Werbeagenturen kämpfen um junge Talente – was läuft schief?
Fachkräftemangel und harte Arbeitsbedingungen belasten Werbeagenturen.
Vor einem Jahrzehnt galten Werbeagenturen als Traumziele für junge, kreative Köpfe. Sie wollten sich selbst verwirklichen und kreativ arbeiten. Renommierte Agenturen wie Wirz, Publicis oder Jung von Matt boten die Chance, von Branchengrößen wie Frank Bodin und Markus Ruf zu lernen. Die Voraussetzungen: „jung, wild, billig und willig“.
Heute kämpfen die Agenturen mit Fachkräftemangel. Andreas Hugi, Inhaber einer PR-Agentur und Präsident des Branchenverbands Leading Swiss Agencies, sagt laut der NZZ, junge Kommunikationsspezialisten wählen nach der Ausbildung nicht mehr automatisch eine Agentur. Diese gelten als Arbeitsplätze mit viel Arbeit und wenig Geld. Die Löhne sind branchenüblich, aber die Arbeitsbedingungen oft hart. 2011 arbeiteten etwa 33.000 Menschen in Werbeagenturen, 2021 nur noch etwa 30.000.
Fachkräftemangel und Arbeitsbedingungen
Erfahrene Werber bestätigen, dass junge Talente berechtigte Bedenken haben. Angesagte Agenturen bieten kreative Umgebungen mit Baristas und Pingpongtischen, doch die Arbeitstage dauern oft bis zu 14 Stunden. Die Bezahlung ist im Vergleich zu anderen Branchen mäßig. Nachwuchs-Texter und Art-Directors absolvieren oft viele Praktika mit sehr niedrigen Löhnen. Auch angehende Kundenberater arbeiten lange als Assistenten.
Ein Grund für den Preisdruck: Kunden verlangen Einzelangebote für jedes Projekt statt Pauschalen für definierte Leistungen. Benno Frick vom Agenturnetzwerk ASW erklärt, große, internationale Agenturen hätten die Agenturhonorare geopfert, um viele Aufträge zu erhalten. Praktikanten füllen die Lücke zwischen effektiven und offerierten Kosten und arbeiten schlecht bezahlt.
Wechsel zur Unternehmensseite
Viele Werber verlassen die Agenturwelt spätestens mit 30 Jahren. Lange Arbeitszeiten lassen sich schwer mit einem Familienleben vereinbaren. Stellen in Marketingabteilungen von Unternehmen oder bei der öffentlichen Hand bieten mehr Arbeitsplatzsicherheit, geregelte Bürozeiten und höhere Gehälter. Nadine Pachoud von der Agentur Sir Mary sagt, viele Werber wechseln zu Kunden, da sie mehr Konstanz und Entwicklungsmöglichkeiten erwarten.
Agenturen investieren zudem zu wenig ins eigene Employer-Branding. Sie konzentrieren sich darauf, Employer-Branding-Kampagnen für Kunden zu kreieren, vernachlässigen aber das eigene Personalmarketing. Um Talente zu gewinnen, werden Agenturen bei Jobtiteln kreativer und offener gegenüber Themen wie Home-Office und Überstunden-Kompensation.
Agenturen stellen mittlerweile auch Studienabgänger ein. Früher benötigte man bereits Agenturerfahrung für eine Stelle. Sonia Soutter von der Personalvermittlung Werbekraft Nordost sagt, diese Zeiten sind vorbei. Bachelorstudiengänge in Kommunikation erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit. Die Anzahl der Studiengänge im Bereich Marketing und Kommunikation hat in den letzten Jahren zugenommen.
Was du dir merken solltest:
- Junge Kommunikationsspezialisten meiden zunehmend Agenturen, da diese als Orte mit hoher Arbeitsbelastung und vergleichsweise niedriger Bezahlung gelten. Die Zahl der in Werbeagenturen Beschäftigten ist in den letzten zehn Jahren deutlich zurückgegangen.
- Kreative Umgebungen in Agenturen können die oft bis zu 14 Stunden langen Arbeitstage und die mäßige Bezahlung nicht ausgleichen. Viele junge Werber wechseln daher in Marketingabteilungen von Unternehmen, die bessere Arbeitsbedingungen bieten.
- Während Agenturen Employer-Branding-Kampagnen für Kunden entwickeln, vernachlässigen sie das eigene Personalmarketing. Um attraktiv für Nachwuchskräfte zu bleiben, setzen sie nun vermehrt auf kreative Jobtitel, Home-Office-Optionen und Überstundenkompensation.
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