Unsichtbar ab 45 – Ältere Frauen kommen in Werbe-Spots kaum vor
Frauen über 45 bleiben in der Werbung stark unterrepräsentiert – trotz wachsender Sichtbarkeit Jüngerer und gelockerter Schönheitsideale.

Werbung ignoriert Millionen Frauen über 45, die einen großen Teil der Bevölkerung ausmachen, jedoch nur 15,5 Prozent der Werbefiguren darstellen. © Pexels
Schlank, hellhäutig, langhaarig – so sehen Frauen in deutschen Werbe-Spots oft aus. Nach wie vor dominiert dieses Bild. Sie wirken mittlerweile zwar selbstbewusster, natürlicher und beruflich erfolgreich. Doch eine Altersgrenze bleibt deutlich: Frauen über 45 kommen kaum vor. Die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin) hat 350 TV-Spots aus den Jahren 2016 und 2024 untersucht. Das Ergebnis: Werbung inszeniert Frauen moderner, aber nur, solange sie jung sind.
Dabei wächst die Zahl älterer Frauen in der Gesellschaft. Trotzdem bleiben sie in der Werbung nahezu unsichtbar. Ihr Anteil stieg in acht Jahren gerade einmal von 10,5 auf 15,5 Prozent.
Schönheitsideale lockern sich – doch beim Alter bleibt Werbung streng
Der Druck auf das Äußere scheint etwas nachgelassen zu haben. Der Anteil an Frauen, die dem klassischen Schönheitsideal entsprechen, sank von 73 auf 58 Prozent. Auch perfekt bearbeitete Bilder mit makelloser Haut und gestyltem Look wurden seltener. 2024 wirkten nur noch 36 Prozent der gezeigten Frauen künstlich inszeniert, 20 Prozent weniger als acht Jahre zuvor.
Doch dieser Fortschritt bleibt an eine Altersgrenze gebunden. Frauen über 45 kommen in kaum einem Spot vor, obwohl sie mitten im Leben stehen, beruflich erfolgreich sind und über Kaufkraft für die beworbenen Produkte verfügen. „Die Fernsehwerbung spiegelt gesellschaftliche Entwicklungen, hinkt dem demografischen Wandel aber oft hinterher“, sagt Studienautorin Merle Matthies.

Frauenbilder ändern sich – aber nur in engen Grenzen
Sexualisierte Bilder sind auf dem Rückzug. 2016 war fast jede fünfte Frau in einem Spot auf ihr Aussehen reduziert. 2024 waren es nur noch 7 Prozent. Die Ausnahme bildet die Kosmetikbranche: Dort liegt der Anteil weiterhin bei 24 Prozent. Zwar wird mit Wohlbefinden und Gesundheit geworben – doch gleichzeitig mit nackter Haut und perfekten Körpern gearbeitet.
Viele Zuschauer dürften sich fragen: Wo bleiben die echten Frauen? Die mit Erfahrung, Falten, grauen Haaren und Führungsposition? In einer Gesellschaft, die immer älter wird, ignorieren viele Werbespots eine realistische Darstellung und Ansprache der passenden Zielgruppe.
Die Studie zeigt: Frauen in der Werbung wirken heute selbstsicher, erfolgreich und zufrieden. Statt Aufopferung stehen Selbstbestimmung und eigenes Wohlbefinden im Vordergrund. „Sie verkörpern zunehmend Kompetenz und Eigenständigkeit“, sagt Matthies. Doch all das gilt vor allem für jüngere Frauen. Wer älter ist, wird kaum dargestellt – als wäre ab Mitte 40 Schluss mit Sichtbarkeit. Dabei endet weder die Karriere noch das Leben mit dem 45. Geburtstag.
In Banken kompetent, im Supermarkt die Hausfrau
Vor allem in klassischen Männer-Branchen wie Finanzen oder Telekommunikation zeigen sich Veränderungen. Frauen treten hier häufiger als Expertinnen oder Berufstätige auf, nicht mehr nur als Partnerin oder Begleiterin. 2016 zeigten über 30 Prozent der Spots Frauen in privaten Rollen. 2024 lag dieser Anteil bei nur noch 16 Prozent.
Ganz anders in der Lebensmittelwerbung: Dort bleibt das Bild stabil und überholt. Frauen tauchen fast ausschließlich als Mütter oder Hausfrauen auf. Die berufstätige, eigenständige Frau bleibt hier weiter außen vor.

Unternehmen verschenken Chancen
Werbung prägt, wen wir sehen und wen wir übersehen. Prof. Dr. Andreas Baetzgen, der die Studie wissenschaftlich begleitet hat, erklärt: „Unternehmen, die sich hier als Vorreiter positionieren, können nicht nur gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, sondern auch wirtschaftlich profitieren.“
Wenn Werbung Frauen realistisch zeigt, stärkt das das Selbstbild. Wenn sie Alter sichtbar macht, schafft sie Vorbilder. Und wenn sie Vielfalt zulässt, spricht sie mehr Menschen an – nicht weniger. Die Studie liefert dafür wichtige Impulse. Doch umgesetzt werden müssen sie von denjenigen, die über Werbe-Bilder entscheiden.
Kurz zusammengefasst:
- Zwischen 2016 und 2024 sank der Anteil von Frauen, die dem klassischen Schönheitsideal entsprechen, in TV-Spots von 73 auf 58 Prozent; künstlich inszenierte Darstellungen gingen ebenfalls stark zurück.
- Frauen werden heute häufiger in beruflichen Rollen gezeigt, vor allem in Branchen wie Finanzen und Telekommunikation – in der Lebensmittelwerbung dominieren dagegen weiterhin traditionelle Frauenbilder.
- Der Anteil von Frauen über 45 Jahren stieg nur leicht auf 15,5 Prozent, obwohl diese Altersgruppe gesellschaftlich wächst; besonders in der Kosmetikwerbung bleibt der Sexismus-Anteil mit 24 Prozent hoch.
Übrigens: Wie stark Werbung Denken und Handeln beeinflussen kann, zeigt eine neue Studie – schon fünf Minuten Junkfood-Werbung führen bei Kindern zu 130 Kalorien mehr am Tag. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Pexels