur Gruppe der PARP-Inhibitoren, einer modernen Krebstherapie, die gezielt in die Reparaturmechanismen von Krebszellen eingreift. Rucaparib wird zweimal täglich eingenommen – insgesamt 1.200 Milligramm pro Tag.

Auffällig war: Viele Patientinnen entwickelten besonders starke Nebenwirkungen, wenn ihr zirkadianer Rhythmus gestört war. Sie litten unter starker Müdigkeit, Blutbildveränderungen oder Magen-Darm-Problemen. In der Studie lag die Rate schwerer Nebenwirkungen bei 60,5 Prozent – im Vergleich zu 22,7 Prozent in der Placebogruppe.

Gene, die die innere Uhr steuern, werden mitanalysiert

Die Forschungsarbeit wurde von Prof. Dr. Angela Relógio von der MSH Medical School Hamburg und Prof. Dr. Elena Ioana Braicu von der Charité Berlin geleitet. Sie analysierten die Wirkung von Rucaparib mithilfe von Genexpressionsdaten und mathematischen Modellen.

Insgesamt wurden rund 800 Gene in die Analyse einbezogen, darunter zentrale Taktgeber des zirkadianen Systems wie BMAL1 und PER2. Diese Gene bestimmen mit, wann Zellen arbeiten, ruhen oder sich teilen. Sie könnten damit auch beeinflussen, wie stark Medikamente wirken oder wie gut sie vertragen werden.

TimeTeller-Technologie erkennt individuellen Tagesrhythmus der Krebs-Patientinnen

Zum Einsatz kam dabei die TimeTeller-Technologie – ein spezielles Analyse-Tool, das biologische Uhren in menschlichen Zellen sichtbar macht. Entwickelt wurde es vom Berliner Start-up TimeTeller, einem Spin-off der Charité.

„TimeTeller ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie akademische Forschung und unternehmerische Innovation zusammenwirken können“, erklärt Prof. Relógio. Das Tool liefert nicht nur Informationen über den Biorhythmus einzelner Patientinnen, sondern könnte künftig helfen, Therapien besser darauf abzustimmen.

Chronotherapie: Der richtige Zeitpunkt zählt

Die Studienautorinnen sehen in ihren Ergebnissen ein starkes Argument für die sogenannte Chronotherapie. Dabei geht es darum, Medikamente gezielt zu Zeiten zu verabreichen, in denen der Körper sie besser verträgt oder sie besser wirken können.

Unsere Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis bei, wie der individuelle Biorhythmus die Reaktion auf Krebstherapien beeinflusst.

Dr. Deeksha Malhan, Studienautorin

Störungen der inneren Uhr sind also nicht nur eine Folge der Behandlung – sie könnten auch mitverantwortlich dafür sein, dass die Nebenwirkungen besonders stark ausfallen.

Ein Ansatz mit Potenzial – aber nicht ohne Risiko

Natürlich bedeutet das nicht, dass jetzt jede Krebspatientin ihre Medikamente nach dem Wecker nehmen sollte. „Wir sprechen hier nicht von Heilung, und wir müssen darauf achten, keine falschen Erwartungen zu wecken“, warnt Prof. Relógio. Aber: Die Möglichkeit, Therapien auf den natürlichen Rhythmus des Körpers abzustimmen, könnte ein entscheidender Schritt in Richtung individueller und besser verträglicher Behandlungen sein.

Für viele Betroffene wäre das ein Gewinn. Denn gerade moderne Therapien wie PARP-Inhibitoren gelten zwar als gezielt – haben aber in der Praxis häufig Nebenwirkungen, die die Lebensqualität stark einschränken. Anämien (28,7 Prozent), Neutropenie (14,6 Prozent) und Thrombozytopenie (7,1 Prozent) gehören zu den häufigsten schweren Reaktionen.

Klinische Praxis könnte sich verändern

Noch ist unklar, wann und wie Chronotherapie im Klinikalltag ankommt. Aber die Forschung liefert konkrete Anhaltspunkte. Laut Prof. Braicu bietet die Analyse der zirkadianen Gene die Chance, „die Verträglichkeit zu verbessern und die Effektivität der Behandlung zu steigern“.

Der nächste Schritt ist klar: Weitere Studien müssen zeigen, wie die Erkenntnisse in der Praxis eingesetzt werden können. Das Wissen über den Einfluss des Tagesrhythmus könnte dabei helfen, Chemotherapien schonender und zielgerichteter zu gestalten.

Kurz zusammengefasst:

  • Der natürliche Tagesrhythmus – also die innere Uhr des Körpers – beeinflusst, wie gut Krebs-Patientinnen moderne Medikamente wie Rucaparib vertragen. Störungen dieser inneren Uhr führen nachweislich zu deutlich stärkeren Nebenwirkungen.
  • Das Forscherteam analysierte bei über 800 Genen, wie stark sie durch die Therapie beeinflusst werden und fanden auffällige Veränderungen. Mithilfe der TimeTeller-Technologie konnten sie den Biorhythmus jeder Patientin individuell erfassen.
  • Die Ergebnisse sprechen für eine sogenannte Chronotherapie: Medikamente sollten dann verabreicht werden, wenn der Körper sie am besten verarbeitet. So könnten schwere Nebenwirkungen reduziert und die Wirksamkeit verbessert werden.

Übrigens: Wer besonders nachhaltig isst, senkt laut Forschern der Universität Regensburg die Wahrscheinlichkeit für eine Krebserkrankung messbar und schont gleichzeitig die Umwelt. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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