Schöne Wörter gefallen dem Ohr, bleiben aber oft nicht im Kopf
Schöne Wörter klingen angenehm, gehen aber im Gedächtnis oft unter. Warum Klang und Erinnern unterschiedlich funktionieren.
Menschen bewerten Wörter je nach Klang unterschiedlich – wohlklingende Laute bleiben dabei häufiger im Gedächtnis. © Unsplash
Warum bleiben manche Wörter sofort hängen, während andere trotz Wiederholung schnell wieder verschwinden? Diese Erfahrung kennt fast jeder – beim Vokabellernen, bei Namen oder neuen Begriffen aus dem Alltag. Dahinter steckt mehr als Aufmerksamkeit oder Interesse. Sprache wirkt früher und tiefer. Schon ihr Klang entscheidet mit, ob etwas im Gedächtnis bleibt.
Eine aktuelle Studie der Uni Wien geht diesem Effekt nach. Sie macht deutlich, dass Menschen Wörter nicht allein wegen ihrer Bedeutung behalten. Auch die Lautstruktur beeinflusst, was im Gedächtnis bleibt. Manche Klangmuster setzen sich schneller fest, andere klingen zwar angenehm, verblassen aber rasch. Lernen und Erinnern folgen damit anderen Regeln, als lange angenommen wurde.
Warum wohlklingende Wörter nicht automatisch im Kopf bleiben
Für die Untersuchung hörten und sahen 100 englischsprachige Erwachsene erfundene Wörter. Diese Pseudowörter klangen vertraut, hatten aber keine Bedeutung. Beispiele sind „clisious“ oder „smanious“. So ließ sich der Einfluss des Klangs isoliert betrachten, ohne dass Inhalte oder Emotionen hineinspielten.
Die Teilnehmer lernten diese Wörter, gaben sie später frei wieder und bewerteten anschließend, wie angenehm sie klangen. Die Wörter waren gezielt gestaltet. Einige sollten besonders wohlklingend wirken, andere neutral, wieder andere eher hart.
Dabei zeigte sich ein klarer Unterschied. Die Wörter, die am besten erinnert wurden, galten nicht automatisch als die schönsten. Umgekehrt erhielten viele angenehm klingende Wörter gute Bewertungen, blieben aber schlechter im Gedächtnis. Schönheit und Merkbarkeit folgen also unterschiedlichen Logiken.
Studienleiterin Theresa Matzinger sagt dazu: „Wir fanden heraus, dass jene Wörter, die sich die Teilnehmenden am besten merkten, von ihnen auch als am schönsten wahrgenommen wurden – allerdings waren das nicht immer jene Wörter, die wir ursprünglich als besonders schön entworfen hatten.“
Warum frühere Studien den Klang überschätzt haben
Bisherige Forschung zur Wortschönheit arbeitete meist mit echten Wörtern. Das brachte ein zentrales Problem mit sich. Bedeutung, Erinnerungen und Gefühle beeinflussen die Bewertung stark. Begriffe wie „melody“ oder „harmony“ wirken weich, weil sie positive Bilder auslösen. Härtere Wörter wie „drudge“ oder „blunt“ klingen kantiger und werden häufiger mit negativen Assoziationen verbunden.
Die neue Studie umging diesen Effekt bewusst. Die Pseudowörter hatten keine Bedeutung. Damit ließ sich klarer erkennen, was der Klang selbst bewirkt. Laute besitzen eine eigene ästhetische Qualität. Sie beeinflussen, wie angenehm ein Wort erscheint – unabhängig von seinem Inhalt.
Dabei zeigte sich auch: Vertrautheit erzeugt Wohlklang. Wörter mit sehr häufigen Lautmustern wirken rund und gefällig. Sie fügen sich reibungslos ins Sprachgefühl ein. Gerade diese Glätte macht sie jedoch weniger einprägsam.
Warum das Gedächtnis anders arbeitet als das Schönheitsempfinden
Die Bewertungen folgten einem klaren Muster. Am besten schnitten Wörter ab, deren Klang zwischen Vertrautheit und Neuheit lag. Sehr häufige oder sehr ungewöhnliche Lautfolgen wirkten weniger ansprechend. Dieses Muster entspricht einer umgekehrten U-Kurve: Zu viel Gewohntes wirkt schnell langweilig, zu viel Ungewohntes irritiert.
Für das Gedächtnis galt diese Logik jedoch nicht. Besser erinnert wurden Wörter mit markanterer Lautstruktur. Sie hoben sich leicht vom Gewohnten ab und zogen dadurch mehr Aufmerksamkeit auf sich. Diese akustische Abweichung machte sie einprägsamer, auch wenn sie nicht als besonders schön galten.
Ein weiterer Befund ergänzt dieses Bild. Wörter, die erinnert wurden, erhielten im Nachhinein höhere Schönheitsbewertungen als vergessene. Das Gedächtnis wirkt also zurück auf die Wahrnehmung. Ob etwas im Kopf bleibt, beeinflusst auch, wie angenehm es später erscheint.
Kurz zusammengefasst:
- Wörter bleiben nicht wegen ihrer Bedeutung im Gedächtnis, sondern oft wegen ihres Klangs: Eine Studie zeigt, dass die Lautstruktur entscheidend mitbestimmt, was sich einprägt – noch bevor Inhalte verstanden werden.
- Wohlklingend heißt nicht automatisch einprägsam: Vertraute, angenehm klingende Wörter werden zwar schöner bewertet, bleiben aber schlechter im Kopf als Wörter mit leicht markanter, ungewöhnlicher Lautstruktur.
- Schönheit und Erinnerung folgen unterschiedlichen Regeln: Unser Gefühl bevorzugt Vertrautheit, das Gedächtnis dagegen reagiert stärker auf Abweichung – und bewertet Erinnerbares im Nachhinein oft sogar als schöner.
Übrigens: Unsere Sprache verändert sich. Forscher zeigen, dass ChatGPT längst unser Vokabular prägt und wir zunehmend Worte der KI übernehmen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Unsplash
