Demenzwelle in China trifft Millionen – und Deutschland steht vor dem gleichen Problem
In China explodieren die Demenzzahlen – eine neue Studie zeigt nun, welche Faktoren den rasanten Anstieg der Erkrankungen erklären.

Die Zahl der Demenzkranken in China hat sich seit 1990 vervierfacht – Forscher machen vor allem Alter, Blutzucker und Bevölkerungswachstum dafür verantwortlich. © Unsplash
Die Zahl der Menschen mit Demenz steigt weltweit – aber nirgendwo so rasant wie in China. Seit 1990 hat sich die Zahl der Erkrankten dort von rund 4 Millionen auf knapp 17 Millionen vervierfacht. Diese Entwicklung ist kein Einzelfall, sondern Teil eines globalen Trends, der auch Deutschland betrifft.
Eine neue Studie, an der ein Forschungsteam der Fudan University in China beteiligt war, analysierte Krankheitsdaten aus 204 Ländern und Regionen. Im Fokus standen Alzheimer und andere Demenzformen bei Menschen ab 40 Jahren. Grundlage waren Daten der Weltgesundheitsorganisation über Fälle, Todeszahlen und Krankheitslast im Zeitraum 1990 bis 2021.
Bevölkerungswachstum als zentraler Faktor
Auffällig ist vor allem der Einfluss der demografischen Entwicklung in China. In den 1950er-Jahren kam es dort zu einem deutlichen Geburtenanstieg. Diese Generation hat mittlerweile ein Alter erreicht, in dem das Demenzrisiko stark zunimmt.
Die Analyse ergab, dass das Bevölkerungswachstum den stärksten Einfluss auf die steigende Krankheitslast hatte. In der Altersgruppe von 80 bis 84 Jahren lag die höchste Rate an Neuerkrankungen und Diagnosen. Der Anstieg der Fallzahlen fällt dabei in China deutlich drastischer aus als in anderen Staaten.
Die Zahlen belegen das Ausmaß: Die jährliche Zahl neuer Demenzdiagnosen stieg in China von rund 703.000 im Jahr 1990 auf etwa 2,9 Millionen im Jahr 2021. Die Gesamtzahl der Erkrankten lag 2021 bei knapp 17 Millionen. 1990 waren es noch rund 4 Millionen. Die Zahl der Todesfälle kletterte im gleichen Zeitraum von etwa 120.000 auf rund 492.000. Weltweit liegt die Steigerung bei etwa dem Doppelten.
In China trifft Demenz Männer härter – trotz höherer Fallzahlen bei Frauen
Ein weiterer Aspekt: Frauen sind häufiger betroffen, weisen aber eine geringere Sterblichkeit auf. Männer hingegen haben in China einen stärkeren Anstieg der Sterberate und der verlorenen Lebensjahre durch Demenz.
Trotz höherer Erkrankungszahlen bei Frauen verlief die Entwicklung bei Männern dynamischer. Auch das spiegelt sich in den Zahlen zur jährlichen Zunahme wider: Todesfälle nahmen um knapp vier Prozent jährlich zu, verlorene gesunde Lebensjahre um rund 3,6 Prozent.
Globale Ausblicke sind alarmierend
Die Studie liefert auch eine Prognose für die kommenden Jahrzehnte: Bis 2050 könnten weltweit 152 Millionen Menschen von Alzheimer oder anderen Demenzformen betroffen sein. Auch die wirtschaftlichen Folgen sind enorm. „Die globalen Kosten werden 9,12 Billionen Dollar erreichen“, warnen die Studienautoren.
Risikofaktoren: Zucker, Übergewicht und Rauchen
Die aktuelle Studie nennt drei körperliche Risikofaktoren, die das Demenzrisiko messbar erhöhen – und die sich im Gegensatz zu Alter oder Genetik gezielt beeinflussen lassen. Wer auf bestimmte Gesundheitswerte achtet und seinen Lebensstil frühzeitig anpasst, kann das Risiko deutlich senken. Die drei entscheidenden Faktoren sind:
- Erhöhter Blutzuckerspiegel:
Laut der Studie ist ein dauerhaft erhöhter Nüchternblutzucker der dominierende Risikofaktor. Der Zuckerstoffwechsel beeinflusst direkt die Gefäßgesundheit im Gehirn. Chronisch erhöhte Werte können Entzündungen fördern und die Nervenzellen schädigen – beides Prozesse, die Demenz begünstigen. - Hoher Body-Mass-Index (BMI):
Starkes Übergewicht wirkt sich negativ auf Herz, Kreislauf und Gehirn aus.
Ein hoher BMI geht oft mit Bluthochdruck, Insulinresistenz und chronischen Entzündungen einher – alles Faktoren, die auch die kognitive Leistungsfähigkeit im Alter beeinträchtigen können.
Besonders kritisch ist Übergewicht im mittleren Lebensalter: Es erhöht das Risiko, später an Alzheimer oder vaskulärer Demenz zu erkranken. - Rauchen:
Nikotin beeinträchtigt die Durchblutung des Gehirns und fördert oxidativen Stress.
Rauchen beschleunigt die Alterung der Nervenzellen und kann die kognitiven Reserven frühzeitig schwächen.
Durch ausgewogene Ernährung, Bewegung und konsequente Blutzuckerkontrolle lässt sich das Risiko deutlich senken. Besonders im mittleren Lebensalter könnten gezielte Maßnahmen dazu beitragen, das Fortschreiten einer beginnenden Demenz zu verhindern oder zu verlangsamen.
Medizinisch kaum behandelbar – Prävention gewinnt an Bedeutung
Alzheimer und verwandte Erkrankungen sind bislang nicht heilbar. Zwar gibt es in den USA erste Medikamente, die den Krankheitsverlauf bremsen sollen, doch eine flächendeckende Behandlung existiert nicht. Die Europäische Arzneimittelagentur hat eine Zulassung bisher nicht erteilt. Damit bleibt Prävention das wichtigste Mittel, um das persönliche Risiko zu senken und Gesundheitssysteme zu entlasten.
Die Forscher fordern deshalb mehr Investitionen in Früherkennung und Vorsorge. Sie betonen, dass ohne neue Therapien die Zahl der Erkrankten weiter steigen wird – mit massiven Folgen für Pflege, Angehörige und soziale Sicherungssysteme.
Auch Deutschland ist betroffen
In Deutschland ist der Anstieg der Demenzzahlen ebenfalls messbar. Aktuell leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer entsprechenden Diagnose – Tendenz steigend. Der stärkste Risikofaktor ist auch hier das Alter. Besonders betroffen sind Menschen über 80 Jahre. Schon heute gehört Demenz zu den häufigsten Gründen für einen Pflegegrad.
Eine Studie der Deutschen Alzheimer Gesellschaft geht davon aus, dass bis 2050 rund 2,7 Millionen Menschen in Deutschland an einer Demenz leiden könnten – ein Plus von fast 50 Prozent im Vergleich zu heute.
Kurz zusammengefasst:
- Die Zahl der Demenz-Fälle steigt weltweit stark an – in China hat sie sich seit 1990 vervierfacht, in Deutschland wird bis 2050 ein Anstieg auf 2,7 Millionen Fälle erwartet.
- Hauptgründe sind das Bevölkerungswachstum, die Alterung der Gesellschaft und beeinflussbare Risikofaktoren wie hoher Blutzucker, Übergewicht und Rauchen.
- Da es bisher keine Heilung gibt, sind Prävention, eine gesunde Lebensweise und frühe Erkennung entscheidend, um die Belastung für Betroffene, Familien und Pflegeeinrichtungen zu verringern.
Übrigens: Wer wegen Cannabis ins Krankenhaus muss, erkrankt später deutlich häufiger an Demenz – das zeigt eine neue Studie mit über sechs Millionen Menschen. Besonders ältere Erwachsene tragen ein messbar höheres Risiko, das sogar über dem von Alkoholpatienten liegt – mehr dazu in unserem Artikel.
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