Deutsche Studie: Diese fünf Faktoren lassen Ihr Immunsystem schneller altern
Das Immunsystem altert mit dem Lebensstil. Neue Daten zeigen, wie Faktoren wie Rauchen, Gewicht und Infektionen die Abwehr verändern.

Laufen hält fit – doch das Immunsystem verliert mit dem Alter junge Zellen und gerät schneller aus dem Gleichgewicht. © Pexels
Erkältungen, Lungenentzündungen oder Gürtelrose – viele ältere Menschen merken, dass ihr Körper Infekte nicht mehr so gut abwehrt wie früher. Impfungen wirken mitunter schwächer, kleine Entzündungen dauern länger. Doch woran liegt das eigentlich genau? Ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover hat nun erstmals besonders detailliert gezeigt, was im Immunsystem passiert, wenn es altert – und wie stark persönliche Faktoren wie Rauchen, Fettleibigkeit oder chronische Infektionen diesen Prozess beschleunigen.
Immunsystem altert – oft unbemerkt, aber folgenreich
Mit dem Alter nimmt die Zahl sogenannter „naiver“ Immunzellen ab. Diese Zellen sind wichtig, um neue Krankheitserreger zu erkennen. Stattdessen nehmen spezialisierte Gedächtnis-T-Zellen überhand, die frühere Infektionen erkennen – aber weniger flexibel reagieren.
Das Immunsystem wird nicht einfach schwächer – es baut sich um. Dies geht auch mit Nachteilen einher. Die Folge: Der Körper kann auf neue Viren oder Bakterien nicht mehr so schnell reagieren.
Zellen geraten aus dem Gleichgewicht – Entzündungen nehmen zu
Gleichzeitig nimmt die Entzündungsneigung zu. Das Forschungsteam fand in Blutproben älterer Menschen höhere Werte von Botenstoffen wie HGF und CCL27, die stille, chronische Entzündungen fördern. Solche Prozesse stehen im Verdacht, Alterskrankheiten wie Arteriosklerose oder Demenz zu begünstigen.
Auch das Gleichgewicht der Immunzellen verschiebt sich: T-Helferzellen, die zentrale Steuerfunktionen im Immunsystem übernehmen, unterteilen sich im Alter in 18 Subgruppen – das bringt das fein abgestimmte System aus der Balance.
Diese Faktoren beschleunigen die Immunalterung
Die Studie zeigt: Wie stark das Immunsystem altert, hängt nicht nur vom Lebensalter ab. Auch der persönliche Lebensstil beeinflusst den Prozess – oft in größerem Maße, als vielen bewusst ist:
- Rauchen verändert das Profil der Immunzellen und verstärkt Entzündungsprozesse.
- Fettleibigkeit sorgt für auffällige Muster bei den Entzündungsbotenstoffen.
- Chronische Virusinfektionen, etwa mit dem Zytomegalie-Virus, lassen bestimmte Gedächtnis-T-Zellen übermäßig wachsen.
- Geschlecht spielt ebenfalls eine Rolle: Frauen zeigen im Alter stärkere Veränderungen bestimmter T-Zellen.
- Hohes Alter selbst verringert die Zahl naiver Immunzellen und verstärkt entzündliche Reaktionen.
Dr. Lennart Riemann, Erstautor der Studie, ordnet die Ergebnisse so ein: „Das Immunsystem ist äußerst komplex und variiert stark von Mensch zu Mensch, was allgemeingültige Aussagen erschwert.“ Trotzdem seien typische Muster erkennbar – und wertvoll für die Forschung wie auch für die medizinische Praxis.

97 Zelltypen im Detail – neue Präzision dank KI und Hightech
Die Forscher untersuchten Blutproben von über 650 Menschen aus der Region Hannover. Mithilfe von 60 Markern auf der Zelloberfläche konnten sie 97 Immunzelltypen unterscheiden – sowohl aus dem angeborenen als auch aus dem erworbenen Abwehrsystem.
Ein KI-gestützter Algorithmus ordnete die Zellen automatisch zu. So gelang es, selbst kleinste Unterschiede zwischen jungen und alten Menschen objektiv sichtbar zu machen. Co-Erstautor Rodrigo Gutierrez sagt: „Wir konnten alters- und geschlechtsspezifische Veränderungen im Immunsystem genau zuordnen.“
Getrennte Studie erforscht Zellalter mit KI-„Uhr“
Unabhängig von dieser Arbeit entstand am Zentrum für Individualisierte Infektionsmedizin (CiiM) eine weitere Studie zur Alterung von Immunzellen. Besonders spannend: Mit Hilfe einer sogenannten „Alterungsuhr“ lässt sich jetzt auf Zellebene erkennen, wie weit einzelne Immunzellen gealtert sind. Diese KI-gestützte Methode analysiert das Aktivitätsmuster der Gene in jeder Zelle.
Grundlage dafür waren Daten von über zwei Millionen Immunzellen aus dem Blut von rund 1.000 gesunden Menschen zwischen 18 und 97 Jahren. Die Forscher fanden typische Gene, die anzeigen, wie alt eine Immunzelle ist – sogenannte Markergene.
Mit dem Modell untersuchte das Team, wie Infektionen oder Impfungen auf das Immunsystem wirken. Bei COVID-19-Patienten alterten bestimmte Zellen deutlich schneller, normalisierten sich aber nach der Genesung wieder. Eine Tuberkulose-Impfung zeigte bei manchen T-Zellen sogar eine verjüngende Wirkung – vor allem bei Menschen mit aktiven Entzündungen im Körper. Studienleiterin Professor Yang Li erklärt: „Mit Hilfe der Alterungsuhr könnten künftig Einflüsse von Infektionen und Impfungen besser verstanden und neue Ansatzpunkte für Therapien und Präventionsmaßnahmen entwickelt werden.“
Kurz zusammengefasst:
- Das Immunsystem altert nicht einfach, es verändert sich: Es verliert junge Abwehrzellen, produziert mehr Entzündungsstoffe und gerät aus dem Gleichgewicht.
- Wie schnell es altert, hängt stark vom Lebensstil ab – Rauchen, Übergewicht, chronische Infektionen und sogar das Geschlecht beschleunigen diesen Prozess.
- Neue Methoden der Medizinischen Hochschule Hannover zeigen erstmals präzise, wie stark sich die Abwehr verändert – und eröffnen Wege zu individuell angepassten Therapien.
Übrigens: Nicht nur Rauchen oder Fettleibigkeit lassen unser Immunsystem schneller altern – auch Hitze wirkt wie ein Beschleuniger für die Zellalterung. Wie hohe Temperaturen das biologische Alter nachweislich erhöhen, erfahren Sie in unserem Artikel.
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