Wie die Lebensmittelindustrie durch Manipulation unser Essverhalten steuert
Schon eine kurze Aufklärung über die Manipulation der Lebensmittelindustrie verändert die Haltung junger Menschen gegenüber ungesunden Produkten.

Appetitlich, aber kalkuliert: Burger wie dieser sind Teil der Taktik der Lebensmittelindustrie. © Unsplash
Pommes, Chips, Fertigpizza – sie schmecken intensiv, sind leicht verfügbar und wirken oft wie ein Trostspender im Alltag. Doch kaum jemand weiß: Viele dieser stark verarbeiteten Produkte enthalten Kombinationen aus Zucker, Fett und Zusatzstoffen, die gezielt süchtig machen sollen. Eine neue Studie der University of Michigan zeigt, wie gezielte Manipulation durch die Lebensmittelindustrie das Essverhalten junger Menschen beeinflusst und wie schon eine Minute Aufklärung daran etwas ändern kann. Die Untersuchung knüpft dabei an Strategien an, die in der Tabakprävention erfolgreich waren.
Botschaft mit Wirkung: Schon eine Minute reicht
Bisher galt: Wer viel Junkfood isst, ist selbst schuld. Doch das greift zu kurz. Denn viele der stark verarbeiteten Produkte enthalten Kombinationen aus Zucker, Fett und Salz, die gezielt so entwickelt wurden, dass man kaum aufhören kann. Genau das macht sie so gefährlich – vor allem für junge Menschen, die zur Hauptzielgruppe der Hersteller gehören.
Die Forscher wollten wissen, ob man diesen Mechanismen etwas entgegensetzen kann. Die Antwort: Ja – mit der richtigen Botschaft. Schon ein einminütiges Video reichte, um die Einstellung von 18- bis 25-Jährigen deutlich zu verändern. Die Teilnehmer sahen die Hersteller anschließend deutlich kritischer.
Wir fanden heraus, dass wir durch den Fokus auf die Taktiken der Industrie anstatt auf individuelle Entscheidungen die öffentliche Wahrnehmung verändern können, ohne die Gewichtsstigmatisierung zu verschärfen.
Ashley Gearhardt von der University of Michigan
Die Lebensmittelindustrie entwickle laut Gearhardt Produkte, die gezielt an bestimmte Bedürfnisse angepasst werden – nicht nur geschmacklich, sondern auch chemisch. Ziel sei es, Menschen zum Wiederkauf zu animieren – nicht zur Sättigung.
Anti-Tabak-Kampagne gegen die Manipulation der Lebensmittelindustrie
Die Forscher orientierten sich bei ihrem Ansatz an früheren Anti-Tabak-Kampagnen. Auch dort habe man erfolgreich aufgezeigt, wie Konzerne gezielt süchtig machende Produkte mit enormem Marketingdruck in den Markt gebracht hätten. Der Blick richtete sich damals nicht auf das Individuum, sondern auf die Machtstrukturen dahinter.
Jetzt steht die Lebensmittelbranche im Zentrum der Kritik. Die Studie zeigt: Wer offen über die Tricks der Lebensmittelindustrie spricht, kann mehr Menschen für gesundheitspolitische Maßnahmen gewinnen.
Keine Schuldzuweisung – aber klare Verantwortung
Anders als bei klassischen Ernährungskampagnen geht es in diesem Ansatz nicht darum, Menschen für ihr Gewicht oder ihre Entscheidungen zu beschämen. Im Gegenteil: Die Forscher wollen aufzeigen, dass viele scheinbar „schlechte Entscheidungen“ in Wahrheit Ergebnis gezielter Beeinflussung sind – über Geschmack, Werbung und Gewöhnungseffekte.
Besonders für junge Menschen ist das relevant: Sie sind die wichtigste Zielgruppe der Industrie und besonders anfällig für schnelle, kostengünstige Snacks. Gleichzeitig kämpfen viele von ihnen mit gesundheitlichen Folgen wie Übergewicht oder Essstörungen.
Auch in Deutschland ein wachsendes Problem
Die Ergebnisse der Studie stammen zwar aus den USA, aber sie betreffen auch Deutschland. Hierzulande steigt der Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel ebenfalls – vor allem bei jungen Erwachsenen. Gleichzeitig nehmen Übergewicht, Diabetes und andere ernährungsbedingte Erkrankungen zu. Vielen fällt es schwer, im Alltag gesunde Entscheidungen zu treffen. Kein Wunder: Die Auswahl an billigen, extrem schmackhaften Fertigprodukten wächst ständig.
Die Forscher fordern deshalb: Aufklärung muss anders aussehen. Nicht belehrend, sondern aufdeckend. Nicht gegen Einzelne, sondern gegen die Strategien großer Konzerne. Eine klare Botschaft – mit großer Wirkung.
Kurz zusammengefasst:
- Stark verarbeitete Lebensmittel wie Chips oder Fertigpizza werden gezielt so entwickelt und vermarktet, dass sie süchtig machen – ähnlich wie einst Zigaretten.
- Bereits eine kurze Erklärung über die gezielte Manipulation der Lebensmittelindustrie reicht aus, um junge Erwachsene kritischer gegenüber den Herstellern einzustellen.
- Statt Einzelne für ungesundes Essverhalten verantwortlich zu machen, schlägt die Studie vor, gezielt die Industrie und ihre Methoden in den Fokus der öffentlichen Aufklärung zu rücken.
Übrigens: Während die Lebensmittelindustrie mit gezielter Manipulation Rezepturen verändert, um Produkte süchtig machend zu machen, sorgt Kälte im Supermarkt für ein anderes Täuschungsmanöver: Viele vermeintlich frische Lebensmittel sind in Wahrheit längst Monate alt. Mehr dazu in unserem Artikel.
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