Überarbeitung und Angst vor dem Chef: Warum Japaner für die Kündigung Hilfe brauchen

Die harte Arbeitskultur zwingt viele Japaner zur Überarbeitung und erschwert die Kündigung. Agenturen wie Momuri bieten Hilfe beim Jobwechsel.

Kündigungen auszusprechen ist für viele Japaner fast unmöglich. Nun wollen Agenturen diese Aufgabe übernehmen.

Kündigungen auszusprechen ist für viele Japaner fast unmöglich. Nun wollen Agenturen diese Aufgabe übernehmen. © Unsplash

In Japan ist es keine Seltenheit, dass Angestellte bis zur Erschöpfung arbeiten und dabei sogar am Schreibtisch schlafen. Lange Arbeitstage und ein strenger Arbeitsethos prägen den Alltag vieler Japaner. Angst vor dem Chef und die Sorge, als illoyal zu gelten, führen dazu, dass viele Arbeitnehmer kaum Pausen einlegen und sich auch nach Feierabend dem Unternehmen verpflichtet fühlen. Visitenkarten werden stets mit beiden Händen entgegengenommen – als Zeichen des Respekts und der tief verwurzelten Hierarchien, die das Arbeitsleben bestimmen. In dieser strikten Arbeitskultur kann eine Kündigung für Japaner schnell zu einem großen Problem werden.

Das Verlassen eines Unternehmens wird häufig als respektlos wahrgenommen, und manche Chefs weigern sich schlichtweg, die Kündigung ihrer Mitarbeiter zu akzeptieren. Hier kommt die Kündigungsagentur Momuri ins Spiel, die in Tokio ihren Sitz hat. Sie wurde vor rund zweieinhalb Jahren gegründet und bietet Arbeitnehmern eine Lösung, um das Unternehmen zu verlassen, ohne direkt mit dem Chef sprechen zu müssen.

Stressfaktor Kündigung: Japaner buchen Agentur für unbeliebten Schritt

Momuri, was auf Japanisch so viel wie „Ich halte das nicht mehr aus“ bedeutet, ist besonders bei denjenigen beliebt, die Angst vor einer direkten Konfrontation mit ihrem Chef haben. Für rund 140 Euro übernimmt die Agentur das Kündigungsverfahren, bei Teilzeitbeschäftigten liegt der Preis bei etwa 80 Euro. Laut CNN hat das Unternehmen allein im vergangenen Jahr rund 11.000 Anfragen erhalten.

Die Kündigungsagentur übernimmt das Gespräch mit dem Arbeitgeber und hilft, die oft emotionalen Hürden zu überwinden. Einige Vorgesetzte reagieren extrem auf Kündigungsversuche: „Manche Menschen kommen zu uns, nachdem ihr Kündigungsschreiben vom Chef schon dreimal zerrissen wurde“, berichtet Shiori Kawamata, eine leitende Mitarbeiterin von Momuri, gegenüber CNN.

Hierarchien erschweren den Jobwechsel

Das starre Hierarchiesystem und der hohe Stellenwert der Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber erschweren es vielen Japanern, den Job zu wechseln. Von klein auf lernen sie, sich dem Kollektiv anzupassen und die Interessen des Unternehmens über die eigenen zu stellen. Ein Jobwechsel wird daher als Respektlosigkeit betrachtet. Laut CNN gibt es sogar Fälle, in denen Chefs ihre Angestellten zu Hause aufsuchen, um sie zur Rücknahme ihrer Kündigung zu drängen. Diese Art von Druck führt dazu, dass viele Arbeitnehmer sich nicht trauen, den ersten Schritt zu machen.

Besonders in den Branchen Gastronomie, Gesundheitswesen und Soziales ist die Nachfrage nach den Diensten von Kündigungsagenturen wie Momuri hoch. Shiori Kawamata erklärt, dass einige Angestellte aus diesen Bereichen von ihren Chefs zu Tempeln gebracht wurden, um vermeintliche Flüche zu lösen, die ihre Kündigungsabsichten verursacht hätten.

Die Regierung reagiert auf exzessive Überstunden

Die Überarbeitung der Angestellten in Japan ist seit Jahrzehnten ein bekanntes Problem. Um dem entgegenzuwirken, hat die Regierung 2019 gesetzliche Obergrenzen für Überstunden eingeführt. Angestellte dürfen nicht mehr als 100 Überstunden im Monat leisten, doch die Realität sieht oft anders aus. Laut CNN starben 2022 mindestens 54 Menschen an den Folgen von Arbeitsüberlastung – ein Symptom des „Karoshi“-Phänomens, bei dem Menschen an den Folgen exzessiver Arbeit sterben (Karoshi bedeutet „Tod durch Überarbeitung“). Auch die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz nehmen zu. Immer mehr Angestellte reichen Klagen aufgrund von Stress und Überlastung ein, wie CNN berichtet.

Und auch hier will die Agentur Momuri ansetzen und bietet neben der Hilfe bei Kündigungen gezielt Unterstützung bei der Einweisung in psychiatrische Kliniken an. Das Unternehmen arbeitet nach eigenen Angaben eng mit Einrichtungen zusammen, um Arbeitnehmern, die unter starkem Stress oder psychischen Belastungen leiden, einen umfassenden Zugang zu medizinischer und psychologischer Betreuung zu ermöglichen.

Junge Japaner offen für Jobwechsel

Während ältere Generationen ihre Karriere oft bei einem einzigen Unternehmen verbrachten, zeigen sich jüngere Arbeitnehmer zunehmend bereit, den Job zu wechseln, wenn sie unzufrieden sind. Kündigungsagenturen wie Momuri spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie den jungen Arbeitnehmern eine stressfreie Möglichkeit bieten, das Unternehmen zu verlassen. Laut CNN hat die Pandemie diesen Trend noch verstärkt, da viele Menschen ihre Arbeitsbedingungen hinterfragt haben.

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Shiori Kawamata von Momuri erklärt, dass ihr Unternehmen nicht nur eine Lösung für die heutige Arbeitswelt sei, sondern auch ein Zeichen für den Wandel in der japanischen Gesellschaft. „Wir hoffen, dass unser Service eines Tages nicht mehr benötigt wird“, sagt sie gegenüber CNN. Doch angesichts der vielen Schwierigkeiten, denen Angestellte bei Kündigungen begegnen, bleibt Momuri ein wichtiger Ansprechpartner für gestresste Arbeitnehmer in Japan.

Was du dir merken solltest:

  • Die strikte Arbeitskultur sorgt oft dafür, dass Japaner überarbeitet sind und Schwierigkeiten haben, ihre Kündigung durchzusetzen.
  • Kündigungsagenturen wie Momuri bieten eine Lösung, indem sie den Kündigungsprozess für Angestellte übernehmen.
  • Besonders jüngere Generationen hinterfragen die traditionellen Arbeitsweisen und suchen nach einem besseren Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben.

Übrigens: Während Kündigungsagenturen wie Momuri Japaner bei der Bewältigung ihrer stressigen Arbeitskultur unterstützen, kämpft der Videospielentwickler Sega darum, seine Klassiker vor dem Vergessen zu bewahren. Ein Archivar soll das Erbe von „Sonic the Hedgehog“ sichern – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Unsplash

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