„Diskriminierung vergiftet das soziale Klima“ – und verbaut Jugendlichen den Weg nach oben
Diskriminierung wegen Herkunft, Armut oder Behinderung nimmt Jugendlichen in Deutschland früh die Chancen auf Bildung und sozialen Aufstieg.

Viele Jugendliche in Deutschland erleben Ausgrenzung schon früh im Bildungssystem. Herkunft, Behinderung oder Armut mindern ihre Chancen auf schulischen Erfolg. © Pexels
In Deutschland entscheidet noch immer oft die Herkunft über die Zukunft. Viele Kinder und Jugendliche erleben Diskriminierung – sei es wegen ihrer sozialen Lage, einer Behinderung oder weil sie aus einem nicht-akademischen Elternhaus stammen. Wie sehr das ihre Chancen einschränkt, zeigt die aktuelle Ausgabe des Magazins DJI Impulse des Deutschen Jugendinstituts (DJI).
Die darin veröffentlichten Daten zeigen das Ausmaß der Ausgrenzung: Besonders betroffen sind junge Erwachsene mit Migrationshintergrund oder körperlicher Beeinträchtigung. Mehr als die Hälfte der 18- bis 25-Jährigen mit Migrationsgeschichte berichten von Diskriminierungserfahrungen. Bei Gleichaltrigen mit Behinderung liegt der Anteil bei rund einem Drittel. Fast jedes vierte Kind in Deutschland lebt zudem unter Bedingungen sozialer Ausgrenzung oder Armut.
Wer anders ist, wird häufiger benachteiligt
Diskriminierung trifft nicht nur vereinzelt. Sie prägt die Lebensrealität vieler – besonders von Jugendlichen, die aus Sicht der Gesellschaft als anders gelten:
- mit Migrationsgeschichte
- mit körperlicher oder seelischer Beeinträchtigung
- aus einkommensschwachen Familien
- mit nicht-heterosexueller Orientierung
Diese Erfahrungen hinterlassen Spuren. Das Selbstwertgefühl leidet. Die Chancen auf einen guten Bildungsweg und beruflichen Erfolg sinken. Millionen junge Menschen spüren, dass sie nicht die gleichen Möglichkeiten haben wie andere.
Prof. Dr. Sabine Walper, Direktorin des DJI warnt:
Diskriminierungserfahrungen vergiften das soziale Klima.
Wer sich dauerhaft ausgeschlossen fühlt, verliert Vertrauen – in sich selbst und in die Gesellschaft.
We früh benachteiligt ist, bleibt es oft ein Leben lang
Kinder, die mit Armut oder Ausgrenzung aufwachsen, starten mit Nachteilen. Und diese verschwinden nicht von allein. Wer weniger gefördert wird, bleibt häufiger zurück. Fehlende Unterstützung in der Kita, schlechtere Lernbedingungen in der Schule, weniger Zugang zu Ausbildung und Freizeit – aus einem Nachteil wird schnell ein dauerhafter Rückstand.
Auch für die Gesellschaft ist das ein Problem. Denn Potenziale bleiben ungenutzt. Gerade dort, wo neue Ideen und Fachkräfte gebraucht werden, fehlen Chancen für jene, die sie dringend benötigen.
Maßnahmen, die wirklich helfen
Was also tun? Ferda Ataman, Antidiskriminierungsbeauftragte der Bundesregierung, nennt drei konkrete Schritte:
- Alle Bundesländer sollten Antidiskriminierungsgesetze erlassen
- Das Lebensalter soll als Schutzmerkmal im Grundgesetz aufgenommen werden
- Mehr Aufklärung an Schulen über Diskriminierung
Diese Vorschläge sollen Betroffene stärken und präventiv wirken. Denn wer seine Rechte kennt, kann sich besser wehren. Und wer früh erfährt, dass Ausgrenzung kein persönliches Versagen ist, entwickelt ein gesundes Selbstbild.
Jugendliche wollen mitentscheiden
Politische Entscheidungen, die junge Menschen betreffen, werden oft ohne ihre Stimme getroffen. Dabei wissen sie am besten, wo es im Alltag hakt – in der Schule, in Jugendhilfesystemen oder im Wohnumfeld.
Das Bundesjugendkuratorium fordert, Kinder und Jugendliche systematisch in Gesetzgebungsverfahren einzubeziehen. Migrations- und Bildungssoziologe Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani und Dr. Pia Jäger vom DJI empfehlen, sich dabei an den Prinzipien des internationalen Minderheitenschutzes zu orientieren. Beteiligung sei nicht nur demokratisch notwendig – sie stärke auch das Vertrauen junger Menschen in die Gesellschaft.
Bildung allein reicht nicht
Gute Bildung eröffnet Möglichkeiten – aber sie allein gleicht strukturelle Ungleichheit nicht aus. Auch die Einrichtungen selbst müssen sich ändern. Kitas, Schulen und Jugendämter sollten Vielfalt nicht nur akzeptieren, sondern aktiv leben.
Dazu braucht es:
- Angebote in mehreren Sprachen
- Personal, das für Diversität sensibilisiert ist
- klare Regeln gegen Ausgrenzung – und deren konsequente Umsetzung
Denn faire Bedingungen sind kein Luxus – sie sind ein Grundrecht.
Kurz zusammengefasst:
- In Deutschland erleben viele Jugendliche Diskriminierung – besonders häufig betrifft es junge Menschen mit Migrationshintergrund, Behinderung oder aus armen Familien.
- Diese Ausgrenzung verringert ihre Chancen auf Bildung, Beruf und gesellschaftliche Teilhabe und führt oft zu dauerhaftem Rückstand.
- Fachleute fordern konkrete Maßnahmen: mehr Schutz durch Gesetze, Aufklärung in Schulen und echte Mitbestimmung für junge Menschen.
Übrigens: Noch immer bestimmt in Deutschland die soziale Herkunft, welchen Bildungsweg ein Kind einschlägt – oft schon vor dem ersten Schultag. Wie sich diese Ungleichheit über Jahrzehnte verfestigt hat und was dagegen hilft – mehr dazu in unserem Artikel.
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