Plötzlicher Alterungsschub ab 50: Wir altern wie ein Auto – bestimmte Organe trifft es zuerst
Ab etwa 50 beschleunigt sich die Alterung vieler Organe – am frühesten betroffen sind die Blutgefäße, vor allem die Aorta.

Im Körper altern Organe nicht gleichzeitig: Während manche noch jung bleiben, beginnen andere bereits ab 30 mit dem schrittweisen Abbau. © Pexels
Mit dem Alter kommt der Verschleiß. Doch wie schnell dieser Prozess abläuft und welche Körperteile zuerst betroffen sind, war bislang unklar. Eine neue Studie aus der Fachzeitschrift Cell, durchgeführt von Wissenschaftlern der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, bringt nun mehr Klarheit: Ab etwa dem 50. Lebensjahr setzt in vielen Organen ein spürbarer Alterungsschub ein. Besonders früh betroffen sind ausgerechnet die Blutgefäße – also genau die Strukturen, die alle anderen Körperregionen versorgen.
Für ihre Analyse untersuchten die Forscher Gewebeproben von 76 verstorbenen Menschen im Alter zwischen 14 und 68 Jahren. Insgesamt analysierten sie 516 Proben aus 13 Organen, darunter Herz, Darm, Leber, Aorta, Milz und Nebenniere. Die Verstorbenen waren an unfallbedingten Hirnverletzungen gestorben, nicht an chronischen Krankheiten – das erlaubt besonders aussagekräftige Rückschlüsse.
Alterung ab 50: Proteine verändern sich auffällig
Besonders zwischen 45 und 55 Jahren beobachteten die Forscher auffällige Veränderungen in vielen Geweben. In dieser Lebensphase stieg die Menge bestimmter Proteine deutlich an – einige davon sind bereits bekannt für ihre Verbindung zu Krankheiten wie Arterienverkalkung, Diabetes oder Bluthochdruck. Die markantesten Veränderungen traten in der Aorta auf, der größten Schlagader des Körpers.
Dort fiel besonders das Protein GAS6 (Growth Arrest–Specific 6) auf. Es spielt normalerweise eine Rolle bei der Zellteilung, Blutgerinnung und Geweberegeneration. Doch in den untersuchten Geweben war GAS6 deutlich überrepräsentiert. Wurde es Mäusen verabreicht, beschleunigte es bei ihnen den Alterungsprozess – mit sichtbaren Schäden an Blutgefäßen und im Gewebe. Damit legt die Studie nahe, dass GAS6 ein zentraler Treiber für die Gefäßalterung sein könnte.
Welche Organe altern zuerst – und wie stark?
- Aorta und Blutgefäße: Altern am frühesten und ausgeprägtesten. Die Aorta wirkt als „senohub“ – eine Schaltzentrale für Alterungssignale. Veränderungen beginnen teils schon mit 30, zwischen 45 und 55 nehmen sie deutlich zu. Aorta-spezifische Proteine wie GAS6 könnten die Alterung im ganzen Körper beschleunigen.
- Nebenniere: Zeigt besonders frühe Alterungsspuren, ab etwa 30. Sie steuert den Hormonhaushalt und reagiert empfindlich auf Stoffwechselveränderungen.
- Milz, Lymphknoten & Muskulatur: Zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr verschlechtert sich die Abstimmung zwischen genetischer Steuerung (mRNA) und Proteinsynthese. Die zelluläre Qualitätskontrolle baut spürbar ab, wichtige Reparatur- und Produktionsprozesse laufen weniger effizient.
- Leber, Haut & Verdauungstrakt: Diese Organe altern vergleichsweise langsam und gleichmäßig. Ihre Proteinzusammensetzung bleibt bis ins höhere Alter weitgehend stabil. Selbst in der untersuchten Altersgruppe bis 68 Jahre zeigten sich keine abrupten Veränderungen wie in der Aorta oder Nebenniere.
Die Aorta als Frühwarnsystem für den gesamten Körper
Diese Unterschiede im Alterungstempo könnten erklären, warum bestimmte Erkrankungen bevorzugt ab Mitte 50 auftreten – etwa Herz-Kreislauf-Leiden oder Stoffwechselstörungen. Die Aorta spielt dabei offenbar eine zentrale Rolle als Taktgeber biologischer Alterung.
Blutgefäße altern wie Autobahnen mit Schlaglöchern
Guanghui Liu, der Hauptautor der Studie, vergleicht die Blutgefäße laut Nature mit einem Straßennetz: „Sie könnten wie Verkehrswege wirken, die alterungsfördernde Stoffe im Körper verteilen.“ Wenn diese Verkehrsadern altern, leidet schnell auch der Rest.
Der Genetiker Michael Snyder von der Stanford University bringt es einfach auf den Punkt:
Wir sind wie ein Auto. Manche Teile verschleißen schneller als andere.
Besonders im Hormon- und Stoffwechselbereich scheinen diese Verschleißspuren früh zu beginnen – so fanden die Forscher bereits um das 30. Lebensjahr erste altersbedingte Veränderungen in der Nebenniere, dem Hormonzentrum des Körpers.
Forscher suchen nach Mustern – und neuen Lösungen
Nicht alle Menschen altern gleich – und auch nicht jedes Organ zur gleichen Zeit. Eine frühere Stanford-Studie, an der Snyder beteiligt war, fand ähnliche Wendepunkte bei 44 oder 60 Jahren. Maja Olecka vom Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena, die nicht an der Studie beteiligt war, erklärt laut Nature: „Es gibt Wellen von altersbedingten Veränderungen. Aber es ist noch schwierig, eine allgemeingültige Aussage über den genauen Zeitpunkt dieser Wendepunkte zu machen.“
Blutalterung ab 50 verläuft wie ein Uhrwerk
Nicht nur Organe wie die Aorta altern früher als gedacht – auch das Blutsystem verändert sich ab dem 50. Lebensjahr grundlegend. Wie eine andere Nature-Studie zeigt, geht die Vielfalt der Blutstammzellen ab diesem Alter deutlich zurück. Stattdessen übernehmen wenige dominante Zelllinien die Kontrolle.
Besonders betroffen sind sogenannte myeloische Zellen, die mit chronischen Entzündungen in Verbindung stehen. Dieser Umbau betrifft laut den beteiligten Forscherteams aus Barcelona und Heidelberg sowohl Mäuse als auch Menschen – und beginnt meist unbemerkt.
Mithilfe der neuen „EPI-Clone“-Technologie konnten die Forscher erstmals sichtbar machen, wie bestimmte Klone nach und nach die gesamte Blutbildung übernehmen. Überraschend: Viele dieser Klone tragen keine typischen Mutationen, was auf einen allgemeinen Alterungsvorgang hindeutet – und nicht auf krankhafte Prozesse.
Kurz zusammengefasst:
- Ab dem 50. Lebensjahr beschleunigt sich die Alterung vieler Gewebe deutlich – besonders betroffen sind Blutgefäße wie die Aorta.
- In einer Studie mit Gewebeproben von 76 Verstorbenen fanden Forscher 48 Proteine, die mit Alterung und Krankheiten wie Arteriosklerose zusammenhängen.
- Erste Veränderungen zeigten sich schon ab 30 in hormonaktiven Organen – das Altern verläuft also in Wellen und betrifft nicht alle Körperteile gleichzeitig.
Übrigens: Auch das Immunsystem trägt zum Altern bei – und zwar früher und stärker als gedacht. Antikörper wie IgG reichern sich in bestimmten Geweben an und treiben dort die Alterung aktiv voran. Mehr dazu in unserem Artikel.
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