Schwedische Forscher schlagen vor: Höhere Steuer auf Fleisch, Rabatt auf Gemüse – um Tausende Leben zu retten
Eine schwedische Studie zeigt: Eine neue Steuer auf Fleisch und günstigeres Gemüse könnte Tausende Leben retten – ohne Mehrkosten.
Ein Reformvorschlag aus Schweden: Fleisch teurer, Gemüse günstiger – ohne höhere Kosten für Verbraucher und mit großem Nutzen für Klima und Gesundheit. © Pexels
Wer gesünder essen will, soll dafür nicht mehr bezahlen müssen – das ist die zentrale Botschaft einer neuen Studie der Chalmers University of Technology in Göteborg. Ein Team um den Nachhaltigkeitsforscher Jörgen Larsson hat berechnet, wie eine neue Lebensmittelpolitik aussehen könnte, die Gesundheit und Klima gleichzeitig verbessert – ohne den Einkauf teurer zu machen.
Das Konzept klingt simpel, hat aber weitreichende Wirkung: Wenn Fleisch und zuckerhaltige Getränke stärker besteuert und gleichzeitig Obst, Gemüse und Vollkornprodukte günstiger würden, könnten laut Modellrechnung jährlich 700 vorzeitige Todesfälle verhindert und die CO2-Emissionen um 700.000 Tonnen gesenkt werden. Die gesamte Reform wäre dabei kostenneutral – also weder für Verbraucher noch für den Staat eine finanzielle Belastung.
Weniger Fleisch, mehr Gemüse – ohne teureren Einkauf
In vielen Industrieländern tragen Ernährung und Überkonsum von Fleisch und Zucker erheblich zu vermeidbaren Krankheiten bei. In Schweden sind ungesunde Essgewohnheiten inzwischen für ähnlich viele Todesfälle verantwortlich wie das Rauchen. Gleichzeitig belastet der Lebensmittelkonsum das Klima doppelt so stark wie der gesamte Pkw-Verkehr des Landes.
Die in Ecological Economics veröffentlichte Studie entwickelt daraus ein konkretes Modell: Sie schlägt eine Verschiebung der bestehenden Mehrwertsteuer auf Lebensmittel vor. Gesunde Produkte wie Vollkorn, Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse sollen von der Steuer befreit werden. Im Gegenzug sollen Fleischprodukte, Wurstwaren und gezuckerte Getränke eine zusätzliche Abgabe erhalten.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich eine solche Reform umsetzen lässt, ohne dass der durchschnittliche Einkauf teurer wird“, sagt Studienleiter Larsson. „So könnten wir nicht nur das Klima entlasten, sondern auch Tausende Leben verlängern.“
So würde sich die Preisstruktur verändern
Die Forscher haben reale Kassendaten aus 31 schwedischen Supermärkten über mehr als zwei Jahre ausgewertet – rund 22.000 verschiedene Produkte. Daraus berechneten sie, wie stark sich Konsumgewohnheiten verändern, wenn Preise gezielt verschoben werden.
Demnach könnten folgende Effekte eintreten:
- Rind- und Lammfleisch: plus 25 bis 30 Prozent → rund 20 Prozent weniger Verbrauch
- Zuckerhaltige Getränke: plus 16 bis 18 Prozent → ein Viertel weniger Absatz
- Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte: minus 10 Prozent → etwa 4 Prozent mehr Nachfrage
- Vollkornprodukte: minus 10 Prozent → rund 10 Prozent mehr Nachfrage
Gerade diese Verschiebung bringt laut einem WHO-Risikomodell deutliche gesundheitliche Vorteile. Das Modell, das auf der Global Burden of Disease-Methodik basiert, zeigt, wie stark bestimmte Ernährungsfaktoren die Lebenserwartung beeinflussen. Eine ballaststoffreiche Ernährung mit mehr Vollkorn, Obst und Gemüse senkt demnach das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle, Darmkrebs und Typ-2-Diabetes – und kann so viele vorzeitige Todesfälle verhindern.
Gesundheit profitiert – das Klima ebenso
Im Modell der schwedischen Forscher gehen die gesundheitlichen Effekte und die Klimabilanz Hand in Hand. Der Rückgang des Fleischkonsums senkt nicht nur das Risiko für chronische Krankheiten, sondern reduziert auch den Ausstoß von Treibhausgasen.
Die Studie kommt auf 700.000 Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr, was etwa acht Prozent der Pkw-Emissionen Schwedens entspricht. Der Großteil dieser Reduktion ergibt sich allein durch den geringeren Rindfleischverbrauch.
„Eine Reform, die Ernährung und Klimaschutz gemeinsam denkt, kann beides erreichen – ohne Verlierer“, sagt Larsson. „Denn wenn der Staat gesunde Produkte von der Steuer befreit, profitieren besonders Haushalte mit geringem Einkommen.“
Wie eine faire Steuer die Akzeptanz erhöht
Eine reine „Fleischsteuer“ gilt politisch als unpopulär. Viele Menschen empfinden sie als unsozial, weil sie einkommensschwächere Haushalte stärker trifft. Die schwedische Studie greift diesen Punkt auf: Sie zeigt Wege auf, wie sich die Verteilungseffekte ausgleichen lassen.
Zwei Varianten wurden durchgerechnet:
- Variante 1: Der Staat verteilt die Mehreinnahmen pauschal an alle Bürger zurück – etwa als monatlichen Bonus.
- Variante 2: Die Steuerbefreiung für gesunde Lebensmittel wirkt direkt im Laden – sichtbar auf dem Kassenzettel.
Beide Wege führen laut Berechnungen dazu, dass das durchschnittliche Haushaltsbudget praktisch unverändert bleibt. Die Unterschiede liegen unter einem Euro pro Monat.
Politische Umsetzung ist möglich
Seit 2022 erlaubt die Europäische Union eine flexiblere Gestaltung der Mehrwertsteuer. Staaten dürfen auf bis zu sieben Produktgruppen den Steuersatz auf null setzen. Lebensmittel gelten ausdrücklich als zulässige Kategorie – besonders, wenn sie der öffentlichen Gesundheit dienen.
Damit wären ähnliche Reformen auch in Deutschland machbar. Laut der Studie könnten sie das Gesundheitssystem entlasten, Krankheitskosten senken und gleichzeitig die Klimaziele unterstützen.
„Wenn wir wirklich etwas gegen die negativen Folgen unserer Ernährung tun wollen, sind gezielte Steuern und Entlastungen der effektivste Hebel“, so Larsson.
Tierwohl und Produktion bleiben entscheidend
Eine Verschiebung der Nachfrage darf jedoch nicht zu Lasten des Tierwohls gehen, so die Wissenschaftler. Wenn weniger Rindfleisch konsumiert wird, aber dafür mehr Geflügel, wäre die Bilanz negativ. Geflügel schneidet im sogenannten Tierwohlindex besonders schlecht ab.
Deshalb empfehlen die Autoren, die Reform mit klaren Tierwohlstandards und einer Förderung pflanzlicher Alternativen zu verbinden. Auch der Fischkonsum soll nicht pauschal subventioniert werden, da viele Fischprodukte eine überraschend hohe Klimabelastung haben.
Kurz zusammengefasst:
- Eine schwedische Studie zeigt: Gezielte Steuern auf Lebensmittel – teureres Fleisch, günstigeres Gemüse – könnten Gesundheit und Klima verbessern, ohne dass der Einkauf teurer wird.
- Die Forscher berechnen: So ließen sich 700 Todesfälle pro Jahr vermeiden und 700.000 Tonnen CO2 einsparen.
- Durch neue EU-Regeln wäre eine solche Steuerreform für Lebensmittel auch in Deutschland umsetzbar.
Übrigens: Der Fleischkonsum hat enorme Folgen fürs Klima. Forscher aus den USA zeigen erstmals, dass ein einziges Steak mehr CO2 verursacht als ein ganzes Jahr Stromverbrauch – mehr dazu in unserem Artikel.
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