Solares Geoengineering: Müssen wir die Sonne künstlich verdunkeln?
Solares Geoengineering könnte die Erderwärmung bremsen, birgt jedoch große Risiken. Wissenschaftler und Unternehmen erforschen diese kontroverse Methode zunehmend intensiv.
Angesichts des fortschreitenden Klimawandels diskutieren Wissenschaftler zunehmend über solares Geoengineering. Diese Technik soll die Erde durch künstliche Verdunklung der Sonne abkühlen. Frank Keutsch von der Harvard University erlebte einen Sinneswandel unter seinen Kollegen. Während solares Geoengineering lange als Tabu galt, wächst nun der Druck, sich darauf vorzubereiten.
Vor fünf Jahren stieß Keutsch mit seiner Forschung auf Widerstand. „Frank, diese Forschung ist ein Fehler!“, sagten viele seiner Kollegen. Doch der Klimawandel schreitet unaufhaltsam voran, und dieselben Kollegen sagen nun: „Leider muss man es vielleicht doch tun.“ Keutsch plant seit Jahren ein Freilandexperiment (SCoPEx), bei dem Partikel in die Stratosphäre freigesetzt werden sollten, um deren Mischung mit der Luft zu untersuchen. Doch das Experiment wurde im März eingestellt. Laut ZEIT Online betont Keutsch, dass die Erforschung dieser Technik wichtig sei, um zu verhindern, dass diese eines Tages unkontrolliert zum Einsatz kommt. Sollte der Klimawandel Inselstaaten existenziell bedrohen, könnten diese auf solares Geoengineering zurückgreifen, und der Westen müsse dann erstmal argumentieren können, warum dies nicht erlaubt sei.
Erste Freilandversuche
In den letzten Jahren flossen erhebliche Mittel in die Erforschung von Geoengineering. Die US-Regierung folgte einer Empfehlung der National Academies of Science, Engineering and Medicine und plante, innerhalb von fünf Jahren bis zu 200 Millionen Dollar zu investieren. Auch die Simons Foundation startete 2023 ein Förderprogramm über insgesamt 50 Millionen Dollar. Naturereignisse wie der Ausbruch des Vulkans Pinatubo 1991 zeigten, dass solare Abschattung prinzipiell funktionieren kann. Der Vulkan schleuderte 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre, was zu einer globalen Abkühlung um 0,5 Grad führte.
Ein ähnlicher Effekt könnte künstlich herbeigeführt werden. Schiffe könnten Wolken über den Weltmeeren aufhellen, Drohnen Wolken in der oberen Atmosphäre ausdünnen, Flugzeuge Aerosole in der Stratosphäre fördern oder Raketen gigantische Spiegel in die Umlaufbahn transportieren. All diese Methoden zielen darauf ab, den Anteil der Sonnenwärme, der die Erde erreicht, zu verringern.
Welche Formen von solarem Geoengineering gibt es?
- Reflektierende Oberflächen: Helle Oberflächen wie weiße Straßen, Dächer oder Pflanzen reflektieren mehr Sonnenstrahlung.
- Marine Cloud Brightening (MCB): Schwefelhaltige Schiffsabgase oder Salzwassernebel erzeugen und erhellen Meereswolken.
- Stratosphärische Aerosol-Injektion (SAI): Aerosole werden per Flugzeug in die Stratosphäre eingebracht und reflektieren Sonnenlicht.
- Installationen im Weltall: Spiegel oder Sonnensegel zwischen Erde und Sonne, was allerdings schwer zu realisieren wäre.
- Cirrus Cloud Thinning (CCT): Ausgedünnte Zirruswolken lassen mehr Wärmestrahlung der Erde ins All entweichen.
Technologische Risiken
Die Risiken und Nebenwirkungen dieser Methoden sind jedoch schwer abzusehen. Laut ZEIT Online könnten sich regionale Niederschlagsmuster deutlich ändern, Monsune und große Luftströmungen umgeleitet werden. Mögliche Folgen wären Dürren, Überschwemmungen und Ernteausfälle. Der Himmel würde nicht mehr blau, sondern weißlich erscheinen, wobei Sonnenuntergänge prächtiger wirken könnten. Zudem besteht die Gefahr, dass die Menschheit sich weniger bemüht, CO2-Emissionen zu reduzieren.
Solche Risiken rufen starken Widerstand gegen die Forschung hervor. Lili Fuhr, eine 44-jährige Geografin der Umweltschutzorganisation CIEL, freut sich über Erfolge im Kampf gegen Geoengineering. „Wir haben Geschichte geschrieben“, sagt sie und bezieht sich auf die Verhinderung eines Freilandexperiments zur künstlichen Aufhellung von Meereswolken in Alameda, Kalifornien. Die Aktivisten überzeugten den Stadtrat, gegen das Experiment zu stimmen.
Investoren und kommerzielle Interessen
Auch kommerzielle Unternehmen interessieren sich zunehmend für Geoengineering. Start-ups wie Stardust und Make Sunsets arbeiten an Technologien zur künstlichen Abkühlung der Erde. Stardust wurde 2023 gegründet und hat bereits 15 Millionen Dollar gesammelt. Das Unternehmen plant Freiluftexperimente und hat János Pásztor, einen ehemaligen führenden Klimadiplomaten, als Berater gewonnen. Das Ziel von Stardust ist es, stratosphärische Aerosol-Injektion (SAI) sicher, praktikabel und kontrollierbar zu machen.
Das kalifornische Unternehmen Make Sunsets agiert hingegen ohne Absprache und verkauft „Cooling Credits“, indem es Schwefeldioxid in die Stratosphäre freisetzt. „Stell es dir wie eine Sonnencreme für unseren Planeten vor“, wirbt das Start-up auf seiner Homepage. Wissenschaftler wie Frank Keutsch sehen solche Aktivitäten kritisch. Er warnt vor unkontrollierter kommerzieller Nutzung und betont, dass Geoengineering von kommerziellen Interessen frei gehalten werden müsse. Die besten Wissenschaftler der Welt sollten daran forschen und ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit frei zugänglich machen.
Globaler Widerstand
Der Widerstand gegen Geoengineering ist jedoch global. In Schweden formierte sich 2021 der Widerstand der indigenen Gruppe der Samen gegen das Harvard-Experiment von Keutsch. Geoengineering stehe im Gegensatz zu ihrem Verständnis von Respekt gegenüber der Natur und mache den Menschen zu einem Herrscher, der den Planeten kontrollieren wolle. Keutsch räumt ein, dass das Team viel früher mit den Menschen vor Ort hätte sprechen müssen.
Obwohl Keutsch die Bedenken gut verstehen kann, plädiert er für die Fortsetzung der Forschung. Er vergleicht Geoengineering mit Opiaten: Es bekämpft Symptome, nicht Ursachen, und kann abhängig machen. Solares Geoengineering ändert nichts an der hohen CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Sobald die Interventionen gestoppt würden, steigen die Temperaturen wieder an, was als „Termination Shock“ bekannt ist. Dieses Phänomen sieht Keutsch als das größte bisher gut verstandene Problem der Methode.
Forschung und Regulierung
Die Zeit drängt. Solares Geoengineering beginnt, zu einem Geschäft zu werden. Der Harvard-Chemiker Keutsch betont die Notwendigkeit globaler Regulierung und ausreichender Forschung, um die Risiken zu kennen und zu kontrollieren. Gegner wie Lili Fuhr sehen jedoch keinen Ausweg: „Unsere Verzweiflung macht die Idee ja nicht besser“, sagt sie. Für sie und viele andere bleibt die Antwort klar: Nein zu Geoengineering.
Was du dir merken solltest:
- Solares Geoengineering könnte durch die künstliche Verdunklung der Sonne helfen, die Erderwärmung zu bekämpfen, birgt jedoch erhebliche Risiken wie unvorhersehbare Klimaveränderungen und mögliche Dürren oder Überschwemmungen.
- Trotz des bisherigen Widerstands wächst der Druck, diese Technik zu erforschen, um unkontrollierte Anwendungen zu verhindern und moralisch auf Forderungen betroffener Regionen reagieren zu können.
- Kommerzielle Interessen nehmen zu, aber führende Wissenschaftler wie Frank Keutsch betonen die Notwendigkeit, Geoengineering von kommerziellen Interessen frei zu halten und die Forschungsergebnisse öffentlich zugänglich zu machen, um die Risiken zu verstehen und zu kontrollieren.
Bild: © Vecteezy
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