Arbeitsmarkt 2023: Sinkende Produktivität trotz Wachstum
Der deutsche Arbeitsmarkt erlebt einen historischen Anstieg der Beschäftigtenzahlen, doch die Produktivität sinkt trotz Wachstum.
In Deutschland lässt sich derzeit ein ungewöhnliches Phänomen auf dem Arbeitsmarkt beobachten: Trotz einer angespannten Wirtschaftslage steigen sowohl die Zahl der Beschäftigten als auch die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden auf ein Rekordniveau. Trotz Wachstum stagniert jedoch die Wirtschaftsleistung – teilweise geht sie sogar zurück.
Dies führt zu einem historischen Rückgang der Stundenproduktivität. Diese ist ein Maß dafür, wie viel in einer Volkswirtschaft pro geleisteter Arbeitsstunde erwirtschaftet wird. Holger Schäfer, ein Ökonom und Arbeitsmarktexperte vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), sprach mit n-tv über diese Entwicklungen und die damit verbundenen Herausforderungen.
Historischer Einbruch der Produktivität
Zum zweiten Mal seit der Wiedervereinigung hat die Stundenproduktivität in Deutschland abgenommen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sank im Jahr 2023 um 0,3 Prozent, während gleichzeitig die Zahl der Beschäftigten und die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden auf einen historischen Höchststand stiegen. „Das Arbeitsvolumen dürfte 2024 leicht stärker zulegen als das BIP“, prognostiziert Schäfer. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass trotz eines leichten Wachstums die Produktivität weiter sinken könnte.
Demografische Veränderungen und Arbeitsmarkt
Ein weiterer Faktor, der den Arbeitsmarkt beeinflusst, ist die demografische Entwicklung. Die Zahl der Erwerbspersonen in Deutschland ist gestiegen, was teilweise durch die Zuwanderung von Geflüchteten aus der Ukraine seit 2022 erklärt werden kann. Viele dieser Menschen haben schnell Arbeit gefunden, allerdings bleibt ein Teil von ihnen vorerst arbeitslos. Die steigende Zahl der Erwerbspersonen führt dazu, dass mehr Arbeit geleistet wird, auch wenn die durchschnittliche Arbeitszeit pro Erwerbstätigem sinkt.
Zukünftige Herausforderungen und Lösungsansätze
Bis 2030 erwartet Schäfer den Höhepunkt der demografischen Krise, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre in den Ruhestand gehen. „Wie diese Lücke geschlossen werden könnte, sei ’noch nicht annähernd klar’“, gibt der Ökonom zu bedenken. Er sieht insbesondere die Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche kritisch. Zudem betont er die Notwendigkeit einer Debatte darüber, wie Arbeit attraktiver gemacht werden kann – etwa durch bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Bedeutung für Wirtschaft und Gesellschaft
Die abnehmende Stundenproduktivität ist nur eines von mehreren widersprüchlichen Phänomenen, die derzeit auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu beobachten sind. Arbeitnehmer klagen über eine lahme Konjunktur und einen Mangel an Fachkräften, während Unternehmen in vielen Branchen trotz der schlechten wirtschaftlichen Lage mehr Menschen einstellen. Möglicherweise horten einige Unternehmen Arbeitskräfte, um sich auf die kommende demografische Krise vorzubereiten.
Dieser Zustand auf dem Arbeitsmarkt ist laut Schäfer nicht dauerhaft tragbar. „Spätestens 2025 wird sich das wieder ändern“, sagt er. Die Unternehmen müssen dann entweder ihre Produktion und Verkaufszahlen steigern oder Arbeitszeiten reduzieren und Überstunden abbauen.
Was du dir alles merken solltest:
- Trotz eines historischen Rückgangs der Produktivität arbeiten in Deutschland mehr Menschen mehr Stunden als je zuvor, während die Wirtschaftsleistung stagniert.
- Die demografische Entwicklung und die Zuwanderung von Arbeitskräften stellen den Arbeitsmarkt vor neue Herausforderungen, die eine nachhaltige Lösung erfordern.
- Es besteht ein dringender Bedarf an strategischen Maßnahmen, um die Produktivität zu steigern und den Arbeitsmarkt langfristig zu stabilisieren.
Bild: © Pisut Tardging via Vecteezy
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