Ehe erhöht Demenz-Risiko: Unverheiratete bleiben geistig länger fit
Eine US-Studie zeigt Zusammenhänge zwischen Familienstand und Erhalt der geistigen Leistung. Die Ehe erhöht scheinbar das Demenz-Risiko.

Laut Studie tragen verheiratete Senioren ein höheres Risiko für Demenz – soziale Nähe bleibt dennoch wichtig für die geistige Gesundheit. © Pexels
Wenn Namen, Gesichter und Erinnerungen verschwinden, bricht für viele Familien eine Welt zusammen. Dass ausgerechnet die Ehe das Risiko für Demenz erhöhen kann, zeigt jetzt eine große US-Studie. Ein Forschungsteam der Florida State University analysierte Daten von mehr als 24.000 älteren Erwachsenen aus Alzheimer-Zentren in den USA. Die Teilnehmer waren bei Beginn der Studie im Schnitt knapp 72 Jahre alt und zunächst frei von Demenz. Über 18 Jahre hinweg verfolgten die Wissenschaftler den Gesundheitszustand der Probanden.
Geschieden, ledig, verwitwet – Risiko oft nur halb so hoch
Die Analyse ergab deutliche Unterschiede: Unverheiratete Menschen litten deutlich seltener unter Demenz.
Unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht stellten wir fest, dass verwitwete, geschiedene und ledige Personen ein um in etwa 50 Prozent niedrigeres Demenzrisiko hatten als verheiratete Altersgenossen.
Studienautoren, Florida State University
Während 21,9 Prozent der verheirateten und ebenfalls 21,9 Prozent der verwitweten Personen im Laufe der Jahre an Demenz erkrankten, lag die Quote bei Geschiedenen bei 12,8 Prozent und bei lebenslang Unverheirateten bei 12,4 Prozent. Der Unterschied zeigte sich besonders bei Alzheimer und der Lewy-Body-Demenz. Für vaskuläre Demenz oder leichte kognitive Störungen fanden sich dagegen keine klaren Zusammenhänge.
Fehlende Diagnosen oder soziales Netzwerk
Ein möglicher Grund: Wer verheiratet lebt, wird oft schneller auf erste Symptome hingewiesen. Der Partner bemerkt Auffälligkeiten, drängt zum Arzt. Alleinstehende haben dieses Frühwarnsystem häufig nicht. Dadurch könnten Diagnosen später gestellt werden oder sogar ganz fehlen.
Doch es geht nicht nur um den Arztbesuch. Viele Unverheiratete bauen sich über Jahre enge soziale Netzwerke auf – Freundschaften, Nachbarn, Vereine. Diese sozialen Bindungen können das Gehirn auf ganz eigene Weise stimulieren und schützen.
Scheidung als Hirn-Booster
Die Florida State University stellt mit ihren Ergebnissen eine lange angenommene Schutzwirkung der Ehe infrage. Entscheidend ist vielmehr, wie gut die Beziehung funktioniert. Eine unglückliche Partnerschaft kann eher belasten als nützen.
Es gibt Hinweise darauf, dass sich einige Bereiche des Wohlbefindens nach einer Scheidung verbessern, beispielsweise Glück und Lebenszufriedenheit.
Studienautoren, Florida State University
Unterstützung kommt von einer Untersuchung der Stony Brook University in New York. Dort zeigte sich, dass Scheidungen teilweise sogar den geistigen Abbau verlangsamen.
Bildung, Gene, Krankheiten? – Der Effekt bleibt stabil
Auch Faktoren wie Bildungsgrad, Depressionen oder genetische Risiken konnten den Zusammenhang nicht erklären. Selbst Übergewicht, Diabetes oder das Rauchverhalten veränderten das Risiko kaum. Lediglich Alter, Geschlecht und der Anlass für den ersten Arztkontakt zeigten minimale Einflüsse.
Die zentrale Beobachtung blieb: Der Familienstand beeinflusst das Demenzrisiko, unabhängig von vielen anderen bekannten Risikofaktoren.
Aktiv bleiben hält das Gehirn fit
Unabhängig vom Beziehungsstatus bleibt eines entscheidend: das Gehirn regelmäßig fordern. Wer rastet, der rostet – das gilt auch fürs Gehirn. Geistige Bewegung schützt nachweislich vor Demenz. Dabei reichen Kreuzworträtsel oder Fernsehen jedoch nicht aus. Viel wirksamer sind Aktivitäten, die das Denken anregen und den Austausch mit anderen fördern. Musik hören, Bücher lesen, Gesellschaftsspiele, Gespräche mit Freunden.
Selbst wer erst im Ruhestand mit neuen Aufgaben beginnt, kann sein Gedächtnis stärken. Das Lernen einer neuen Sprache, das Erlernen eines Musikinstruments oder auch neue sportliche Aktivitäten bringen das Gehirn auf Trab. „Je komplexer die Tätigkeit, desto anregender fürs Gehirn“, sagen Experten. Senioren, die erst im Alter ein Instrument lernten, konnten schon nach kurzer Zeit ihr Gedächtnis und ihre Denkfähigkeit verbessern.
Kurz zusammengefasst:
- In einer US-Studie mit über 24.000 älteren Menschen hatten Verheiratete ein bis zu 50 Prozent höheres Risiko, an Demenz zu erkranken.
- Unverheiratete, Geschiedene und Verwitwete erkrankten seltener an Alzheimer oder Lewy-Body-Demenz; Bildung, Gene und Begleiterkrankungen beeinflussten den Zusammenhang kaum.
- Entscheidend für den Schutz bleibt geistige Aktivität: Musik, Lesen, soziale Kontakte und komplexe Lernaufgaben halten das Gehirn länger fit.
Übrigens: Jahrzehntelanges Scrollen, Klicken und Tippen schadet dem Gehirn offenbar überraschenderweise nicht. Im Gegenteil: Digitale Technik kann das Demenzrisiko sogar senken. Mehr dazu in unserem Artikel.
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