Nicht schlucken, sondern nutzen – Wie Ärger im Job zum Motor für mehr Produktivität wird
Was passiert, wenn Wut im Job nicht unterdrückt, sondern gezielt eingesetzt wird? Eine neue Studie liefert überraschende Antworten.

Wer Wut am Arbeitsplatz gezielt und respektvoll äußert, kann Konflikte schneller lösen und produktiver arbeiten. © Freepik
Wut gehört zu den Gefühlen, die im Berufsleben meist keinen Platz haben sollen. Wer laut wird oder kritisiert, gilt schnell als unprofessionell oder schwierig. Doch eine neue Studie der Universität Hohenheim zeigt: Wut kann am Arbeitsplatz sogar hilfreich sein – wenn man richtig mit ihr umgeht.
Die Forscher begleiteten 214 Angestellte aus zehn Branchen über zwei Wochen hinweg. Täglich berichteten die Teilnehmer dreimal, ob sie sich geärgert hatten, wie sie damit umgegangen sind und wie sie ihre Leistung einschätzten. Am Ende standen über 1.600 Momentaufnahmen zur Verfügung. Das Ergebnis überrascht: Wut an sich macht weder unproduktiv noch unkonzentriert. Entscheidend ist, was danach passiert.
Ärger an sich ist kein Produktivitätskiller.
Studienleiter Dr. Robin Umbra
Solange der Ärger nicht unterdrückt oder verdrängt wird, kann er sogar helfen. Vor allem dann, wenn man den Mut hat, klar und respektvoll zu sagen, was einen stört. Die Forscher nennen diesen Umgang „konfrontative Bewältigung“. Dabei geht es nicht um lautes Poltern, sondern um gezielte Kommunikation. Wer seinem Ärger Luft macht – ohne verletzend zu werden –, nutzt die Energie, die in ihm steckt.
Wer Probleme anspricht, findet schneller Lösungen
Prof. Dr. Ulrike Fasbender, Mitautorin der Studie, erklärt: „Menschen, die ihren Ärger konstruktiv angehen und offen und respektvoll die Ursache ihres Unmuts ansprechen, können die Energie, die durch Wut freigesetzt wird, produktiv nutzen.“
Gerade im Job kann das vieles verändern. Wer Konflikte anspricht, statt sie hinunterzuschlucken, zeigt Engagement. Oft klären sich Missverständnisse schneller. Arbeitsabläufe verbessern sich. Und die Motivation steigt – vorausgesetzt, das Umfeld stimmt.
Vertrauen im Team macht den Unterschied
Entscheidend ist, wie wohl man sich im Team fühlt. Wer Rückhalt spürt und weiß, dass die eigene Meinung zählt, hat es leichter, Ärger in Worte zu fassen. In solchen Teams bleibt die Wut nicht destruktiv, sondern zeigt, wo es hakt.
In vertrauensvollen Teams kann Ärger Probleme sichtbar machen und als Motivationsfunke dienen.
Dr. Robin Umbra
Wut unterdrücken macht krank und unproduktiv
Wenn jemand seinen Ärger immer wieder hinunterschluckt, entsteht auf Dauer innerer Druck. Viele grübeln dann über die Situation, drehen sich gedanklich im Kreis. Die Fachleute sprechen von „grübelnder Bewältigung“. Die Folgen sind messbar: Konzentrationsprobleme, Erschöpfung, sinkende Motivation. Die Leistung nimmt ab – nicht, weil der Ärger zu groß ist, sondern weil er keinen Ausweg findet. Wer nicht reden kann, verliert die Kontrolle über seine Energie.
Arbeitgeber müssen lernen, mit Emotionen umzugehen
Die Studie zeigt auch: Unternehmen tragen Verantwortung. Es reicht nicht, Emotionen zu ignorieren oder kleinzureden. Stattdessen sollten Führungskräfte lernen, Gefühle bei Mitarbeitern wahrzunehmen, ernst zu nehmen und ein gutes Miteinander zu fördern.
Statt Gefühle zu unterbinden, sollten Führungskräfte genau hinsehen, die Emotionen anderer erkennen, darauf reagieren und auch das Wir-Gefühl stärken.
Dr. Robin Umbra
Fünf Regeln für eine Kommunikation ohne Eskalation
Der Umgang mit Ärger ist keine Glückssache. Jeder Mensch kann lernen, seine Emotionen früh zu erkennen und damit sinnvoll umzugehen. Unternehmen können Schulungen anbieten, Teams stärken und Führungskräfte sensibilisieren. Das verbessert nicht nur die Kommunikation, sondern auch das gesamte Arbeitsklima.
Diese fünf Tipps machen es leichter, Wut konstruktiv zu kommunizieren:
- Kurz durchatmen: Erst Abstand gewinnen, dann reden – das schützt vor impulsiven Reaktionen.
- Sachlich bleiben: Nicht die Person kritisieren, sondern das konkrete Verhalten oder die Situation benennen.
- Ich-Botschaften nutzen: Statt Vorwürfen die eigene Sicht erklären, zum Beispiel: „Ich habe mich geärgert, weil …“.
- Gutes Timing wählen: Nicht zwischen Tür und Angel – lieber im ruhigen Moment das Gespräch suchen.
- Lösungen vorschlagen: Ärger nicht nur äußern, sondern zeigen, wie es besser gehen kann.
Wer das schafft, verwandelt Wut am Arbeitsplatz in eine Ressource und nicht in ein Risiko.
Kurz zusammengefasst:
- Die Universität Hohenheim fand heraus, dass Wut am Arbeitsplatz weder die Konzentration noch die Produktivität direkt mindert – entscheidend ist der Umgang damit.
- Wer seinen Ärger respektvoll äußert und sich im Team eingebunden fühlt, kann die dabei entstehende Energie nutzen, um Probleme zu lösen und Ziele besser zu erreichen.
- Unterdrückter Ärger schadet langfristig: Grübeln statt Reden führt zu Erschöpfung und Leistungseinbrüchen – Unternehmen sollten deshalb gezielt den offenen und sozialen Umgang mit Emotionen fördern.
Übrigens: Nicht nur klug gezeigte Wut kann die Leistung im Job steigern – auch das Gefühl, fair bezahlt zu werden, spielt eine entscheidende Rolle. Wie Lohngerechtigkeit die Produktivität verändert, mehr dazu in unserem Artikel.
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