Geringer Lohn, keine Sicherheit: Jede zweite Frau bleibt finanziell abhängig – ein Leben lang
Arbeiten, aber arm bleiben – für viele Frauen in Deutschland ist das Alltag. Fehlende Betreuung, Teilzeitfalle und niedrige Löhne machen finanzielle Unabhängigkeit unmöglich.
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Viele Frauen in Deutschland sind trotz Erwerbstätigkeit finanziell nicht unabhängig, da sie geringere Einkommen als Männer haben. © Vecteezy
Trotz Arbeit reicht das Geld nicht: Mehr als die Hälfte der berufstätigen Frauen in Deutschland kann sich nicht allein finanzieren (53 Prozent). Besonders betroffen sind Mütter – 70 Prozent der berufstätigen Frauen verdienen nicht genug, um sich und ein Kind langfristig finanziell abzusichern. Ohne zusätzliche Unterstützung, sei es durch einen Partner oder staatliche Hilfen, haben sie langfristig kaum eine Chance auf finanzielle Sicherheit. Warum ist das so? Und welche Stellschrauben müsste die Politik drehen, um das zu ändern?
Eine aktuelle Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hat untersucht, warum Frauen in wirtschaftlicher Abhängigkeit bleiben und welche Hürden ihre finanzielle Unabhängigkeit erschweren. Dabei spielen viele Faktoren eine Rolle – von der fehlenden Kinderbetreuung über die Steuerpolitik bis hin zu schlecht bezahlten Berufen.
Fehlende Betreuungsangebote erschweren Vollzeitarbeit
Ein großes Problem ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Viele Frauen würden gerne mehr arbeiten, doch es fehlt an verlässlichen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder pflegebedürftige Angehörige. Vor allem für Mütter bedeutet das: Teilzeit statt Vollzeit – mit langfristigen Folgen für Einkommen und Rente.
Gleichzeitig sind viele Arbeitgeber noch nicht auf flexible Arbeitszeitmodelle eingestellt. Wer Beruf und Familie unter einen Hut bringen will, muss oft Abstriche machen. Laut der Studie könnte eine bessere Betreuungsinfrastruktur Frauen helfen, ihr Arbeitspensum zu erhöhen und finanziell unabhängiger zu werden.

Warum das Steuersystem Frauen benachteiligt
Ein weiteres Hindernis liegt im deutschen Steuersystem. Durch das Ehegattensplitting, das Verheiratete steuerlich entlastet, lohnt es sich für viele Frauen finanziell nicht, in Vollzeit zu arbeiten – vor allem dann, wenn der Partner mehr verdient. Ähnlich problematisch sind Minijobs: Sie bringen zwar kurzfristig ein zusätzliches Einkommen, bieten aber kaum soziale Absicherung, etwa für die Rente.
Laut Studie müsste das Steuersystem reformiert werden, um Frauen den Weg in existenzsichernde Arbeitsverhältnisse zu erleichtern. Eine Anpassung des Ehegattensplittings und bessere Bedingungen für Teilzeitkräfte könnten dazu beitragen.
Was als existenzsicherndes Einkommen gilt
Wie viel Geld braucht eine Person in Deutschland eigentlich, um ohne zusätzliche Unterstützung über die Runden zu kommen? Laut Berechnungen liegt die Grenze für eine alleinstehende Person bei etwa 1.500 Euro brutto im Monat. Wer ein Kind hat, braucht mindestens 1.850 Euro. Doch das reicht nur für den aktuellen Lebensunterhalt.
Um langfristig abgesichert zu sein – etwa für den Fall einer Arbeitslosigkeit oder im Alter – wäre ein deutlich höheres Einkommen nötig. Frauen ohne Kinder müssten mindestens 2.900 Euro brutto verdienen, Mütter mit kleinen Kindern rund 3.600 Euro. In der Realität bleibt das für viele unerreichbar, weil sie entweder zu wenig verdienen oder zu wenige Stunden arbeiten können.
Warum Frauen im Schnitt weniger verdienen
Frauen verdienten in Deutschland im Jahr 2024 laut DGB durchschnittlich 18 Prozent weniger als Männer. Diese Einkommenslücke wird als Gender Pay Gap bezeichnet und zeigt, dass Frauen trotz Erwerbsarbeit finanziell oft schlechter dastehen. Ein Grund: Sie arbeiten häufiger in Teilzeit. Doch auch in vielen Berufen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind – etwa in der Pflege oder Erziehung – sind die Gehälter niedriger als in männerdominierten Branchen.
Doch selbst wenn Frauen und Männer genau die gleiche Tätigkeit ausüben, gibt es oft noch einen Unterschied im Gehalt. Dieser sogenannte „bereinigte Gender Pay Gap“ bleibt bestehen, auch wenn man Faktoren wie Berufswahl, Arbeitszeiten und Qualifikation herausrechnet. Das bedeutet, dass Frauen in vielen Fällen für identische Arbeit immer noch schlechter bezahlt werden als Männer.
Die DGB-Studie zeigt auch, dass eine Aufwertung dieser Berufe und bessere Löhne für Frauen langfristig zu mehr finanzieller Unabhängigkeit führen können. Auch eine stärkere Tarifbindung würde helfen, denn tariflich geregelte Löhne liegen oft über dem gesetzlichen Mindestlohn.
Wie Familien finanziell entlastet werden können
Ein weiterer Punkt ist die unbezahlte Arbeit im Haushalt. Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen und Haushaltsaufgaben sind meist Frauensache – und lassen oft keine Vollzeitstelle zu. Eine mögliche Lösung wären staatliche Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen. Familien könnten sich dadurch Unterstützung leisten, während gleichzeitig neue, regulär bezahlte Jobs in diesem Bereich entstehen.
Die Studie zeigt, dass es viele Stellschrauben gibt, an denen gedreht werden müsste, um Frauen wirtschaftlich unabhängiger zu machen. Dazu gehören bessere Betreuungsmöglichkeiten, fairere Löhne und eine Steuerpolitik, die Erwerbstätigkeit nicht bestraft, sondern belohnt.
Kurz zusammengefasst:
- Viele Frauen in Deutschland können sich trotz Arbeit nicht eigenständig finanzieren, weil sie seltener in Vollzeit arbeiten können, geringere Löhne erhalten und durch das Steuersystem benachteiligt werden.
- Der Gender Pay Gap zeigt, dass Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger verdienen als Männer, selbst wenn sie dieselbe Arbeit leisten – strukturelle Hürden wie schlecht bezahlte Berufe, Teilzeitstellen und fehlende Aufstiegschancen spielen dabei eine große Rolle.
- Um Frauen wirtschaftlich unabhängiger zu machen, braucht es bessere Betreuungsmöglichkeiten, höhere Löhne in frauendominierten Berufen und eine Steuerpolitik, die Anreize für Vollzeitbeschäftigung schafft.
Bild: © Vecteezy
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