Frau erkannte ihr Pretty Privilege erst, als es weg war: „Je mehr ich zunahm, desto weniger Aufmerksamkeit bekam ich.“

Eine Frau teilt auf Reddit die Geschichte, wie „Pretty Privilege“ ihren Alltag bestimmt hat – und das ohne, dass sie es je bemerkt hatte.

Frau erkannte ihr Pretty Privilege erst, als es weg war

Oft bemerkt man erst, dass man etwas hatte, wenn es plötzlich weg ist: So auch beim sogenannten „Pretty Privilege“. © Pexels

Jahrelang bemerkte eine Frau nicht, dass sie sich in einer Welt bewegte, in der gutes Aussehen Türen öffnet. Erst als eine medikamentöse Behandlung ihr Äußeres veränderte, wurde ihr klar, wie stark ihr sogenanntes „Pretty Privilege“ ihr Leben geprägt hat.

Was ist das „Pretty Privilege“?

Mit diesem Begriff wird die bevorzugte Behandlung von schönen (nach den Schönheitsidealen der jeweiligen Gesellschaft) oder attraktiven Menschen bezeichnet. Diese kann sich sowohl in privaten als auch in beruflichen Lebensbereichen zeigen. Ein psychologischer Ansatz, um dieses Phänomen zu erklären, ist der sogenannte Halo-Effekt. Dieser beschreibt die Tendenz, wie auffällige Merkmale – etwa körperliche Attraktivität – unsere Wahrnehmung verzerren. Attraktive Menschen gelten dadurch oft automatisch als intelligenter oder sympathischer.

In einem Reddit-Post auf r/confessions schildert eine Nutzerin unter dem Namen Cool-Wear-8826, wie sie durch die Nebenwirkungen eines Medikaments deutlich an Gewicht zulegte. Trotz gesunder Ernährung und regelmäßiger Bewegung verlangsamte sich ihr Stoffwechsel massiv.

Je mehr ich zunahm, desto weniger Aufmerksamkeit bekam ich.

Cool-Wear-8826, Reddit-Nutzerin

Gewichtszunahme macht sie plötzlich unsichtbar

Ihr Alltag veränderte sich radikal: Wo früher Blicke, Lächeln und Hilfsbereitschaft selbstverständlich waren, kam nun Ablehnung. „Plötzlich musste ich im Geschäft selbst um Hilfe bitten – niemand bot sie mir mehr an“, schrieb sie auf Reddit. Die gesellschaftliche Unsichtbarkeit sei anfangs befremdlich gewesen, dann erschütternd.

In dieser Phase begann sie, andere Menschen mit ähnlichen Erfahrungen bewusster wahrzunehmen. Sie achtete auf Menschen, die ebenfalls nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprachen – und begegnete ihnen mit echter Offenheit.

Nach etwa anderthalb Jahren kam die Wende: Ein neues Medikament ohne negative Auswirkungen auf den Stoffwechsel ließ die Kilos schmelzen – ganz ohne Diät oder zusätzliche Bewegung. Und mit der schrittweisen Gewichtsreduktion kehrte auch die gesellschaftliche Aufmerksamkeit zurück.

„Das erste Mal spürte ich es wieder, als ein attraktiver Verkäufer mich ansprach, mir in die Augen sah und fragte, ob ich Hilfe bräuchte“, berichtet sie auf Reddit. In diesem Moment habe sie sich wieder „gesehen“ gefühlt – und war zugleich entsetzt über die oberflächliche Ungleichheit des Alltags.

Das Pretty Privilege kehrt zurück – mit Schuldgefühlen

Heute sei ihr bewusster denn je, welchen Vorteil sie durch ihr Äußeres habe. „Ich fühle mich gleichzeitig demütig und schuldig“, schrieb sie auf Reddit. Dass allein ein Wechsel des Medikaments ihr Privileg zurückgebracht habe, sei ein unfairer Luxus, den viele nicht hätten.

Trotz ihrer neuen Sichtbarkeit sucht sie gezielt Kontakt zu Menschen, die früher „unsichtbar“ für sie gewesen wären. Mit einem Lächeln – egal wem gegenüber – will sie ein kleines Gegengewicht zur sozialen Kälte schaffen. „Ich wurde ein besserer Mensch“, sagt sie – nicht, weil sie früher schlecht gewesen sei, sondern weil sie erst durch den Verlust ihres Pretty Privilege gelernt habe, wie verletzend soziale Ausgrenzung wirkt.

Ihre Geschichte auf Reddit hat tausende Menschen erreicht. Viele Nutzer kommentierten mit eigenen Erfahrungen – oft ähnlich, oft ebenso schmerzhaft. Der Post hat über 2.100 Kommentare und 41.000 Likes bekommen.

Reddit-Nutzer teilen ihre Erfahrungen

Wiley_Rasqual erzählt, wie er unter dem Pretty Privilege gelitten hat: „Vor ein paar Jahren habe ich ziemlich viel abgenommen. In meinen mittleren Dreißigern wog ich weniger als damals, als ich die Highschool abgeschlossen habe.“ Er erzählt weiter:

Ich hatte große Schwierigkeiten damit, die plötzliche Aufmerksamkeit von fremden Leuten zu verarbeiten. Ehrlich gesagt mochte ich es lieber, weniger beachtet zu werden. Ich weiß nicht, wie hübsche Menschen damit klarkommen. Vielleicht, wenn man sich dessen nicht bewusst ist oder die Leute einen schon das ganze Leben lang so behandeln, dann merkt man es einfach nicht.

Wiley_Rasqual, Reddit-Nutzer

Gabrovi hat ebenfalls Erfahrungen mit dem Pretty Privilege gemacht, aber aus einer anderen Perspektive. Er ist Arzt und führt Operationen zur Gewichtsreduktion durch und erzählt aus seinem Arbeitsalltag: „Die meisten meiner Patienten sind begeistert von den Ergebnissen. Aber eine war wütend. Das hat mich überrascht, denn eigentlich schien es ihr großartig zu gehen.“

Sie erzählte ihm, dass sie in den sechs Monaten nach der Operation zwei Beförderungen erhalten hatte. Gabrovi sagte darauf, dies sei doch wunderbar. Er verstand nicht, warum sie darüber so wütend war.

Sie sah mir direkt in die Augen und sagte: ‘Ich arbeite seit zehn Jahren in diesem Job. Die Qualität meiner Arbeit hat sich kein bisschen verändert. Das Einzige, was sich verändert hat, ist mein Gewicht.’ In dem Moment hatte ich eine Erkenntnis, die ich vorher nie gehabt hatte.

Gabrovi, Reddit-Nutzer

Die Frau, die die Pretty-Privilege-Diskussion angestoßen hat, weiß selbst durch ihre geschilderten Erfahrungen: Auch mit zunehmendem Alter wird sie wieder Ausgrenzung erleben. Doch sie fühlt sich vorbereitet. „Solange ich meine Familie und gute Freunde habe, ist das alles, was wirklich zählt.“

Kurz zusammengefasst:

  • Eine Frau erkennt erst nach einer starken Gewichtszunahme, wie sehr äußere Attraktivität ihr Leben zuvor erleichtert hat.
  • Durch den Verlust des sogenannten Pretty Privilege erlebt sie soziale Ausgrenzung und entwickelt mehr Empathie für andere.
  • Als sie später ihr ursprüngliches Aussehen zurückgewinnt, fühlt sie sich gleichzeitig dankbar und beschämt über die Ungleichbehandlung.

Bild: © Pexels

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