Hoffnung bei Eierstockkrebs: Wie ein einzelnes Gen den Unterschied machen kann

Ein Genverlust treibt das hochgradige seröse Karzinom an. Forscher entdecken neue Angriffspunkte für gezielte Therapien bei Eierstockkrebs.

Hochgradiges seröses Karzinom: Ein Gen-Defekt treibt Krebs an

Zellen eines hochgradigen serösen Karzinoms unter dem Mikroskop. © Kathleen Cho, M.D.

Ein aggressiver Tumor, kaum Symptome, späte Diagnose – und dann die große Unsicherheit, welche Therapie überhaupt noch wirkt. Ein hochgradiges seröses Karzinom ist die häufigste und gefährlichste Form von Eierstockkrebs. Jedes Jahr erkranken daran tausende Frauen – und viele erfahren erst spät von ihrer Krankheit.

Ein Forscherteam der University of Michigan hat nun entschlüsselt, wie ein einziges Gen mit dem Verlauf dieser Krebsart zusammenhängt – und welche neuen Behandlungen sich daraus ergeben könnten. Im Zentrum der Studie steht das Gen CDK12. Wenn es fehlt, wächst der Tumor schneller, wird resistent gegen Therapien – ist aber gleichzeitig anfällig für ganz neue Medikamente.

Hochgradiges seröses Karzinom – Wenn CDK12 fehlt, legt der Krebs den Turbo ein

In einem neuen Mausmodell konnten die Forscher zeigen, wie sich der vollständige Verlust von CDK12 auf den Krankheitsverlauf auswirkt:

  • 14 von 26 Mäusen entwickelten ein hochgradiges seröses Karzinom, das sich rasch im Körper ausbreitete.
  • In zwei Fällen entstand sogar ein besonders aggressiver Tumortyp, ein sogenanntes Karzinosarkom.
  • Die Überlebenszeit war deutlich verkürzt, das Tumorwachstum nahm massiv zu.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Verlust von CDK12 das Tumorwachstum fördert und das Überleben im Mausmodell verkürzt“, erklärt Studienleiter Arul Chinnaiyan.

DNA gerät unter Stress – Wie CDK12-Verlust das Erbgut schädigt

Der Ausfall von CDK12 bringt den genetischen Haushalt der Krebszelle durcheinander. Andere krebstreibende Gene werden übermäßig im Mauskörper aktiviert – gleichzeitig läuft die DNA-Replikation auf Hochtouren. Das führt zu massiven DNA-Schäden – ein Mechanismus, der auch bei menschlichen Tumoren beobachtet wird.

Diese instabile Genaktivität macht den Tumor aggressiver – kann aber auch zu neuen Angriffspunkten führen.

T-Zellen wandern ein – das Immunsystem reagiert

Trotz der bedrohlichen Entwicklung gibt es auch eine positive Nachricht: Wenn das Gen CDK12 ausgeschaltet ist, passiert etwas Unerwartetes. Das Immunsystem beginnt, auf den Tumor zu reagieren.

  • Vor allem T-Zellen, also spezialisierte Abwehrzellen, dringen in das Tumorgewebe ein.
  • Diese Immunreaktion lässt sich medizinisch nutzen – zum Beispiel durch Immun-Checkpoint-Inhibitoren, die das Abwehrsystem gezielt aktivieren.

„CDK12-Inaktivierung führt zu einer erhöhten Immunzellinfiltration, ähnlich wie sie auch beim Menschen beobachtet wird“, sagt Pathologin Kathleen Cho.

Neues Ziel für Medikamente: das Schwestergen CDK13

Die Forscher wollten wissen: Lässt sich dieser Tumor gezielt angreifen? In Zellversuchen testeten sie über 700 Gene – und stießen auf einen aussichtsreichen Partner von CDK12: das Gen CDK13.

Ein speziell entwickeltes Medikament – ein sogenannter „Degrader“ – setzte gleichzeitig bei CDK12 und CDK13 an. Die Wirkung war eindeutig:

  • In Zellkulturen und bei Mäusen schrumpften die Tumoren deutlich.
  • Besonders effektiv war die Kombination mit einer Immuntherapie.

„Die pharmakologische Hemmung von CDK13/12 zeigte eine verstärkte Wirksamkeit in Zelllinien mit Cdk12-Verlust“, so Chinnaiyan.

Wer profitieren könnte – und was das bedeutet

Rund vier Prozent der Patientinnen mit einem hochgradigem serösem Karzinom weisen den vollständigen Verlust von CDK12 auf. Für diese Gruppe – bislang schwer therapierbar – zeichnet sich nun eine zielgerichtete Behandlungsmöglichkeit ab.

Für Betroffene bedeutet das:

  • Eine mögliche neue Option, wenn herkömmliche Chemotherapien nicht mehr helfen.
  • Eine Chance auf individualisierte Therapie, angepasst an das genetische Profil des Tumors.
  • Mehr Hoffnung in einer Situation, in der oft nur Ratlosigkeit herrscht.

Auch bei Prostatakrebs spielt CDK12 eine Rolle

Die Ergebnisse der Studie reichen über Eierstockkrebs hinaus. Auch bei Prostatakrebs im fortgeschrittenen Stadium wurde in etwa 7 Prozent der Fälle ein CDK12-Verlust festgestellt. Die Forscher der University of Michigan sehen hier Parallelen – und Möglichkeiten.

„Hier bringen wir die beiden Erkrankungen zusammen und zeigen, dass CDK12/13-Inhibitoren in beiden Fällen eine Rolle spielen könnten“, erklärt Chinnaiyan.

Was jetzt passiert – und was Patientinnen wissen sollten

Die untersuchten Medikamente befinden sich noch in der Entwicklung und sind derzeit nicht in klinischen Studien verfügbar. Doch die Daten aus dem Mausmodell und den Zelllinien geben einen klaren Hinweis: Für eine bestimmte Untergruppe von Frauen mit Eierstockkrebs könnte sich das Behandlungsspektrum bald erweitern.

„Unsere Arbeit definiert CDK12 als echtes Tumorsuppressor-Gen im Eierstockkarzinom und hebt die gezielte Hemmung von CDK13 als vielversprechende Therapieoption hervor“, so das Fazit der Forscher.

Eine klinische Studie ist der nächste logische Schritt. Für viele Betroffene wäre das mehr als Forschung – es wäre ein Hoffnungsschimmer.

Kurz zusammengefasst:

  • CDK12 ist ein Gen, das normalerweise das Tumorwachstum bremst – fällt es aus, wächst ein hochgradiges seröses Karzinom deutlich aggressiver.
  • Eine neue Studie der University of Michigan zeigt, wie entscheidend CDK12 für Entstehung und Verlauf dieser Krebsform ist.
  • Ein gezielter Wirkstoff, der CDK12 und das verwandte Gen CDK13 abbaut, konnte das Tumorwachstum bei Mäusen deutlich verlangsamen – das macht neue Therapieansätze beim hochgradigen serösen Karzinom denkbar.

Übrigens: Auch ein deutsches Forscherteam hat kürzlich einen neuen Schwachpunkt bei aggressiven Tumoren entdeckt – nicht im Erbgut, sondern im Energiestoffwechsel der Krebszellen. Ein bislang unterschätztes Protein entpuppte sich dabei als verwundbare Stelle, die Krebszellen gezielt aushungern kann – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Kathleen Cho, M.D.

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