China will „Sozialkreditsystem“ ausbauen: Überwachungsapparat oder nur eine Art Schufa?
China will sein Sozialkreditsystem reformieren und erweitern – bedeutet dies die so oft befürchtete „totale Überwachung“?
China hat große Pläne zur Überarbeitung seines „Social Credit Score“ (zu Deutsch „Sozialkreditsystem“) bekannt gegeben. Die staatliche Kommission für Entwicklung und Reform verkündete am Dienstag, den 4. Juni, neue Initiativen, die eine umfassende Vernetzung lokaler Kreditplattformen und eine Beschleunigung der gesetzlichen Prozesse vorsehen. Diese Reformen zielen darauf ab, das System auf zusätzliche Bereiche wie Tourismus, Gesundheitswesen und Altenpflege auszudehnen.
Im Rahmen der angekündigten Veränderungen plant China, den Umgang mit Kreditinformationen strenger zu regulieren. Dies diene dem Schutz der Privatsphäre und der Verbesserung von Geschäftsgeheimnissen. Ein einheitliches und zuverlässiges Verfahren zur Kreditüberprüfung solle in Bereichen wie Unternehmensregistrierung, Rechtsberatung, und Finanzen eingeführt werden, berichtet die staatsnahe chinesische Nachrichtenagentur Xinhua. Diese Schritte seien Teil einer größeren Strategie, die auf die Schaffung eines sicheren Datenflusses und eine stärkere Integration der verschiedenen Dienste abziele.
Hintergrund und westliche Kritik
Das Sozialkreditsystem wird im Westen oft als ein Werkzeug totaler staatlicher Überwachung gesehen. So zitiert Der Standard den früheren US-Vizepräsidenten Mike Pence, der es als „Orwell’sches Überwachungssystem“ bezeichnete, das darauf ausgerichtet sei, „jeden Aspekt des menschlichen Lebens zu kontrollieren“. Der Überwachungs-Aspekt spielt jedoch (zumindest in den meisten Regionen Chinas) überhaupt keine Rolle: Im Fokus steht der wirtschaftliche Nutzen.
Wirtschaftliche Impulse
Das Hauptziel des chinesischen Sozialkreditsystems scheint es nämlich zu sein, die Kreditwürdigkeit innerhalb der chinesischen Wirtschaft, sowohl bei inländischen als auch bei ausländischen Unternehmen, besser abschätzen zu können. Es wäre damit eher das chinesische Äquivalent zur deutschen Schufa als ein dediziertes Überwachungsmittel. Staatsunternehmen genießen bei der Vergabe von Krediten oft Vorteile, während private Firmen oft dazu verdammt sind, sich ihr Geld von einem halblegalen, undurchsichtigen Schattenbanksektor zu holen. Schätzungen, wie groß dieser „graue Markt“ sein könnte, belaufen sich auf eine Höhe der gesamten britischen Volkswirtschaft.
Das Sozialkreditsystem soll an dieser Stelle also einen systematischeren Ansatz ermöglichen und für mehr Gerechtigkeit und Transparenz sorgen, indem Unternehmen nach Faktoren wie dem pünktlichen Zahlen von Steuern, Produktstandards und der Einhaltung von Umweltauflagen bewertet werden.
Schulden und lokale Wirtschaftsprobleme
Ein weiteres Problem, das durch das Sozialkreditsystem angegangen werden soll, ist die Verschuldung lokaler und provinzieller Regierungen in China. Diese können keine Anleihen ausgeben und sind daher stark auf den Verkauf von Land angewiesen. Durch die Bereitstellung von Daten über die Kreditwürdigkeit soll das System auch hier für mehr Durchsichtigkeit sorgen und potenziell vor wirtschaftlichem Missmanagement schützen.
Technische Umsetzung und ethische Bedenken
Obwohl technisch möglich, wurde ein flächendeckendes Überwachungssystem nie vollständig in China eingeführt. Es gibt jedoch vereinzelte Pilotprojekte, wie etwa in Shanghai. Dort erfassen Gesichtserkennungskameras an Ampeln Menschen, die bei Rot die Straße überqueren. Diese Personen werden dann öffentlich bloßgestellt, indem ihre Gesichter an eine für alle in der Nähe sichtbare Anzeige projiziert werden. Allerdings geht es hierbei nicht darum, Menschen zu mehr Parteikonformität zu bewegen.
Anders sieht es da wieder in der Region Xinjiang aus, in der hauptsächlich Mitglieder der ethnischen Minderheit der Uiguren leben. Das ZDF spricht davon, dass dort mit modernster Gesichtserkennungs-Software Personen aussortiert werden, die sich kritisch über die kommunistische Partei äußern. Diese Menschen würden dann in einem der sogenannten „Umerziehungslager“ in der Region landen.
Was du dir merken solltest:
- Das Sozialkreditsystem in China, das offiziell darauf abzielt, die Kreditwürdigkeit in der Wirtschaft zu verwalten und zu verbessern, steht in westlichen Ländern in der Kritik, ein Überwachungsinstrument zu sein.
- Abgesehen von einigen Pilotprojekten, bei die bereits Technologien wie Gesichtserkennungskameras verwenden, etwa um Verkehrssünder öffentlich anzuprangern, gibt es noch keine großflächige Überwachung.
- Besonders problematisch ist der Einsatz solcher Technologien in der Region Xinjiang. Dort liegen Berichte vor, dass Uiguren mittels Gesichtserkennung identifiziert und in Umerziehungslager gebracht werden, falls sie sich kritisch gegenüber der kommunistischen Partei äußern.
Übrigens: Das chinesische Ministerium für Staatssicherheit warnt seine Beamten vor ausländischen Spionen, die vertrauliche Daten aus Cloud-Diensten stehlen könnten. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel.
Bild: © Vecteezy
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