Omega-3 in der Kritik – Gesunde Fette könnten Entzündungen fördern
Omega-3 ist entzündungshemmend – das galt lange als sicher. Neue Studiendaten zeigen jedoch auffällige Entzündungswerte im Blut.

Viele Menschen nehmen Lebensmittel wie Avocado, Nüsse, Leinsamen oder Fischölkapseln zu sich, weil Omega-3 als entzündungshemmend gilt. Doch neue Studiendaten stellen diese Wirkung infrage und zeigen erhöhte Entzündungswerte im Blut. © Vecteezy
Man möchte seiner Gesundheit etwas Gutes tun uns greift deshalb zu Lachs oder Fischölkapseln. Schließen soll das helfen, Entzündungen zu lindern, das Herz zu stärken oder die Gelenke zu schützen. Darin enthalten ist die Fettsäure Omega-3, die als entzündungshemmend gilt – so zumindest lange Zeit der Ruf des Mikronährstoffs. Doch neue Forschungsergebnisse der University of Bristol stellen dies infrage. Eine Auswertung von Blutwerten zeigt: Menschen mit besonders hohen Omega-3-Werten im Blut hatten auch höhere Entzündungsmarker – das genaue Gegenteil der üblichen Erwartung.
Die Analyse basiert auf Daten von mehr als 15.000 Personen. Untersucht wurden zwei große britische Bevölkerungsstudien, darunter die ALSPAC-Studie mit jungen Erwachsenen. Zusätzlich flossen genetische Daten in die Auswertung ein. So konnten die Forscher auch den Einfluss von Veranlagung auf die Fettverarbeitung im Körper mitbewerten.
Omega-3 ist entzündungshemmend? – Neue Daten widersprechen
Die Studienergebnisse stellen gängige Annahmen zu Omega-Fettsäuren infrage. Sowohl Omega-3 als auch Omega-6 zeigten in der Auswertung einen Zusammenhang mit erhöhten Entzündungswerten im Blut.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
- Omega-3-Fettsäuren erhöhten den Entzündungsmarker GlycA im Schnitt um 0,33 Einheiten.
- Auch Omega-6-Fettsäuren führten zu einem Anstieg – und zwar noch stärker: im Schnitt um 0,52 Einheiten.
- Beide Fettsäuren wurden also mit messbar höheren Entzündungswerten in Verbindung gebracht.
- Damit widerspricht die Studie der Annahme, Omega-3 sei automatisch entzündungshemmend.
Erhöhte Entzündungswerte trotz gesunder Ernährung
Die betroffenen Personen fühlten sich meist gesund. Die Forscher sprechen deshalb von „stillen Entzündungen“. Sie laufen unbemerkt im Körper ab und gelten als Risikofaktor für chronische Erkrankungen wie Herzinfarkt, Diabetes oder Krebs. Auch der Entzündungsmarker CRP war bei genetisch bedingt höheren Omega-3-Werten leicht erhöht.
Das zeigt: Der Zusammenhang zwischen mehrfach ungesättigten Fettsäuren und Entzündung ist komplexer als bisher gedacht. Die Wirkung hängt nicht allein vom einzelnen Fett ab – auch andere Blutwerte spielen eine Rolle.
Verhältnis zwischen Omega-3 und Omega-6 entscheidend
Auffällig war vor allem das Verhältnis der beiden Fettsäuren zueinander. Wer viele Omega-3-Fettsäuren aufnahm, aber gleichzeitig noch mehr Omega-6, hatte deutlich erhöhte Entzündungswerte. Das Gleichgewicht scheint wichtiger zu sein als die Menge.
„Unsere Ergebnisse sprechen dagegen, dass Omega-3 einfach nur entzündungshemmend und Omega-6 nur entzündungsfördernd wirkt“, sagt Studienautorin Dr. Daisy Crick.
Nahrungsergänzung ist kein Selbstläufer
Omega-3-Kapseln gelten als unkomplizierte Lösung – vor allem für Menschen mit Gelenkbeschwerden, Herzproblemen oder familiärer Vorbelastung. Doch Crick warnt davor, sich allein auf Fischölprodukte zu verlassen: „Omega-3-Produkte allein senken die allgemeine Entzündung im Körper wohl nicht.“
Das bedeutet nicht, dass Omega-3 überflüssig ist. Aber: Die Einnahme hochdosierter Präparate kann das Entzündungsniveau sogar leicht erhöhen – vor allem, wenn das Verhältnis zu Omega-6 nicht stimmt.
Was das im Alltag bedeutet
Die Studienergebnisse sprechen für einen anderen Umgang mit Fetten: Weg von der Fixierung auf Einzelstoffe – hin zu einer ausgewogenen Ernährung. Omega-3 ist weiterhin wichtig. Doch wer gleichzeitig zu viele Omega-6-reiche Lebensmittel wie Chips, Fertiggerichte oder verarbeitetes Fleisch isst, riskiert ein Ungleichgewicht.
Wichtiger als Nahrungsergänzung ist eine vielseitige, frische Küche. Viel Gemüse, Vollkorn, Nüsse, hochwertige Pflanzenöle und regelmäßig Fisch – so lässt sich das Verhältnis natürlich ausgleichen. Das schützt wahrscheinlich besser vor Entzündungen als jede Kapsel.
Ärztliche Beratung wichtiger denn je
Wer bereits entzündungshemmende Medikamente nimmt oder an chronischen Erkrankungen leidet, sollte keine Omega-3-Präparate ohne Rücksprache einnehmen. Auch bei erhöhten Entzündungswerten im Blut ist eine genaue Abklärung durch den Hausarzt sinnvoll. Selbstmedikation kann hier mehr schaden als nützen.
Crick fasst die Studienergebnisse so zusammen: „Wir finden keinen überzeugenden Beweis dafür, dass Omega-3 und Omega-6 klar entzündungshemmend oder -fördernd sind.“ Es komme auf das Zusammenspiel im Körper an – und auf bewusste Entscheidungen im Alltag.
Kurz zusammengefasst:
- Die Annahme, dass Omega-3 entzündungshemmend ist, gilt nicht uneingeschränkt – hohe Omega-3-Werte im Blut können sogar mit erhöhten Entzündungswerten verbunden sein.
- Viel wichtiger als die Menge ist das Verhältnis von Omega-3 zu Omega-6, denn ein Ungleichgewicht kann stille Entzündungen fördern.
- Omega-3-Präparate wirken nicht automatisch entzündungshemmend und sollten nur nach ärztlicher Rücksprache eingenommen werden.
Übrigens: Auch scheinbar harmlose Darmbeschwerden können ein ernstes Risiko bergen – vor allem bei jungen Menschen mit chronischen Entzündungen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Vecteezy
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